Geschlechterkampf

Ein Film, so berichtete der Lieferant mit erregter Miene, habe sein bisher beschauliches Eheleben schließlich aus den Fugen gebracht. Das ominöse Machwerk rumore nun schon seit Wochen wie ein böser Geist im Kopf seiner Frau, die ihm doch bisher als treue Seele stets unscheinbar zur Seite gestanden habe.

Wenn der Gemüsehändler aus Salak einmal pro Woche in der Avenue Kakatare eintrifft, macht er auch routinegemäß Halt im Telegraphenamt. Seine frische Ware ist gefragt, weshalb die Verhandlung des Preises reichlich Ausdauer und Geschick erfordert. Eines Tages war er plötzlich wie ausgewechselt, irgendwie aufgebracht und um Verständnis ringend. Seine Frau, die ihm in den vergangenen Jahren drei Söhne und eine Tochter schenken durfte, habe ihm von ihrer Teilnahme an den Aktivitäten einer Frauengruppe in Salak erzählt. Seither sei nichts mehr wie zuvor.

Ein Film, so berichtete der Lieferant mit erregter Miene, habe sein bisher beschauliches Eheleben schließlich aus den Fugen gebracht. Das ominöse Machwerk rumore nun schon seit Wochen wie ein böser Geist im Kopf seiner Frau, die ihm doch bisher als treue Seele stets unscheinbar zur Seite gestanden habe. Er selbst bekam offensichtlich nie zu Gesicht, was sein Glück als Patriarch derart zerrütten konnte. Umso mehr weckte der Gemüsehändler aber das Interesse der Medienstelle des Telegraphenamts, das in der Tat sehr rasch fündig wurde.

Der Geist, der so bedrohlich aus der Flasche getreten ist, trägt in der Sprache Fufulde den Titel Rewbe Woila (deutsch: Frauen des Norden) und hält den Realitäten der von Stammeskulturen tief geprägten Gesellschaft einen dokumentarischen Spiegel vor. Schon zu Beginn des Filmes stellt der Lamido von Gazawa die Geschlechterverhältnisse klar: „Zwei Mädchen entsprechen einem Jungen!“ Das Wort der traditionellen Autoritäten türmt sich gemeinhin auf wie ein Fels, an dem nicht gemeißelt werden darf. Ihre steinerne Macht kann aber nicht mehr länger den Blick auf die soziale und ökonomische Schieflage in der Region verstellen. Zwei von drei Frauen können weder lesen noch schreiben. Nur ein Bruchteil der Mädchen hat die Möglichkeit eines Schulbesuchs. Stattdessen stecken sie fest im engen Korsett der Reproduktionsarbeit. Wer also in den Bergen losgeschickt wird, um auf beschwerlichen Wegstrecken viele Stunden lang Wasser zu beschaffen, kann sich kaum der eigenen Bildung widmen. Der allgemeine Mangel lastet auf den Müttern und Töchtern, die den Haushalt meistern und für die allernötigste Versorgung der Familie sorgen. Mit dem Einbruch des ersten Regens bestellen sie ihre ausgedörrten Felder, um später erneut die Hirse nur mit der Kraft ihrer Arme zu zermahlen.

Die diffuse Furcht des streng gläubigen Gemüsehändlers, es werde eines Tages kein Stein der festgeschriebenen Gebote auf dem anderen bleiben, ist dennoch nicht ganz unbegründet. Denn Rewbe Woila zeigt auch ein neues weibliches Selbstbewusstsein im Norden Kameruns. Mit kärglichsten Einkünften sind sie bislang auch für die Abgabenpflichten ihrer Männer aufgekommen, nun aber organisieren sich die Frauen, schaffen Sparvereine, um ihre eigene finanzielle Autonomie zu stärken. Mit diesem Schritt ist eine Erschütterung unausweichlich, weil er auf lange Sicht die ökonomischen Fesseln zu lösen vermag. Vorerst aber bleibt der Besitz von Grund und Boden den Frauen noch vorenthalten – ein ernsthaftes Problem, vor allem im Falle eines Ablebens des Ehemanns. Doch daran will der Gemüsehändler noch gar nicht denken. Seiner Frau fehlen unterdessen nur noch zwei monatliche Spareinlagen, damit der einzigen Tochter das kommende Schuljahr ohne das Zutun des Vaters gesichert ist.

Filmhinweis

www.rewbe-woila.info

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