Regendering Media

Die Konstruktion von Gender in den Medien bleibt angesichts sich hartnäckig haltender Rollenvorstellungen, aufs Neue entbrannter Diskussionen im Spannungsfeld von Frauen und Migration sowie bleibender Gehaltsschere weiterhin als Thema aktuell. Eine kritische Überprüfung der österreichischen Medien in diesem Zusammenhang legt die Vermutung nahe, dass die Mehrheit der Medien nur begrenzt in der Lage ist, zeitgemäße Gender-Identitäten zu unterstützen.

Die Konstruktion von Gender in den Medien bleibt angesichts sich hartnäckig haltender Rollenvorstellungen, aufs Neue entbrannter Diskussionen im Spannungsfeld von Frauen und Migration sowie bleibender Gehaltsschere weiterhin als Thema aktuell. Eine kritische Überprüfung der österreichischen Medien in diesem Zusammenhang legt die Vermutung nahe, dass die Mehrheit der Medien nur begrenzt in der Lage ist, zeitgemäße Gender-Identitäten zu unterstützen. Die Repräsentation von Geschlecht in den Medien hat sich im Laufe der Zeit gewandelt, aber die Tendenz zur Potenzierung der Geschlechterdifferenz und zur Verstärkung dominanter gesellschaftlicher Strukturen ist dieselbe geblieben. Als aktuelles Beispiel betrachte man die Art und Weise, wie über eine Umfrage des Familienministeriums unter Jugendlichen vor Kurzem in den Medien berichtet wurde: „Jede zweite junge Frau wäre gerne Hausfrau, wenn der Mann genug verdient“, war da unter anderem auf derstandard.at (25.5.2011) zu lesen. Angeblich waren Österreichs Jugendliche schon immer konservativer als angenommen. Interessant: Unter den ach so konservativen Jugendlichen können sich immerhin 34 % der Burschen vorstellen, „einmal Hausmann zu sein, wenn die Frau genug verdient“. Ist das wirklich so konservativ angesichts der Tatsache, dass seit Jahren der Prozentsatz der Männer, die tatsächlich in Karenz gehen, über die 5%-Marke nicht hinauskommt? 34% der jungen Männer können sich vorstellen, Kinderbetreuungspflichten zu übernehmen, obwohl es nach wie vor kaum Role Models gibt? Sollte die Schlagzeile nicht eher lauten: „Mehr junge Männer wollen sich in Familienleben engagieren“ oder „Neuer Trend im Rollenverständnis bei Österreichs Jugendlichen“? Dies ist nur ein Beispiel von geschlechtsspezifischer medialer Verzerrung und Reproduktion von Klischees, noch dazu unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit, die auch von sogenannten seriösen Medien ständig praktiziert wird. Die Frage nach der Medialität von Geschlecht und wie damit umgegangen werden kann, stellt sich somit täglich neu.

Politik mit den Mitteln der Kunst?

Auf theoretischer Ebene wurde in diesem Zusammenhang bereits vieles erarbeitet und diskutiert. Die Vielfalt dieser Diskurse bleibt jedoch großen Teilen unserer Gesellschaft verschlossen. Kann man etwas dagegen machen? Gibt es Strategien, mittels derer ein größeres Publikum erreicht und involviert werden kann, und wie könnten sie aussehen? Kann Kunst in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen? Das Kunstprojekt Regendering Media versucht, eine Antwort auf diese Fragen zu geben. Die Methode, die benutzt wird, schließt an die Tradition der Appropriation Art an. Zweck der Appropriation Art war, die Prozesse anstatt der Repräsentationen selbst in Szene zu setzen, um die Mechanismen der Konstruktion von Social Codes transparent werden zu lassen. Im engeren Sinn spricht man von Appropriation Art, wenn sich KünstlerInnen strategisch die Werke anderer aneignen, wobei der Akt des Kopierens und das Resultat selbst als Kunst rezipiert werden.

Ein bekanntes Beispiel ist die Aktion jener KünstlerInnen, die in den 1990er Jahren die Webseite der Lufthansa „hackten“ und begleitend eine Plakatserie produzierten. Alle auf die Webseite der Lufthansa Zugreifenden wurden auf eine gefälschte Seite umgeleitet, auf der der Transport abgeschobener Flüchtlinge thematisiert wurde. Begleitet wurde die Aktion von einer Plakatserie (Deportation Class), die sich mit der Selbstdarstellung der Airline auseinandersetzte und diese mit dem Thema der Abschiebungen verknüpfte. Diese Aneignung von Kommunikationskanälen wird auch als Kommunikationsguerilla bezeichnet. Bei diesen Projekten handelte es sich um Aktionen, die außerhalb des Kunstbetriebes stattfanden. Man kann sie als eine Alternative zu Projekten sehen, die sich als politische Kunst verstehen wollen, aber ein breiteres bzw. nicht-eingeweihtes Publikum kaum erreichen können, da sie immer noch innerhalb der Institution „Kunst“ agieren. Das Durcheinanderbringen von Bildern und Zeichen durch den Einsatz künstlerischer Strategien wird besonders dort wirksam, wo es den integrierenden Rahmen des Kunstbetriebs verlässt, da die politisch-kritischsten Aktionen der etablierten Kunstszene als Modus Operandi der künstlerischen Avantgarde längst legitimiert und damit entschärft sind.

Außerhalb der geschützten Räume der Kunst

Regendering Media verlässt bewusst die geschützten Räume, damit die politische Botschaft ihre Wirkung entfalten kann, und erstreckt sich über vier Achsen. In einer öffentlichen Podiumsdiskussion mit Kunst- und Kulturschaffenden wird zunächst die Konstruktion von Geschlecht in den Medien einer Analyse unterzogen. Eine Plakataktion an einem öffentlichen, stark frequentierten Ort soll die Vorbeigehenden überraschen und förmlich auf Schritt und Tritt (beim alltäglich gegenderten Blick entlang der üblichen Klischees) „ertappen“. Der öffentliche Raum als Schauraum garantiert hierbei ein größtmögliches, weitgehend ungefiltertes Publikum und eine Interaktion, die in einer Galerie so nicht erreicht werden könnte. Darüber hinaus soll eine Zeitung produziert werden, die sich mit Geschlechterkonstruktion in Wort und Bild kritisch auseinandersetzt und die Mediensprachen gewissermaßen von innen heraus analysiert. Und um dem interaktiven Anspruch treu zu bleiben, soll letztendlich eine Webseite zur Zeitung die Möglichkeit eines Austausches aller Beteiligten – RezipientInnen sowie ProduzentInnen – ermöglichen.

Last but not least: Regendering Media versteht sich als Gegenstrategie gegen der Sensationsjournalismus, der den ernsthaften Journalismus verdrängt. Die Boulevardisierung erfasst jedoch nicht nur die kommerzielle, sondern auch die öffentlich-rechtliche Presse, die mit dem „Boulevard“ im Wettbewerb um Leserquoten steht. Den Status der ausschließlichen KonsumentInnen zu verlassen und wieder jenen von mündigen BürgerInnen zu erlangen, ist die Vision, die das Projekt vorantreibt.

Anmerkung
Mehr Informationen zum Projekt unter:
www.sohoinottakring.at/blog

Hansel Sato ist Bildender Künstler.
Andrea Klement ist Philologin und Genderforscherin.

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