Kulturpolitik

Schon bei der Eröffnung des Festivals in Wolfsegg kam es zu ersten Verwerfungen: Statt die Kunst der Feindschaft zu zelebrieren, hatten die Festival-MacherInnen wie gewohnt den Kulturreferenten Pühringer zur Eröffnung eingeladen (kann mir bitte mal wer erklären, warum in aller Welt ein in Kunstfragen dilettierender Landeshauptmann ein Kunstfestival eröffnen muss?), gegen den 2000 in den Kunstinstitutionen entwickelten breiten Konsens, PolitikerInnen der Regierungsparteien keine Repräsentationsflächen zur Verfügung zu stellen. Ein gefundenes Fressen für die Karawane, die den Landeshauptmann mit überaffirmierenden Parolen wie "Josef, wir lieben dich" oder "Pühringer, du geile Sau" begrüßte.
Einer noch immer viel zu wenig beachteten Frage ging am Montag, 11. August, eine Diskussionsrunde nach, zu der die IG Kultur Österreich ins freie Mediencamp (Screenshot - Webseite ist nicht mehr online) am Wiener Karlsplatz geladen hatte: "Kultur und GATS - Wie soll es weitergehen?
Oberösterreich hätte durchaus Grund, dem scheinbar aufrechten Glauben seiner Landesherren zu misstrauen. Die Historie bietet dafür Anhaltspunkte.
Unverhohlen geriert sich die Kulturpolitik als Gestalterin einer Öffentlichkeit in eigener Sache, die die gepredigte Verbindung von Kunst und Wirtschaft selbst vorexerziert und bezieht die kulturelle Opposition mit ein, die sich in der Illusion wiegen darf, von innen heraus zu verändern oder zumindest den Lauf der Dinge zu stören. Das Budget für Kultur, und hier insbesondere für die "Alltagskultur" oder "Zeitkultur" genannten Bereiche, ist nach wie vor ein potenzieller Streichposten, Forderungen nach Umverteilung gelten als sinnlos bis unschick.
Angesichts der geplanten weltweiten Deregulierung durch das GATS (General Agreement on Trade in Services = weltweites Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) weist die Kulturpolitische Kommission jede Einbeziehung der Kunst in dieses Abkommen kategorisch zurück.
KünstlerInnen, von denen auch PolitikerInnen zu wissen meinen, sie seien mehrheitlich eher eigen als artig, werden mit Hilfe maßgeschneiderter Programme aus dem libertinären freiberuflichen Dasein heraus und an unternehmerische Denk- und Organisationsmodelle herangeführt. Unangenehme Gewohnheiten, wie das permanente Nachfragen nach staatlicher Unterstützung und der fortwährende Verbrauch öffentlicher Gelder, können so in Eigeninitiative, Flexibilität und Leistungsbereitschaft umgeformt werden
Was Österreich entscheidend nur eine teilweise repräsentative Demokratie nach westlichem Vorbild sein ließ, das war nicht das Kammernsystem, wie Robert Menasse immer wieder meint, dazu haben die westlichen Demokratien Entsprechungen aufzuweisen, sondern die Nicht-Unabhängigkeit der Justiz, die man in Österreich keineswegs eine dritte Gewalt nennen kann.
Der Beschluss des Kärntner Landtags, fünf sogenannten Heimatverbänden (Kärntner Heimatdienst, Kärntner Abwehrkämpferbund, Kameradschaftsbund, Landsmannschaft und Ulrichsberggemeinschaft) eine jährliche Basisförderung aus dem Kulturbudget des Landes zu gewähren, ist ein Beleg für die Tendenziosität der Kärntner Kulturpolitik, indem für kulturelle Tätigkeit zweckgebundene Mittel zur Förderung fragwürdiger Tätigkeiten von Organisationen und Vereinigungen mit nationalistischem politischen Hintergrund missbraucht werden.
Komischerweise hat mich an der Wende am meisten das Moralische, das Kulturpolitische, das Erinnerungspolitische gestört, und es stört mich noch immer. Ich sage komischerweise, denn die FPÖ wird im Inland eher als eine neoliberale Partei gesehen. Ich sehe sie vor allem als eine nationalpopulistische und (seit Haiders Coup auf dem Innsbrucker Parteitag von 1986) als eine revisionistische und nazifreundliche Partei.
Eigentlich sollte es ja besser Kunstpolitik heißen, denn darum geht es ja schließlich in erster Linie: um die politische Aufbereitung des Kunstfeldes, um die Schaffung rechtlicher und finanzieller Strukturen für die Kunst. Aber Kunstpolitik hat einen leicht degoutanten Anklang, in dem der Totalitarismusverdacht mitschwingt - verbotene Kunst, Staatskunst, verbrannte Bücher und DissidentInnen können in dem Spannungsfeld von Kunst und Politik geortet werden.
Unser Staatssekretär hat uns alle durch sein vorbildliches Beispiel dazu angehalten, mit Kunst gegen Gewalt anzutreten. Diesem letzten großen Aufruf des obersten Kunstpolitikers der schwarzblauen Periode haben wir uns nun angeschlossen. Bei uns heißt das Thema allerdings etwas indifferent "Kunst und Gewalt", und das hat wohl mit den Bedingungen und Wechselwirkungen von Kunst und Gewalt zu tun, die sich uns offenbar weniger eindeutig erschließen als dem Staatssekretär.
Einerseits kommt bekanntlich "zuerst das Fressen und dann die Moral" - bzw. zuerst der Euro und dann Kultur 2000.