Die Ausstellung 'To One's Name'

Eröffnung: 18:00, 05. Juli 2013

Laufzeit: 09. Juli - 30. August 2013; Di-Fr 13.00-18.00

Kunsthalle Exnergasse (WUK)
Währinger Straße 59
1090 Wien

Den lokalen Part bildet 'To One’s Name', kuratiert von Suzana Milevska. Dieser Teil der Ausstellung stellt sich der Frage, was es bedeutet, der Gemeinschaft der Roma anzugehören und auch so genannt zu werden, was wirklich den Roma und was ausschließlich dieser Bezeichnung als Romahistorischen, kulturellen und sozio-politischen Sinne zugehörig ist.

Die Kuratorin erklärt das Konzept:

 

To One’s Name: The name Roma as agency

Kuratorin: Suzana Milevska
Kuratorische Assistenz: Patrick Kwaśniewski 
TeilnehmerInnen: Saša Barbul, Marika Schmiedt, Alfred Ullrich, Pedro Aguilera Cortés, Eduard Freudmann und andere
Design: Carlos Toledo, Eva Dertschei

 

Was bedeutet es, der Gemeinschaft der Roma anzugehören und auch so genannt zu werden? Und was ist wirklich den Roma und was ausschließlich dieser Bezeichnung als Roma im historischen, kulturellen und sozio-politischen Sinne zugehörig? – Dies sind nur einige der verschränkten und einander wechselseitig bedingenden Themen im Zentrum dieses Projekts. Die beteiligten KünstlerInnen, AktivistInnen und TheoretikerInnen setzen bei der Notwendigkeit an, zu den Missverständnissen, Stereotypen und Debatten rund um die Bezeichnungen für Roma offen Stellung zu beziehen ebenso wie auf die Relevanz der Wortbedeutung des Begriffs „Roma“ an sich einzugehen und auf die Gründe dafür, dass er – sowohl innerhalb der Mehrheitsgesellschaften als auch zum Teil von den Roma-Communities selbst – nur widerwillig benutzt wird. Ein Seminar befasst sich mit der Macht der Namensgebung und dem Potenzial, das dieser Macht in Bezug auf Selbstermächtigung innewohnt. Ein Workshop diskutiert Aspekte von Inklusion durch die Einschreibung von Namen bekannter Roma in den öffentlichen Raum.

Das Projekt untersucht Problemstellungen rund um die Entscheidung, wer das Recht zur Positionierung gegenüber der Bezeichnung Roma hat, von der ausgehend sowohl Roma Zugehörigkeit formulieren als auch Nicht-Roma im Sinne von Empowerment und Solidarität agieren können. Diesen Problematiken, die unter anderem etwa darin liegen, dass es keine Einigung auf eine einzige offizielle Sprache oder auf andere gemeinsame Insignien gibt, soll zum einen durch offensive Kritik an abwertenden und beleidigenden Wörtern wie “Gypsy”, “Cigani”, “Zingar”, “Tsigane” oder “Zigeuner“ begegnet werden, die gemeinhin stigmatisierend und nicht als ethnische Bezeichnung eingesetzt werden und durch das Erstarken rassistischer rechter Politik in Europa oft aufgeladen mit Ressentiments sind (ein jüngeres Beispiel ist die offizielle Initiative in Rumänien, anstelle der Bezeichnung Roma wieder den Begriff Tigan einzusetzen)[i]. Zum anderen sollen weiterführend Vorschläge für eine Präsenz der Roma im öffentlichen Raum formuliert werden.

