Circus KAOS

Tiere treten hier keine auf, sonst zeigt Circus KAOS alle gängigen Zirkustechniken des zeitgenössischen Zirkus. Nur, dass die ArtistInnen unter das Jugendschutzgesetz fallen. Circus KAOS ist, wo sich 350 junge Menschen an fünf verschiedenen Orten Wiens treffen, um Zirkus zu machen, wie sie es wollen. Da das Medium Zirkus oftmals Grenzen auflöst, verschwimmen auch hier konventionelle Zuordnungen wie die Einteilung in DarstellerInnen und Publikum, die Trennung von Kindern und Erwachsenen, oder zwischen Frau und Mann.

Gelebte Zirkuspädagogik seit 26 Jahren 

Tiere treten hier keine auf, sonst zeigt Circus KAOS alle gängigen Zirkustechniken des zeitgenössischen Zirkus. Nur, dass die ArtistInnen unter das Jugendschutzgesetz fallen. Circus KAOS ist, wo sich 350 junge Menschen an fünf verschiedenen Orten Wiens treffen, um Zirkus zu machen, wie sie es wollen. Da das Medium Zirkus oftmals Grenzen auflöst, verschwimmen auch hier konventionelle Zuordnungen wie die Einteilung in DarstellerInnen und Publikum, die Trennung von Kindern und Erwachsenen, oder zwischen Frau und Mann. Das bedeutet, dass die Zirkuskünste den jungen KünstlerInnen als außergewöhnliches Transportmittel für Geschichten in unterschiedlichen Settings dienen. Von Zirkuswanderungen auf der Donauinsel bis Zirkuspicknicks in der Au oder Zirkusausstellungen - zeigt Circus KAOS manchmal auch ganz herkömmlich ein Theaterstück mit zirzensischen Elementen.

Artistinnen im Reifen über Wasser, Zirkus KAOS

 

Circus KAOS wurde 1991 in Wien gegründet und ist der erste als auch größte Kinder- und Jugendzirkus Österreichs.

Die jungen ZirkuskünstlerInnen sind zwischen acht und 19 Jahren alt und kommen aus verschiedenen kulturellen und sozialen Bereichen. Gemeinschaft, Solidarität und individuelle Entwicklung sind die Basis im Circus KAOS – jede/r ist wichtig und trägt ihren/seinen Teil zum Gesamtkunstwerk bei. Dies repräsentiert das Wort „KAOS" sehr gut, das im Griechischen die Bedeutung „Vielfalt" und „Unendlichkeit der Möglichkeiten" hat. Das Wort „KAOS“ zu gebrauchen, ist daher ein bewusstes Abheben von dem im umgangssprachlichen Gebrauch sehr negativ besetzten Wort. Anders als der Begriff „Chaos“ in der Umgangssprache, charakterisiert „KAOS“ hier nicht den Zustand eines Systems, wie beispielsweise seine Unordnung, sondern seine Dynamik. Wie der Flügelschlag eines Schmetterlings auf der anderen Erdseite Wellenbewegungen auszulösen vermag, können sozusagen kleine Bewegungen im Zirkus eine große Wirkung erzeugen. Der Name „Circus KAOS“ verzichtet auch bewusst auf die Zuordnung zu „Kinderzirkus“, weil dadurch nicht die Handlungen der Kinder verniedlicht bzw. verkleinert, sondern als gleichwertig angesehen werden und von den eigenständigen Kompetenzen der jungen Menschen ausgegangen wird. In der Namensgebung „Circus KAOS“ ist somit das pädagogische Programm erkennbar: Die ganzheitliche Vielfalt, die erst in der gemeinsamen Handlung ihre Ordnung findet. Der Name soll Ausdruck einer Gemeinschaft sein, die mit keinem anderen Menschen in Konkurrenz treten will. Es ist ein Eigenname, der den Grundgedanken des gemeinsamen Handelns beinhaltet, bei dem Kinder, Jugendliche sowie Erwachsene gleichwertig neben- und miteinander leben und lernen. Circus KAOS erschafft mittels Zirkus einen Ort, in welchem Kinder und Jugendliche Ziele für sich definieren können und BetreuerInnen sie dabei unterstützen.

