positionen

kunstminister.at fordert:

  • radikale Transparenz, uneingeschränkte Nachvollziehbarkeit und klare Abgrenzung der Aufgabengebiete aller Beteiligten in der Kulturverwaltung
  • die Entkoppelung von politischer Verantwortung, Einzelentscheidungen und Administration
  • den Rückzug der KulturpoliterInnen aus Detailentscheidungen zugunsten von Beiräten
  • eine jährliche Supervision der Kulturpolitik durch internationale ExpertInnen
  • eine möglichst flexibel und schnell auf die Kulturentwicklung reagierende Kulturbehörde
  • die Finanzierung von Kulturprojekten im Sinne einer ordentlichen d.h. kalkulierbaren Geschäftsgebarung
  • verpflichtende mittelfristige Finanzierungsvereinbarungen (mindestens 3jährige) mit kontinuierlich arbeitenden, mittleren und größeren Kulturinitiativen

 

Zeitgemäße Kulturverwaltung beruht auf radikaler Transparenz, uneingeschränkter Nachvollziehbarkeit und völlig klarer Abgrenzung der Aufgabengebiete der Beteiligten.

Radikale Transparenz bedeutet in Anlehnung an das schwedische Modell der Kulturadministration das Recht auf persönliche Einsichtnahme in alle amtlichen Abläufe, Daten und Schriftsätze (ohne Erfordernis des Nachweises einer Beteiligung).

Uneingeschränkte Nachvollziehbarkeit bedeutet Protokollierung von Gremienbeschlüssen, schriftliches Festhalten von Entscheidungen, Interventionen und Weisungen. Positive wie negative Entscheidungen müssen gemäß der Zielkataloge und Förderkriterien plausibel gemacht werden, und zwar weder in subjektiver noch in standardisierter Form.

Das österreichische Förderungswesen ist auf Bundesebene relativ pluralistisch und aufgabenteilig ausgerichtet. KulturpolitikerInnen als Strategieverantwortliche, BeamtInnen als VerwalterInnen und Beiräte als ExpertInnen formen gemeinsam mit einem intermediären Sektor ein Modell, das sich auch für die anderen Gebietskörperschaften zur Nachahmung empfiehlt. Das im folgenden idealtypisch beschriebene Modell der Entkoppelung von politischer Verantwortung, Einzelentscheidungen und Administration soll also besonders auch einen Anstoß zur Reform der Kulturverwaltung auf Landes- und kommunaler Ebene darstellen. Für die Bundesebene gilt umso mehr, das auf dem Papier existierende Ideal in einem ständigen Prozess in die Realität umzusetzen.

Die KulturpolitikerInnen haben die strategischen und langfristigen Pläne und die Kontrolle über deren effiziente Durchsetzung zum Mittelpunkt ihrer Tätigkeit zu machen. Das bedingt den Rückzug aus Detailentscheidungen und gleichzeitig den Überblick über die diversifizierten Szenen im Kulturbereich.

Beiräte haben grundsätzlich, also auch auf Landesebene und der Ebene größerer Städte, nach dem erprobten Prinzip des "Aktiv-Beirats" in der Abteilung für Kulturentwicklung und Kulturinitiativen vorzugehen (s. bes. Bernard, Strukturen autonomer Kulturarbeit Bd. III, Kap. E).

Die Entscheidungen des Beirats beruhen auf Kunst- und Kulturförderungsgesetzen (auch Wien braucht ein solches) und Förderrichtlinien, die über Abläufe und Paragraphen zur Missbrauchsbekämpfung hinaus die Inhalte der Förderung beschreiben und klar abgrenzen.

Beiräte sind zu verpflichten, ihrer Arbeit eine Geschäftsordnung zugrunde zu legen. Dabei ist auf folgende Strukturmerkmale zu achten:

Die Bestellung von Beiratsmitgliedern erfolgt auf der Grundlage einer Entscheidung durch den/die zuständigeN KulturpolitikerIn auf Vorschlag der jeweiligen Interessenvertretung, wobei bei der Besetzung nach dem Prinzip der Ausgewogenheit von Geschlechtern und Regionen vorzugehen ist.

Die Dauer der Tätigkeit einzelner Beiratsmitglieder beträgt drei Jahre.

Die Nachbesetzung der Beiratsmitglieder erfolgt im Rotationsprinzip, in der Form, da§ diese sukzessive und nicht alle auf einmal abgelöst und nachbesetzt werden.

Der Beirat ist zur Führung eines Protokolls durch eines seiner Mitglieder verpflichtet.

Die konkreten Finanzierungs-Empfehlungen des Beirats haben vorentscheidenden Charakter. Eventuelle Abweichungen von Beiratsentscheidungen durch die/den KulturpolitikerIn bedürfen der schriftlichen Begründung.

Neben den konkreten Empfehlungen ist der Beirat für die jährliche Ausarbeitung und Publikation von strategischen Überlegungen für das relevante Feld verantwortlich.

