Gratulation zu jahrzehntelanger Kulturarbeit in Vorarlberg

Aus den einführenden Worten im Rahmen der Filmpräsentation "Vienna Calling" im Filmforum, Metro Kino Bregenz, am 14. September 2023

Guten Abend zu Vienna Calling, mein Name ist Mirjam Steinbock und ich wurde vom Filmforum Bregenz eingeladen, etwas zu Vorarlbergs Kulturszene zu sagen. Ich bin Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg; wir sind die Interessensvertretung für unabhängige Kulturinitiativen und setzen uns für gute Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung und für Fairness ein, wir tragen die Anliegen in die Politik und nach außen, informieren und vernetzen nach innen.

Das Filmforum ist eines von unseren rund 60 Mitgliedern und es ist bereits 30 Vereinsjahre aktiv, was grandios ist. Wir haben einige Mitglieder mit einem so langen Bestehen, der Kulturkreis Feldkirch, Trägerverein des Theater am Saumarkt, ist bereits 51 Jahre vereinsaktiv, der Spielboden Dornbirn ist über 40 Jahre alt, der Verein allerArt in Bludenz wird 35 und feiert gerade jetzt, wir selbst sind 32, das poolbar-Festival feiert heuer 30-Jähriges, das vai – Vorarlberger Architektur Institut ist 26 Jahre, das nur als Auszug.

Diese vielen Jahrzehnte sind bemerkenswert, vor allem vor dem Hintergrund, dass Generationenübergaben gemacht werden (müssen) und dass überwiegend ehrenamtliche, also freiwillige und unbezahlte Arbeit dahintersteckt, und die ist dazu noch unglaublich professionell. Professionell in der Umsetzung, in der Außenwirkung. Der arbeitgebende Faktor ist auch von Bedeutung, es werden Künstler*innen, Kulturvermittler*innen, Techniker*innen und Kulturarbeiter*innen beschäftigt. Kulturarbeit hat somit auch volkswirtschaftlich eine Relevanz. Der Wert für die Gesellschaft ist somit hoch. Nicht zuletzt, weil Kulturinitiativen trotz aller Preissteigerungen Eintrittspreise niedrig halten möchten und so den fairen Zugang für möglichst alle Bevölkerungsschichten gewährleisten.

Zurück zum heutigen Abend:
Ich möchte dem Filmforum im Namen der IG Kultur Vorarlberg herzlichst gratulieren, beim großen Fest im Mai im Honolulu konnten wir leider nicht dabei sein. Das Fest muss toll gewesen sein, die Fotos davon sprechen Bände. Am Geburtstagsabend lief ein Film von Buster Keaton und der scheint untrennbar mit seinem Hut verbunden. Das war der sogenannte Pork Pie Hat, der wurde in den 1920ern getragen und der Komiker hat ihm durch eine Eigenkreation noch eine besondere Note gegeben. Ich habe keinen Pork Pie, nur einen Stetson Panama und der soll jetzt für die Frage stehen, was bei der Vorarlberger Kulturszene, und ich konzentriere mich auf die freie Szene, alles unter einen Hut passt:

Aus meiner Sicht ist das ganz klar eine verbindliche, nah am Publikum und seinen Bedürfnissen stehende Kulturarbeit mit einem gemeinnützigen Zweck. Also, keine Gewinnorientierung, sondern eine Orientierung an einem gemeinen Wohl und Interesse. Ebenso unter dem Hut ist der große Kooperationswille und das Teilen mit Anderen, das ist hier in Vorarlberg stark ausgeprägt. Nach dem Motto „Ma kennt ananad, ma schätzt anand, ma schaffat mitnand.“ Typisch für hier.

Wie ist das eigentlich in Wien, denn um die Hauptstadt geht es in dem Film? Meiner Erfahrung nach etwas anders. Und ich höre auch oft von Kolleg*innen aus Wien und den anderen Bundesländern, dass in Vorarlberg alles irgendwie näher beieinander ist. Nun dachte ich mir, ich frage direkt bei Vienna Calling-Regisseur Philipp Jedicke nach, tatsächlich ging ich davon aus, dass er selbst Wiener ist und war recht überrascht, dass er wie ich aus Deutschland kommt und mit einer Oma aus Kärnten österreichische Wurzeln hat. 