Die der (Selbst)Bezeichnung als Roma zugrunde liegende Arbitrarität war eine der ersten breit getragenen politischen Entscheidungen und Aktionen innerhalb des Roma-Aktivismus.[ii] Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten nehmen direkt oder indirekt auf diesen Moment Bezug, ebenso wie die Diskussionen innerhalb des Seminars und eine Initiative, die zur Benennung einer Straße in Wien nach einer Persönlichkeit aus der Geschichte und Kultur der Roma führen soll, über deren Bedeutung Einigkeit herrscht. Dieses Eingehen auf die fehlende Präsenz von Namen und Bildern bekannter Roma in der Öffentlichkeit einerseits und auf die diffamierenden Bilder und derogativen Bezeichnungen für Roma andererseits findet eine Entsprechung in der bildkulturellen Auseinandersetzung mit den weitreichenden Auswirkungen der Verbreitung und Omipräsenz von Bildern mit problematischen Inhalten in der Öffentlichkeit (Marika Schmiedt, Alfred Ullrich). Es dient aber auch als Grundlage, um eine stärkere Präsenz von entsprechenden Verweisen auf Roma-Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit einzufordern und zu verorten (Saša Barbul). Und was wäre hier besser geeignet als ein Aufmerksammachen auf die Geschichte und auf den Beitrag der Roma zur ihrer eigenen Kultur wie auch zur Kultur Österreichs durch die Einschreibung von Namen in den öffentlichen Raum, durch Skulpturen, Straßennamen und anderen Formen der Präsenz?

Eine der nächstliegenden Fragen ist: Wer hat die Macht zu benennen oder umzubenennen bzw. wie wird diese Macht eingesetzt, um herrschende kulturelle und moralische Grundsätze zu reproduzieren? Die Verinnerlichung abwertender Bezeichnungen – als den Trägern von Regimen der Repräsentation, der Identifikation, Selbstessentialisierung und Selbstrassifizierung – führt in einen erschreckenden Teufelskreis, aus dem dringend ein Ausweg gesucht werden muss. Nach Deleuze/Guattari entspricht bereits der Moment der Namensgebung „dem Höhepunkt …[der] Depersonalisierung”, weil jemand in diesem Moment „durch die spontane Wahrnehmung von Vielheiten, die zu ihm gehören und zu denen er gehört, ganz intensiv unterscheidbar” wird.[iii] In diesem Sinne kritisiert das Projekt die hegemonialen Regime der Repräsentation, die sich in der arbiträren Benennung ebenso manifestieren und fortsetzen wie in verinnerlichten Strategien der Selbstrepräsentation, die dem Einzelnen durch Bedeutungsstrukturen aufgezwungen werden.

Das kuratorische Konzept möchte die geschlossenen Kreisläufe einer Kritik aufbrechen, die sich ausschließlich gegen die Fortschreibung stereotyper Repräsentationen wendet, während gleichzeitig die ambivalenten Praxen der Marginalisierung der Präsenz von Roma im öffentlichen Raum weiter existieren. Auch wenn das Projekt in einigen seiner Ansätze aus dem Bedürfnis heraus entstand, sich mit aktuellen Fällen von einzelner oder kollektiver Vertreibung, Ausweisung, Abschiebung von Roma-BürgerInnen vieler europäischer Staaten auseinanderzusetzen, werden diese Ereignisse in den gezeigten Arbeiten nur indirekt, über die Mittel der Ironie oder der Satire, gespiegelt.[iv] Angesichts des Fortschreitens des neoliberalen Kapitalismus und seinem Hunger nach billigem oder kostenlosem Land kehrt die Forderung nach einer stärkeren Präsenz der Roma im öffentlichen Raum diese politischen Schachzüge um. Die Präsenz von Roma-Namen (und nicht von “Gypsies” oder “Zigeunern”) im öffentlichen Raum wird eines Tages vielleicht an den Moment der (selbst)bewussten Entscheidung erinnern, getroffen von einigen führenden Roma-AktivistInnen, die so den Weg für eine erste politische Initiative, für den Versuch ebneten, einen sozialen Wandel herbeizuführen, überkommene Praxen der Zermürbung und Beleidigung aufzubrechen bzw. sich gegen das nachhaltige Ignorieren des Da-Seins von Roma und verschiedener Romani Lives einzusetzen.

