Organisieren von Freiheit. Nomadische Praktiken im Kulturfeld

Der Sozialwissenschaftler Mario Vötsch untersuchte im Rahmen eines mehrjährigen FWF-Projekts am Institut für Organisation und Lernen der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck die „Plattform Mobile Kulturinitiativen“ (p.m.k.) ebendort. Sein Augenmerk liegt dabei auf der Frage, wie in losen Projekt- und Netzwerkstrukturen Freiheitsgrade gewonnen bzw. erweitert werden können.

Der Sozialwissenschaftler Mario Vötsch untersuchte im Rahmen eines mehrjährigen FWF-Projekts am Institut für Organisation und Lernen der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck die „Plattform Mobile Kulturinitiativen“ (p.m.k.) ebendort. Sein Augenmerk liegt dabei auf der Frage, wie in losen Projekt- und Netzwerkstrukturen Freiheitsgrade gewonnen bzw. erweitert werden können. Den Freiheitsbegriff fasst er dabei als geübte Praxis auf, die er in Anlehnung an Deleuze/Guattari als nomadische Praktiken fasst, die Räume durchqueren, mitunter temporär besetzen, aber nicht besitzen.

Die Studie basiert auf einer empirischen Untersuchung der Akteur_innen der p.m.k., auf Interviews, Dokumentenanalyse, teilnehmender Beobachtung und anderen sozialwissenschaftlichen Methoden, die der Autor mit großer Reflektiertheit eingesetzt hat. Die Methodenvielfalt, die dabei eingesetzt wurde, sowie die Zeit und der nötige Reflexionsaufwand spiegeln eine Sorgfalt wider, die in vielen Studien über den Kulturbereich der letzten Jahre bedauerlicherweise gefehlt hat. Besonders wohltuend ist dabei auch die Problematisierung des eigenen Standorts als Forscher in diesem Setting.

Aus diesem Material kristallisieren sich Dimensionen heraus, die in der Folge eingehend dargestellt werden: Biographisches/Lebenswelt der Akteur_innen, Arbeit, Netzwerke/Beziehungen, Organisation/Machtstrukturen der p.m.k. selbst sowie die Sphäre der Öffentlichkeit und Politik. Entlang dieser Dimensionen spannt Vötsch die Darstellung der Produktionsweisen auf und zeichnet so ein komplexes Bild darüber, wie Handlungsspielräume in und durch freie Kulturarbeit erarbeitet werden können. Dass der Autor dabei nicht in eine naive Begeisterung über Autonomie und Freiheit verfällt, sondern einen theoriegeleiteten Blick auf dieses Phänomen bewahrt, gehört zu den wohltuenden Aspekten der Studie. Bei der Darstellung der empirischen Befunde wird dem Konzept der Praxis viel Raum gegeben, was angesichts der Komplexität dieser Frage bei der Ausübung politisch motivierter Kulturarbeit ein zentrales Thema ist. Vötsch spannt den Bogen hier bis zur Frage der „Professionalisierung“, wobei er frei von disziplinären Berührungsängsten agiert.

Eben jene interdisziplinäre Herangehensweise ist an dieser Untersuchung erwähnenswert, die die betriebswirtschaftliche Organisationstheorie mit philosophischen Ansätzen und einer fundierten soziologischen Methodik verbindet. Ein kleiner Wermutstropfen ist leider das Fehlen einer ausführlichen Conclusio, die noch einmal die vielfältigen Stränge zusammenführen und auch eine abschließende Reflexion des Autors beinhalten hätte können; hier entsteht der Eindruck, als wäre Vötsch selbst am Ende dieses durchaus beachtlichen Großprojekts der Ermüdung erlegen. Als Basis für weiterführende Studien zum freien Kulturbereich wird der Band künftig jedoch unumgänglich sein.

Mario Vötsch: Organisieren von Freiheit. Nomadische Praktiken im Kulturfeld. Wiesbaden: VS Verlag 2010

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