Triumph des Kleinbürgertums

Das Bildungsbürgertum blickt auf uns herab, weil unsere Horizonte angeblich zu eng seien. Die Bohème verabscheut unsere Sekundärtugenden. Die Linke hasst uns, weil wir ihre Revolution nicht ins Werk setzen. Und die politische Kaste dichtet uns Ausländerfeindlichkeit an, um in unserem Namen ihre xenophobe Politik durchzusetzen.

Dass Kleinbürgerinnen und Kleinbürger immer wieder großer Verachtung aus weiten Teilen der Gesellschaft ausgesetzt sind, wurde an dieser Stelle bereits mehrfach erörtert: Das Bildungsbürgertum blickt auf uns herab, weil unsere Horizonte angeblich zu eng seien. Die Bohème verabscheut unsere Sekundärtugenden. Die Linke hasst uns, weil wir ihre Revolution nicht ins Werk setzen. Und die politische Kaste dichtet uns Ausländerfeindlichkeit an, um in unserem Namen ihre xenophobe Politik durchzusetzen.

Wir Kleingärtnerinnen und Kleingärtner sind für diese Leute der Inbegriff der  verachtungswürdigen Kleinbürgerlichkeit. Der Sud aller Borniertheit, das eingedampfte Spießbürgertum. Oder warum glauben Sie, dass uns der Schreiber dieser Zeilen in jeder Ausgabe der Kulturrisse in die Auslage stellt? Doch nur, weil es sich auf unseren Rücken gut Witze reißen lässt. Hier wird seit Jahr und Tag das Kleinbürgertum als Fremdes konstruiert, damit sich die links-liberale LeserInnenschaft in Abgrenzung zu uns ihre Selbstversicherung holen kann. Oder, wie es schon Wilhelm Busch in „Die Fromme Helene“ formulierte: „Ei, ja! – Da bin ich wirklich froh! Denn, Gott sei Dank! Ich bin nicht so!!“

Aber jetzt feiern wir Kleinbürgerlichen unseren Triumph! Wenn auch, wie es unsere Art ist, in aller Stille und Unauffälligkeit. Langsam sickert es nämlich auch in die verstocktesten Gehirne, dass die Ressourcen auf diesem Globus beschränkte sind. Und plötzlich werden Tugenden, die das Kleinbürgertum seit jeher auszeichnen, zu modernen und wegweisenden Verhaltensweisen. Jahrzehnte wurden wir verlacht für unsere Sparsamkeit, dafür, dass wir alte Stoffe aufheben, um damit Bettzeug und Tischtücher zu flicken. Jahrhunderte hat man die Nasen gerümpft angesichts unserer Schonkultur. All die Deckchen und Schonbezüge auf unseren Tischen und Polstermöbel wurden als Ausdruck frühkindlicher Störungen bewertet. Aber nun hat sich das Blatt gewendet! Was vor Kurzem noch als Symptom von Gier und zwanghafter Sparsamkeit gesehen wurde, heißt neuerdings Nachhaltigkeit, ressourcenschonende Wirtschaftsweise oder Reparaturgesellschaft. Alles, was uns Kleinbürgerinnen und Kleinbürgern seit Generationen selbstverständlich ist, wird nun von jenen, die uns seit jeher für diese Verhaltensweisen verachten, als Neuerung und zündende Idee verkauft. Und anstatt sich tief vor uns zu verbeugen, anstatt unseren weiten Horizont und unsere weitsichtige Praxis zu loben, anstatt den revolutionären Kern unseres Tuns zu betonen, verlieren die Vertreterinnen und Vertreter dieser „neuen“ Haltung kein Wort darüber, dass es hier eine bereite Bevölkerungsschicht gibt, die seit Langem tut, was hier immer lauter gefordert wird.

Aber ich will mich hier auch gar nicht beklagen oder gar mich und die meinen in den Vordergrund drängen. Ich will einfach Sie, die Sie diese Kolumne Ausgabe für Ausgabe so brav lesen, wissen lassen, was wirklich Sache ist.

 

Ähnliche Artikel

Unter dem Titel "KULTUR=MOBIL" organisierten die IG Kultur Vorarlberg, das Theater am Saumarkt Feldkirch, die Kulturbühne AMBACH Götzis und das Kulturbüro Bregenzerwald Ende Februar eine Dialogveranstaltung zum Thema nachhaltige Mobilität bei Kultureinrichtungen. Der Einladung nach Alberschwende im Bregenzerwald folgten rund 20 Persönlichkeiten aus den Bereichen Kultur und Kulturvermittlung, Musik, Architektur, Mobilität, Tourismus, Software- und Regionalentwicklung. Das Ziel des Dialogs war, vielfältige Expertisen und Erfahrungen zum Thema einzuholen, um relevante weitere Schritte in Richtung CO2-Reduktion im Kultursektor zu setzen.
Sustainability at the Centre training © Taisiia Zhebryk, Orodek Kultury Ochoty.jpg Welche Auswirkungen haben Kulturveranstaltungen auf die Umwelt? Wie können soziokulturelle Einrichtungen zu mehr Umweltschutz und zur Eindämmung des Klimawandels beitragen? In unserem internationalen Trainingsprogramm gehen wir auf diese Fragen ein und vermitteln euch Instrumente und Finanzierungsprogramme, um Maßnahmen der Betriebsökologie in eurer Kultureinrichtung umzusetzen. Das Programm möchte euch zu "Botschafter*innen der Nachhaltigkeit" weiterbilden. Bewerbungen zur Teilnahme sind bis 22. April möglich.
Eine Getreidemühle, ein Schwimmbad, ein Krankenhaus, eine Fabrik – was haben sie gemeinsam? Sie sind fantastische Orte für Kunst und Kultur! Ein Veranstaltungsort, der als solcher gebaut wurde, ist viel weniger interessant als eine Umnutzung, die Kreativität räumlich verkörpert und auf eine Geschichte verweist, zu der die lokale Bevölkerung bereits eine emotionale Beziehung hat. Eine Reportage zu Kulturarbeit im Leerstand.