Ich habe Philipp Jedicke am Dienstag spontan auf Instagram angeschrieben und um prominente Unterstützung gebeten, ein paar Stunden später erhielt ich bildreiche und unterhaltsame Informationen rund um den Entstehungsprozess des Films.  Am Filmforum war er ebenfalls sehr interessiert und schickt an dieser Stelle seine Glückwünsche. 

Philipp Jedicke lebt in Köln, er ist freischaffender Filmemacher und Journalist und kennt somit die Vorteile und auch Tücken der freien Szene gut. Mit dem Film wollte er einerseits den Akteur*innen eine zusätzliche Bühne bieten und andererseits seine Begeisterung für Wien abbilden. „Die Stadt hat sehr charakterstarke Leute“, sagt er. Und er wollte auch die nicht-klassischen, nicht-touristischen Orte zeigen, das Cafe Weidinger ist ein Beispiel oder auch manche Plätze in dem Film, die man so wohl nicht mehr sehen wird, weil wir wieder außerhalb von Corona, in diesen Jahren entstand der Film, und Ausgehbeschränkungen sind und sie sowieso neu bebaut werden. 

Wie kam es zur Besetzung?
Philipp Jedicke hat sich vorab gefragt: „Wer berührt mich?“ So sei der Cast entstanden. Am Filmprojekt beteiligen konnte der Regisseur unter anderem Der Nino aus Wien, EsRAP, Kerosin95, Voodoo Jürgens, Stefanie Sargnagel oder Euroteuro, die haben übrigens letztes Wochenende in Vorarlberg gespielt.  Das brauchte zu Beginn durchaus etwas Überzeugungsarbeit bei den Künstler*innen: Es habe Verwunderung hinsichtlich der Zusammensetzung gegeben. „Warum die oder was hat der denn mit mir zu tun?“, wurde anfangs gefragt. Gespräche, Zeit und Vertrauen waren wohl die maßgeblichen Faktoren für ein „Jetzt macht es Sinn!“ am Ende der Produktion.

Sinnvoll ist für den Filmemacher auch das Vernetzen und er betont immer wieder, dass dieser ein Gemeinschaftswerk von Vielen sei. Vienna Calling möchte Anknüpfungspunkte schaffen und verschiedene Altersgruppen und auch Herkünfte ansprechen. Eine politische Message gebe es aber nicht, vielmehr solle der Film unterhalten und ein großer Spaß sein. 
Das geht auch über Wien hinaus. Unlängst hat Vienna Calling den Publikumspreis beim UNERHÖRT! Musikfilmfestival in Hamburg gewonnen! Dazu gratulieren wir auch sehr herzlich.

Etwas zu viel für diesen einen Hut? Entscheidet Ihr! Uns allen einen wunderbaren Filmabend.

 

Foto: Mareile Halbritter/Filmforum
 

Ähnliche Artikel

AMS-Debakel für geringfügig Beschäftigte: Startschuss für Rückforderungswelle Arbeitsministerium nutzt wichtige VfGH-Entscheidung für Verschärfungen – rechtswidrig, aber in Kraft
Fair Pay für Kulturarbeit - Kultur muss sich lohnen* - Auch in der Steiermark? Nach öffentlichen Bekenntnissen zu Fair Pay, aufwendigen Erhebungen und einer bereits kolportierten Budgeterhöhung von rund 1 Million Euro jährlich gibt es von der steirischen Landesregierung nur vage Aussagen und keine konkreten Entscheidungen.
Wie soll eine angemessene und faire Bezahlung in Kunst, Kultur und freien Medien aussehen? Die aktualisierte und erweiterte Neuauflage des "Fair Pay Reader" legt eine aktuelle Sammlung an Fair-Pay-Tools in Form von Gehaltstabellen, Kollektivverträgen, Kalkulationshilfen und unverbindlichen Honorarempfehlungen für Kunst und Kultur vor, kombiniert mit Textbeiträgen zu Arbeitsrealitäten. Printexemplare ab sofort erhältlich sowie hier zum Download.