Immer noch gibt es eine große Zahl von Menschen (mit und ohne BürgerInnenstatus), die unsichtbar gemacht und durch Isolation und Verletzung ihrer grundlegenden Menschenrechte zum Schweigen gebracht werden.[v] Selbst diejenigen, die nicht in der Lage sind, Rassismus zu überwinden[vi] und das Konzept einer nicht mehr an Kriterien der ethnischen Herkunft orientierten Gesellschaft mitzutragen oder die vielleicht nicht fähig sind, Repräsentation in all ihren Windungen zu entschlüsseln, sollten sich der Verantwortung bewusst werden, gegen historische wie gegenwärtige Ungerechtigkeit und Diskriminierung aufzutreten. Die Frage, wie nun den Traumata der Vergangenheit zu begegnen ist, in der Repräsentation oder in ihrer Vermeidung, führt zurück zur Problematik der Bedeutungsstrukturen – wie Eduard Freudmann anmerken würde, ist es kein Zufall, dass die Roma sich noch nicht auf einen gemeinsamen Begriff für den Holocaust einigen konnten.[vii]

Unsere Gesellschaften sind in ihren die Roma betreffenden Agenden von Gegensätzen bezüglich Inklusion, Einwanderungsgesetzen sowie in der Arbeitsmarkt- und Wohnbaupolitik geprägt: Die größte Herausforderung für Roma-AktivistInnen ist es, den politischen Zusammenhalt zu erhöhen und die Glaubwürdigkeit jener zu stärken, die Anspruch darauf erheben, im Namen der Roma zu sprechen. Ebenso gilt es, die Unterstützung weiterer Teile der Gesellschaft zu erreichen, so wie es zum Teil etwa bezüglich der Roma in Spanien gelingt, wie die Untersuchungen des spanischen Roma-Aktivisten Pedro Aguilera Cortés zeigen.[viii]

Es muss bezüglich der divergierenden historischen, politischen und kulturellen Vorgaben einzelner Roma-Communities unterschieden werden, genauso wie es

“(…) hilfreich [sein kann], zwischen historischen, staatlichen, wissenschaftlichen und alltäglichen Rassismen zu unterscheiden. Aber jede/r muss sich bewusst sein, dass alle Rassismen in Wirklichkeit – im transzendentalen Sinne sozusagen – in einen einzigen Rassimus zusammenfallen. Deleuze findet eine passende Formulierung dieses Wesens von Rassismus im Zeugnis von Auschwitz”.[ix]

In diesem Sinne liegt die Aufgabe der an der Ausstellung bzw. den begleitenden Veranstaltungen beteiligten zeitgenössischen Roma-KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und AktivistInnen nicht nur darin, für den Antirassismus zu sprechen und auf Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen: Das Projekt zeigt auf, dass neue Wege und Ausdrucksformen notwendig sind, die zu Kristallisationspunkten eines sozialen Wandels sowohl innerhalb des eigenen künstlerischen Umfelds als auch im Feld der zeitgenössischen Kunst an sich, innerhalb der politischen Institutionen und in der Öffentlichkeit werden könnten – so wie es einst die Aufgabe des Begriffs “Roma” gewesen ist. Im Kampf gegen Rassismus, soziale Ungerechtigkeiten und verzerrende Repräsentationen, die unsere heutige Welt prägen, kann es die Rolle der KünstlerInnen sein, diese Mechanismen künstlerisch aufzulösen (über Ironisierung oder Über-Identifikation) und sie mit positiven Aktionen zu konterkarieren. Das Projekt zielt darauf ab, neue Formen des Rassismus in all ihren Verkleidungen zu erkennen und auf die Dringlichkeit aufmerksam zu machen, sie zu entschlüsseln und zu erschüttern. Es zielt darauf ab, diese Formen vehement zu verurteilen und jede Gelegenheit zu nutzen, um zur radikalen Aktion aufzurufen, die eine Solidarität in der Differenz stärken und ein Zusammenleben im gemeinschaftlichen öffentlichen Raum ermöglichen soll.

Suzana Milevska

Marika Schmiedt, Die Gedanken sind frei. Angst ist Alltag für Roma in EU-ropa / Thoughts are free – Anxiety is Reality for Roma in EU-rope, 2013

40 bis 50 Plakate im Format A0
Künstlerische Interventionen; Techniken: digitale Collage, Montage, Konfrontage

Marikas Schmiedts künstlerische Arbeit befasst sich vorrangig mit der Geschichte der Verfolgung der Roma unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zwischen dem “Damals” und dem “Heute”, zwischen dem Zweiten Weltkrieg (der für die systematische Ermordung von 70 bis 80% der Roma verantwortlich ist, unter ihnen die ethnischen Bevölkerungsgruppen der Roma in Deutschland und Österreich, unter ihnen auch die Familie der Künstlerin selbst) und dem heutigen Rassismus sowie den Pogromen gegen Roma in ganz Europa. Die Künstlerin kritisiert die EU-Politiken zur Inklusion der Roma; mittels Überidentifizierung, die durch die künstlerische Technik der Konfrontage noch verstärkt wird, weist sie auf jene wunden Punkte hin, die üblicherweise sowohl in den heutigen Gesellschaften Europas als auch in den scheinheiligen und hegemonialen Bildregimen der Repräsentation unterdrückt und verschleiert werden.