Circus KAOS wurde 1991 in Wien gegründet und ist der erste als auch größte Kinder- und Jugendzirkus Österreichs. Außerdem ist Circus KAOS der einzige Jugendzirkus europaweit, der seine eigenen Geräte plant und entwickelt.

 

Zirkus ist ein Medium, das Begegnung, interkulturellen Austausch und Gemeinschaft ermöglicht. Die Arbeit im Zirkus ist eine schöpferische, welche die Gesamtpersönlichkeit jedes Menschen fördert und gleichzeitig das Zusammenwirken aller Beteiligten erfordert. Individuelles Können und Gruppensolidarität verbinden sich somit zur Basis für eine gelungene Zusammenarbeit, bei der jedeR die Möglichkeit hat, ihre und seine Kunst zu zeigen. Circus KAOS praktiziert diese Prinzipien nun schon seit mehr als 26 Jahren. Er betreut wienweit über 550 Personen in Bewegungsangeboten ab sechs Monaten bis 70 Jahren. Die TeilnehmerInnen kommen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsbereichen und -gruppen (Privathaushalte, MA11, Caritas, SOS Kinderdorf, Pflegefamilien u.v.m.). Weiters gibt es u.a. ein jährliches Zirkusprojekt in Rumänien, bei dem Circus KAOS mit Roma- und rumänischen Kindern zusammenarbeitet, sowie regelmäßige Austauschprojekte mit anderen europäischen Jugendzirkussen.

 

Die Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit junger Menschen zu ermöglichen ist ein Grundprinzip des Circus KAOS.

 

Jugendzirkus am Hochrad

 


 

Die Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit junger Menschen zu ermöglichen ist ein Grundprinzip des Circus KAOS. In welches Projekt Circus KAOS auch immer involviert ist; Autonomie, Beteiligung, Achtsamkeit und Selbstverantwortung sind das Netzwerk in der Beziehungsarbeit mit den Menschen. Deswegen veranstaltete er zu seinen Jubiläumsproduktionen immer ein gemeinschaftliches Wohnprojekt (Zirkusdorf 2001 & 2006 sowie Hallenbesetzung 2011), in dem die jungen ArtistInnen zusammen lebten. Sie wohnten für vier bis fünf Wochen in der damaligen Zirkushalle oder in Wohnwägen rund um ein riesiges Zelt und besuchten von dort aus die Schule. Nachmittags kamen sie zurück, um zu proben, Hausaufgaben zu machen und im täglichen Plenum ihre Anliegen zu besprechen. Sie übernahmen für diese Zeit Funktionen und Verantwortungen innerhalb der Gruppe, d.h. diese Orte waren für diese Wochen ihr Zuhause.

 

Der soziale Austausch ist allerdings nicht der einzige Anspruch des Circus KAOS, sondern auch die künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten der jungen Menschen. Deswegen gibt es jedes Jahr eine professionelle Zirkustheaterproduktion und öffentliche Auftritte. Es wird bewusst der Weg gewählt, das Interesse der Kinder nicht über Animation und Konsumation zu wecken, sondern sie durch professionelles Können zu Eigenverantwortlichkeit und Qualitätsbewusstsein im sozialen Zusammenhang zu einer künstlerischen Leistung zu führen. All das erfolgt immer unter dem Anspruch der Selbstbestimmtheit der DarstellerInnen, die durch ihre bewusste Gegenwärtigkeit den Ablauf der Präsentationen bestimmen.

„Der Circus bedeutet mir sehr viel, weil man neue Freundschaften finden kann. Man kann auch viel dazulernen und alle sprudeln so von Kreativität. Und wenn man was falsch macht, zählt es nicht als „falsch“, weil man aus Fehlern lernt. Man lernt neue Welten kennen und man wird immer wieder überrascht. Neue Bewegungen, neue Schritte, neue Leute, neue Musik, neue Turngeräte, neue Aufwärmübungen, neuer Turnsaal, neue Stimmen, neue Ideen, neue Frisuren, neue Einfälle und neue Neuigkeiten, das alles bekommt man und erfährt man im Circus. Es gibt keinen Circustag, an dem man nicht lacht und keinen Spaß hat. Man könnte einen zehnstündigen Film über den Circus drehen. So viel erfährt und sieht man. Es ist wie eine zweite Welt und ich bin in dieser Welt. Es ist das größte Glück, das einem passieren kann. Wenn es keinen Circus mehr gäbe, würde die ganze Welt zerfallen. Ich habe, glaube ich, nur gute Erinnerungen über den Circus. Schlechte kann ich mir nicht vorstellen.“  (Judith Arcangel, 12 Jahre - verfasst am 5.4.2014)

