Feminismus und Islam

Spätestens seit Köln schwingen sich Menschen dazu auf, Frauen zu verteidigen, die sich zuvor nie für Frauenrechte interessiert haben, weil es auf einmal um Flüchtlinge geht. Die Angst dahinter ist eine vor dem Islam. Aber ist Islam und Feminismus überhaupt ein Widerspruch? Wir sprachen mit muslimen Feministinnen und beschäftigten uns damit, wie ein feministischer Diskurs von Rechtspopulisten gekapert werden konnte.

Beim gefühlten Widerspruch zwischen Islam und Feminismus gehen die Leute meist davon aus, es gäbe einen Islam und einen Feminismus. Die Aktivistin Dudu Kücükgöl meint, es handle sich um einen falschen Widerspruch. Sie trete als Muslimin genauso für Frauenrechte ein, wie andere Feministinnen auch. Zum großen Teil ginge es sogar um die selben Themen. Sie hat keine spezifischen islamischen Forderungen. Sie könne jedoch viel besser in die Community hineinwirken, da sie dort auch mit islamischen Argumenten für die Selbstbestimmung der Frau argumentieren kann, diese dort Gewicht hätten. Religion und Frauenrechte gehen deshalb gut zusammen, weil sie den Islam feministisch auslegt. Damit möchte sie auch die patriarchalen Strukturen in der Community aufbrechen, die Glasdecke in den Vorständen muslimischen Vereine, Fragen um Plätze in der Moschee, um Sichtbarkeit und Stimmgewicht. 

Doch viele Menschen haben ein sehr einseitiges Bild vom Islam. Umso verwirrender ist dann eine Muslimin, womöglich sogar mit Kopftuch, die sich als Feministin bezeichnet. Die Bloggerin und Künstlerin Asma Aiad ist eine solches Beispiel. Sie meint, dass Intersektionalität das Zauberwort sei, um diese Verhältnisse zu verstehen. Der Begriff hat unsere Verständnis der Dinge verändert. Sich überlappende Ungleichheitsverhältnisse, Mehrfachdiskriminierungen, konnten so viel besser verstanden werden. Dadurch konnten auch neue Solidarisierungsformen gefunden werden. Wenn man nämlich tatsächlich meint, es gäbe Sexismus in der Community, den man thematisieren müsse, wären genau diese Aktivistinnen die erste Adresse, an die wir uns wenden müssten. Sich mit ihnen zu solidarisieren wäre die erste Maßnahme, die wir setzen müssten. Ihnen eine Plattform zu bieten könnte obendrein das Bild des Islam nach außen verändern und dabei helfen, Ressentiments abzubauen. Der Feminismus ist weitaus vielschichtiger, als viele annehmen. Darin muss auch für eine muslime Feministin Platz sein. 

Die Fokussierung auf Minderheiten habe sich in den letzten Jahren noch zugespitzt. Die Emotionalität auch. Die Philosophin Amani Abuzahra erklärt uns, dass die Begriffe Flüchtling und Muslime dabei quasi synonym verwendet werden. Dabei ist allein Syrien schon ein multireligiöses Land und bei Weitem nicht alle Flüchtlinge muslim. Und sie meint auch, dass Muslime grundsätzlich als fremd, ausländisch, als nicht in diesem Land beheimatet betrachtet werden. Um die Assoziationskette zu vervollständigen, ist noch festzustellen, das der Islam mit der Unterdrückung der Frau gleichgesetzt wird. So viele Verschiebungen und Verallgemeinerungen. Sie ist jedoch überzeugt, dass wir nicht in einem Land der Hetzer leben, es eine stille Mehrheit gibt. Das seien Menschen, die solidarisch sind und die nicht zulassen werden, was mit unserer Gesellschaft zu geschehen droht. 


Muss man sich zwischen der Kritik an Rassismus und Sexismus entscheiden? Lea Susemichel, leitende Redakteurin des feministischen Magazins an.schläge, erzählt, dass viele liberalere oder linksgerichtetere feministische Medien sich gegen Anfeindungen wehren mussten, als die Vorfälle um Köln die Runde machten. Rechtsextreme fanden ein geeignetes Argument um pauschal gegen Flüchtlinge und Muslime zu hetzen, jedoch auch ein rechtskonservativ orientierter Teil des Feminismus bezichtigte sie der „Fremdenliebe“. Sie seien mit schuld an dem Terror, da sie jahrelang migrantische Gewalt beschönigt hätten. Tatsächlich sei man mit dem Thema defensiv umgegangen, doch aus gutem Grund. Vereinnahmungsversuche gab es nämlich schon früher. Genau von jener Seite, die ansonsten die Schließung von Frauenhäusern fordert, da sie Familien zerstören würden. Wo es um den Islam geht, sind feministische Argumente plötzlich opportun. Die Feministinnen möchten migrantische Gewalt nicht verharmlosen. Sie hätten nur gerne eine differenzierte Debatte geführt, ohne Pauschalverurteilung, jedoch auch ohne Kulturrelativismus, in der auch auf spezifische Diskriminierungs- oder Gewaltformen in migrantischen Communities eingegangen werden kann. Dazu bedarf es allerdings einer Gesprächsbasis, in der Menschen spezifischer Herkunft oder Religion nicht pauschal abgeurteilt werden, sondern konkrete Probleme wie Gewalt im sozialen Nahbereich thematisiert werden können. 

Es gibt einen Ausweg aus der emotionalen Diskussion hin zu einer sinnvollen und produktiven Debatte. Dafür brauchen wir muslime Feministinnen. Wir müssen ihnen eine Plattform bieten, in der Öffentlichkeit für sich selbst sprechen zu können. Wir müssen uns allerdings auch mit ihnen solidarisieren, sie fördern und unterstützen. Gerade wenn man bezüglich Sexismus ein Problem in migrantischen Communities sieht, wären es nämlich jene Feministinnen, die am verlässlichsten davon berichten und auch am besten in diese Gemeinschaften hineinwirken können. Wir können ihnen dabei helfen. Ob wir das auch tun, drückt aus, wie aufrichtig uns das Problem ein Anliegen ist, ob es uns tatsächlich um die Selbstbestimmung der Frau geht, oder ob wir irgendwo nicht doch auch selbst gewissen Ressentiments anheim fallen. 

 

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