Marika Schmieds künstlerische Forschung legt nahe, dass sich in Bezug auf Sprache und den Gebrauch von verhetzenden Parolen, in Bezug auf das Schweigen und die Gleichgültigkeit der breiten Öffentlichkeit nur wenig geändert hat. Die Künstlerin will dieses Schweigen aufbrechen und der Diskriminierung durch Sprache und durch Bilder über eine bis zur radikalen Satire gehende Offenlegung der Bildkultur rassistischer Mechanismen entgegentreten. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass eine/r von fünf jungen Erwachsenen zwischen 18 und 30 Jahren nicht weiß, was “Auschwitz” bedeutet, nicht weiß, dass dieses Wort für die Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazizeit steht: Für die Künstlerin besteht daher die unmittelbare und dringende Notwendigkeit, eine sorgfältige und kritische Diskussion zur Bedeutung von Namen, zur Bedeutung der Namensgebung ebenso wie zu Gefahren und Potenzialen der Umbenennung zu führen.

Alfred Ullrich, On the Move (2009 – 2013)

Rauminstallation

Alfred Ullrichs Arbeit On the Move (2009 – 2013) ist eine Rauminstallation, die eine Art surreales Wohnzimmer entstehen lässt, ein Ambiente, das nur auf den ersten Blick dem privaten Raum eines Roma-Zuhause gleicht. In die Installation eingebettet sind solche Elemente und Kunstwerke, die im Zuge der Recherche und des langwierigen, vom Künstler initiierten Prozesses um die Demontage des Verkehrsschildes LANDFAHRERPLATZ KEIN GEWERBE in Dachau entstanden sind. Die Arbeit verweist auf eines der hartnäckigsten Stereotype bezüglich der Roma, das immer auch zu einer Ausschließung wird, weil es den Roma die Möglichkeit zur Entscheidung für ein sesshaftes Leben abspricht, als wäre Nomadismus vorherbestimmt und den Roma über irgendeine archaische Ordnung zugehörig (was sogar historisch gesehen nicht für alle Regionen und ethnischen Gruppen richtig ist). Der durch die Hypothese einer nomadischen Bestimmung und Vorliebe entstehende Teufelskreis hat in der Vergangenheit zu zahlreichen Missverständnissen und Restriktionen geführt und tut es auch heute noch.

Teil von Ullrichs Installation sind etwa der Schriftverkehr zwischen der Vorsitzenden der Künstlervereinigung Dachau und dem Bürgermeister der Stadt zu dem Verkehrsschild LANDFAHRERPLATZ / KEIN GEWERBE und die Videoinstallation Crazy Water Wheel. Crazy Water Wheel besteht aus zwei Videos. Das eine zeigt lediglich das sich drehende Rad einer Wassermühle in Endlosschleife. Die Mühle befindet sich in unmittelbarer Nähe des Nazi-Vernichtungslagers Dachau und verweist so auch auf die ewige Wiederkehr des Rassismus. Seite an Seite mit dem Wasserrad ist die Dokumentation einer informellen, nicht öffentlichen Performance des Künstlers zu sehen, die sich auf das Verkehrsschild LANDFAHRERPLATZ / KEIN GEWERBE bezieht, das den NutzerInnen des Durchreiseplatzes das Handel treiben oder Hausieren verbietet. Einer der problematischen Aspekte des Wortes „Landfahrer“ ist, dass es während des Naziregimes als Synonym für „Zigeuner“ gebraucht wurde. Solche Schilder sind in Bayern noch heute in Gebrauch, in Ullrichs Arbeit wird die Aufschrift auf dem Schild jedoch gleichsam durchgestrichen.