 

Und weil das eine ins andere führt, sprich die Arbeit mit den jungen Menschen auch eine nachhaltige, strukturelle Entwicklung mit sich bringt, folgt hier eine kurze Auflistung der seit der Gründung des Circus KAOS erfolgten Projekte und Initiativen:

Um auch Erwachsenen die Möglichkeit wie den Kindern zu geben, sich über das Medium Zirkus auszudrücken, wurde 2001 die Zirkusakademie Wien gegründet. Sie ist eine frei finanzierte Zirkusschule für Erwachsene, die seit über 16 Jahren Ausbildungslehrgänge in Zirkuspädagogik und Zirkuskünsten anbietet. Bisher haben über 500 Personen dieses Angebot in Anspruch genommen.

Von 2003 bis 2013 organisierte Circus KAOS den Betrieb der KAOS Zirkushalle, die ein Ort für professionelle, zeitgenössische ZirkusartistInnen diverser kultureller Organisationen (Sirene Operntheater, Dschungel Wien etc.), sowie junger zirkusbegeisterter Menschen war. Leider musste dieser Ort im Jänner 2014 geräumt werden. Aus diesen jahrelangen Erfahrungen wurde ein umfassendes Konzept eines „ZirkusZentrums“ erstellt (Studie dazu bei Circus KAOS), welches nur unter der Beteiligung der öffentlichen Hand realisiert werden kann.

Mehrere Artistinnen auf Trapezen

Im Mai 2012 wurde der Österreichische Bundesverband für Zirkuspädagogik (ÖBVZ) auf Initiative von Ruth und Tilmann Schleicher von folgenden Organisationen gegründet: Circus KAOS (W), Circus Kids (ST), Circus Quer (NÖ), Daniel Morelli (NÖ), FENFIRE/Sebastian Berger (W), Georg Daxner (S), Verein MoVe (NÖ), Zirkus Federleicht (W), Zirkus in der VS Anthering (S), Zirkus macht Schule (W), Zirkuswerkstatt (W) und Zirkusakademie Wien (W). Der ÖBVZ ist sowohl die Interessensvertretung aller im zirkuspädagogischen Bereich tätigen Organisationen und Personen, als auch eine Plattform zur Vernetzung dieser Initiativen, die die Möglichkeit des gegenseitigen Austausches bietet.

 

All diese Entwicklungen weisen auf das große Bedürfnis der Menschen nach selbstbestimmtem Ausdruck hin, welcher durch das Medium „Zirkus“ möglich gemacht werden kann.

 

„Im Zirkus waren immer Kinder und Erwachsene in jedem Alter, mit jedem Stil, verschiedenen Interessen. Dadurch, dass alle so sie selber und so verschieden waren, war das alles nicht mehr so wichtig. Wichtig war, was wir gemeinsam im Zirkus gemacht haben. Ob beim Training oder beim Auftritt oder im Zirkusdorf oder der Schreibwerkstatt, hier konnte ich sein, was ich wollte und wie ich wollte und die anderen konnten das auch. Hier konnten wir unsere Ideen sagen, verrückt sein, unsere körperlichen Möglichkeiten kennenlernen, schauspielerische Talente entdecken, ausprobieren, mutig sein, uns ausdrücken (im Spiel, im Tanz, beim Auftritt, in der Gruppe) und herausfinden, wer wir gerne sein wollen.“ (Ella Wagner, 22 Jahre - verfasst am 5.4.2014)

 

 

Autorin:

Ruth Schleicher ist gemeinsam mit ihrem Vater künstlerische Leiterin des Circus KAOS, Fortbildungsleiterin der Zirkusakademie Wien sowie Vorsitzende des ÖBVZ (Österreichischer Bundesverband für Zirkuspädagogik)

Fotos: © Circus KAOS

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