Jährlich hat eine Supervision durch internationale ExpertInnen zu erfolgen. Besonderes Augenmerk ist auf diskursive Formen der Evaluierung der geförderten Institutionen, Initiativen und Projekte zu legen und auf die Selbstevaluierung der Beiräte. Öffentlichkeitsarbeit erfolgt über Pressekonferenzen, öffentliche Tagungen und Hearings und unter Nutzung neuer Kommunikationstechnologien.

Im Falle einer Ablehnung ist eine mündliche Vorsprache des/r Ansuchenden zu ermöglichen.

Bis zur Einführung des schwedischen Modells müssen alle Beiratsergebnisse, also auch die negativen, den Interessenvertretungen bekanntgegeben werden.

KulturbeamtInnen müssen als interessierte und teilnehmende BeobachterInnen die Haltung einer möglichst flexibel und schnell auf die Kulturentwicklung reagierenden Behörde einnehmen. Eine solche Auffassung von Kulturverwaltung schließt dirigistische Vorgangsweisen wie die Beauftragung von Kulturinitiativen durch die Behörde ebenso aus wie die Ausbreitung der Kulturverwaltung als Kulturveranstalterin (vgl.a. AKKU-Studie, S. 137). Die Inhalte und Formen, die von einer pluralistischen Kunst- und Kulturszene von "unten" entwickelt werden, sind als geeigneter Motor der Kulturentwicklung anzusehen und ausreichend zu finanzieren. Bei allenfalls auftretenden Umsetzungsschwierigkeiten von kulturpolitischen Strategien muss unbedingt nach dem Prinzip der Subsidiarität vorgegangen werden, d.h. nur wenn es keine Vorschläge aus dem Dritten Sektor gibt, sind Anreize durch Förderschwerpunkte o.ä. zu schaffen.

Die Finanzierung hat im Sinne einer ordentlichen Geschäftsgebarung zu erfolgen. Voraussetzung für professionelle Kulturarbeit ist die mittelfristige Festlegung und Bekanntgabe der Einreichfristen, angemessen kurze Bearbeitungsfristen, schriftlich klar begründete Benachrichtigungen über die Entscheidung, zügige Auszahlung nach erfolgter Entscheidung. Das bedeutet bei Finanzierung von Jahrestätigkeiten eine Zwölftel-Akkontierung beginnend mit Jahresanfang, bei Finanzierung von Projekten eine Auszahlung gemäß dem Finanzkonzept. Eine verzögerte Auszahlung der Finanzmittel hat für die ProjektträgerInnen Verzugszinsen zur Konsequenz, die von der fördernden Stelle im vollen Umfang zu übernehmen sind. Im Fall von Verzögerung durch Neuwahlen oder Vakanz der verantwortlichen Funktion o.ä. soll die Zwölftel-Akkontierung der Vorjahressumme bis zur endgŸltigen Beschlussfassung gesichert sein.

Auslagerung ist die semantische Schwester der Entpolitisierung, Schlagwörter wie Stiftungen oder Fonds sind nicht das Allheilmittel zur Verbesserung der Verwaltung und ihrer Abläufe. Die Struktur der Administration hat den jeweiligen Entwicklungen im zu fördernden Feld zu folgen, insbesondere Veränderungen in den Räumen zwischen Subfeldern und damit einzelnen Ressorts. Im Zuge dieser Weiterentwicklung der Kulturverwaltung sind die Betroffenen, also die BeamtInnen, und externe ExpertInnen für Organisationsentwicklung einzubeziehen. Parallel dazu ist der Ausbau des intermediären Sektors zu forcieren, eines flexiblen Netzes von Organisationen und Drehpunktpersonen zwischen Staat und dem Feld der Kultur.

Dort, wo noch keine Ansätze für Kulturinitiativen in den Budgets existieren, besonders dort, wo sie aus den "Ermessensausgaben" finanziert werden, ist es nötig, einen eigenen Ansatz für autonome Kulturarbeit einzurichten. Gleichzeitig sollen auch eigene BearbeiterInnenstellen eingerichtet werden, die für die notwendige Expertise im Bereich der autonomen Kulturarbeit Sorge tragen.

Die übliche Praxis, mittleren und größeren Kulturinitiativen trotz jährlich unterschiedlicher Anträge die gleiche Subventionshöhe zuzuweisen, ist ein in dieser Art verzichtbares Ritual, das auf beiden Seiten den Aufwand unnötig erhöht. Im Sinne einer seriösen Planung und gleichzeitig einer Entlastung des Arbeitspensums der Beiräte und des administrativen Aufwands der Verwaltung sollen mit kontinuierlich arbeitenden, mittleren und größeren Kulturinitiativen (im weiteren Sinn, d.h. auch Programmkinos, Mittelbühnen, Kulturserver, Freie Radios, etc.) auf den Ebenen aller Gebietskörperschaften vertraglich verpflichtende mittelfristige Finanzierungsvereinbarungen (mindestens 3jährige) abgeschlossen werden (vgl. a. AKKU-Studie, S. 136, 162).

Diese Vereinbarungen schließen darüber hinausgehende Finanzierungen von Sonderprojekten und Investitionsmaßnahmen nicht aus.