Diese einfache Aktion macht deutlich, wie scheinbar neutrale Vorschriften zur Segregation fahrender Roma beitragen. Das Video zeigt den Künstler, der die Aufschrift des Verkehrsschildes verdeckt, indem er drei Schilder, eines nach dem anderen, davorhält: ein Fragezeichen, ein Kreuz und ein Schild, das an Stelle der alten Aufschrift einen neuen Begriff vorschlägt: einfach nur „Rastplatz“. Mit der Infragestellung des Schildes verweist er auf die Bedeutung jedes einzelnen Begriffs und jedes Namens, über den – in Analogie zum Rad – die die ewiggleichen Stereotype fortgeschrieben werden. Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit wird durch Sprache und durch das visuelle öffentliche Gedächtnis bewahrt: das bestehende Stereotyp von den Roma als „exotischen“ Wesen, die immer „in Bewegung” sind, scheint sich so zu bestätigen, Ullrichs Arbeit verweist jedoch darauf, dass es nicht immer deren freiwillige Entscheidung gewesen ist, so zu leben.

 

Saša Barbul, Roma Boulevard, 2013

Videoinstallation

 

Saša Barbuls Videoinstallation zeigt eine filmische Dokumentation, Ergebnis seiner Recherchen zum Prozess der Errichtung eines Denkmals für den Roma-Sänger Šaban Bajramović. Bajramović, einer der bekanntesten Roma in Serbien, wurde nach seinem frühzeitigen Tod von der Bevölkerung seiner Heimatstadt Niš mit der Aufstellung einer ihm gewidmeten Statue geehrt. Der Sänger war einer der wenigen Stars in Ex-Jugoslawien, die unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu den Roma als Musiker anerkannt und berühmt waren. Gleichzeitig geht es in dem Film um Scham, es geht um Diskriminierung und Intoleranz, die dem Sänger posthum widerfuhren, als dem Enthusiasmus rund um die Aufstellung der Statue eine Initiative zur Umbenennung eines Boulevards nach ihm folgte. Deleuze hat auf eine Verbindung von Rassismus und Scham in den Schilderungen Primo Levis zu dessen Erfahrungen in Auschwitz hingewiesen, von Levi als “Grauzone” bezeichnet.[x] In der Dokumentation diskutieren AktivistInnen und WissenschaftlerInnen zu den Hintergründen für die Verhetzung und die Stigmatisierung der Roma, die in den alten „Namen“ für Roma durchklingt. Der Künstler führte auch eine Befragung unter der Bevölkerung Wiens durch: es ging dabei um deren Einstellung zur Errichtung eines vergleichbaren Denkmals oder der Benennung einer Straße nach einer berühmten österreichischen Roma-Persönlichkeit. In der Ausstellung ist die Videoaufzeichnung der Umfrage zu sehen.

Anmerkungen:


[i] “Die rumänische Regierung hat unter der Roma- – oder Zigeuner- – Bevölkerung und unter Roma-Organisationen für Empörung gesorgt: Die Regierung hatte eine Anfrage an das Parlament in Bukarest gerichtet, nach der die offizielle Bezeichnung für die Bevölkerungsgruppe von Roma, was auf Romanes ‘Mensch’ bedeutet, auf Tigan geändert werden sollte; Tigan ist vom griechischen Begriff für  ‘unberührbar’ entlehnt.” Rupert Wolfe Murray, “Romania's Government Moves to Rename the Roma”, Time, 08.12.2010; http://www.time.com/time/world/article/0,8599,2035862,00.html (zuletzt besucht: 30.04.2013).

[ii] Der Begriff Roma (bzw. einigen LinguistInnen zufolge in einer adäquateren Übertragung der Aussprache auf Romanes auch “Rroma”) ist seit 1971 weitgehend anerkannt, nachdem sich die teilnehmenden AktivistInnen auf dem ersten transnationalan Roma-Kongress im nahe London gelegenen Orphington auf diese Bezeichnung geeinigt hatten, um die derogativen Assoziationen der Bennenungen “Gypsy”, “Zittan” oder “Tzigani” zu umgehen. Heute dient das Wort – auch aufgrund des Fehlens einer gemeinsamen Sprache und einer anderen authentischen gemeinschaftlichen Bezeichnung – als Überbegriff für viele unterschiedliche Namen, die diverse Roma-Communities zur Selbstbezeichnung nutzen. Nicht alle akzeptieren ihn aufgrund der unterschiedlichen kulturellen und historischen Kontexte der Communities in verschiedenen Ländern (so wird etwa die spanische Kultur oft als toleranter und inklusiver gegenüber den Roma angesehen). Auch aus dem Blickwinkel feministischer Kritik heraus gilt das Wort, das in allen Romanes-Dialekten “Mensch” (aber eben auch “Mann”) bedeutet, als problematisch.

[iii] Gilles Deleuze/Félix Guattari: Tausend Plateaus, Berlin: Merve 1997, S. 55.

[iv] Die umstrittenen Ausweisungen von fast 1.000 Roma aus Frankreich nach Rumänien und Bulgarien haben spürbare internationale Kritik ausgelöst und wurden vielfach als ernster Bruch der Menschenrechte in Bezug auf das Recht auf Nicht-Diskriminierung gesehen. Vgl. Kim Willsher, “Orders to police on Roma expulsions from France leaked,” guardian.co.uk, 13.09.2010, online unter: http://www.guardian.co.uk/world/2010/sep/13/sarkozy-roma-expulsion-huma….

[v]               Vgl. Gayatri Chakravorty Spivak, Making Visible, 28.05.2011, im Rahmen des von Birgit Lurz and Wolfgang Schlag in Zusammenhang mit der von Suzana Milevska kuratierten Ausstellung "Roma Protokoll“ im Architektur Zentrum Wien kuratierten Symposions Safe European Home; Siehe auch: http://igkultur.at/projekte/romanistan/making-visible  (zuletzt besucht: 30.04.2013).

[vi] Arun Saldanha, “Reontologising race: the machinic geography of phenotype,” Environment and Planning D: Society and Space, vol. 24, no. 1 (2006), Seiten 9 –24.

[vii] Es herrscht eine gewisse Uneinigkeit über die Benutzung des Romanes-Begriffs Porajmos (Romanes: /pʰo.ɽaj.mos/; auch: Porrajmos oder Pharrajimos) als Bezeichnung für den Genozid an den Roma während des Dritten Reichs, weil er übersetzt “Verschlingen” oder “Zerstörung” bedeutet. Trotzdem wurde etwa 2013 anlässlich der Verleihung des Austrian Holocaust Memorial Award an den Sinto Hugo Höllenreiter von der an der Zeremonie teilnehmenden Taskforce der Europäischen Allianz der Städte und Regionen zur Inklusion der Roma der Ausdruck “Pharrajimos survivor” verwendet, ohne die Uneinigkeit zu diesem Begriff zu erwähnen.

[viii] Andres Cala, “Spain's Tolerance of Gypsies: A Model for Europe?” Time, 16.09.2010, http://www.time.com/time/world/article/0,8599,2019316,00.html (zuletzt besucht: 30.04.2013).

[ix] Suzana Milevska, Arun Saldanha, “The Eternal Return of Race: Reflections on East European Racism”. In: Arun Saldanha, Jason Michael Adams (Hg.), Deleuze and Race. Edinburgh, UK: Edinburgh University Press, 2013, 240.

[x] „Mich haben all jene Seiten bei Primo Levi sehr erschüttert, auf denen er erklärt, daß die Konzentrationslager der Nazis in uns ‘die Scham, ein Mensch zu sein’, hervorgebracht haben. Und zwar nicht, weil wir alle für den Nazismus verantwortlich wären, wie man es uns glauben machen möchte, sondern weil wir durch ihn besudelt sind: Selbst die Überlebenden der Lager mussten Kompromisse eingehen, und sei es auch nur, um zu überleben. Scham, daß es Menschen gegeben hat, die Nazis waren, Scham, daß man es nicht verhindern konnte, Scham, Kompromisse eingegangen zu sein, das alles nennt Primo Levi die ‘Grauzone’.“ Aus: Kontrolle und Werden. In: Gilles Deleuze, Unterhandlungen 1972 – 1990, Frankfurt am Main, 1993. S.247.