MigrantInnen im Spannungsfeld zwischen Machtgefälle und institutionellen Machenschaften

In Graz hat man es vorgezogen, eine langjährige Mitarbeiterin gehen zu lassen, als sie in der Führungsetage zu „dulden“. In diesem Fall war die Religion daran Schuld, dass die Mitarbeiterin keine Führungsposition übernehmen durfte. Die logische Frage ist, warum dies kein Thema während ihrer langjährigen Arbeit in der Institution war? Warum wurde die Religionszugehörigkeit, die dem Vorstand schon lange bekannt war, der Mitarbeiterin auf einmal zum Verhängnis?

Sehr oft bekommen wir (Immigrantinnen bzw. Selbstorganisationen) von etablierten Organisationen/Institutionen zu hören, dass sie ein multikulturelles Team seien. Persönlich denke ich, dass auch die Zeiten des Multi-Kulti-Teams in dieser Form ausgedient haben. Heute reicht es für mich nicht mehr aus, MigrantInnen im Team zu haben und zu behaupten, eine multikulturelle Einrichtung zu sein, wenn jene MigrantInnen nur die „Putzarbeit“ erledigen. Fleißig und anspruchslos, sind sie offenbar gut genug. Solange sie als Alibi dienen und keine Fragen stellen, dürfen sie bleiben und Farbe ins Team bringen. Aktuelle Beispiele zeigen jedoch, dass es auch in jenen Institutionen, wo Menschlichkeit gepredigt wird, wo Nächstenliebe und Gerechtigkeit zu erwarten sind – im jüngsten Fall handelte es sich zudem um ein Haus, in dem MigranInnen die Hauptzielgruppe sind –, klare Grenzen für qualifizierte und ambitionierte sichtbare Migrantinnen gibt. Entschieden wird nicht nur nach Kompetenzen, sondern vor allem nach Zugehörigkeit.

In Graz hat man es vorgezogen, eine langjährige Mitarbeiterin gehen zu lassen, als sie in der Führungsetage zu „dulden“. In diesem Fall war die Religion daran Schuld, dass die Mitarbeiterin keine Führungsposition übernehmen durfte. Die logische Frage ist, warum dies kein Thema während ihrer langjährigen Arbeit in der Institution war? Warum wurde die Religionszugehörigkeit, die dem Vorstand schon lange bekannt war, der Mitarbeiterin auf einmal zum Verhängnis? Warum lässt man eine gute, kompetente und langjährige Mitarbeiterin gehen – einfach weil sie einer bestimmten Religion angehört oder eben nicht? Ist so eine Vorgangsweise plausibel, oder verbergen sich da noch andere, unausgesprochene Gründe? Etwa jener, dass sie eine Migrantin, eine Frau und eine Schwarze Frau ist? Somit sind wir beim Thema: Selbstorganisation, in diesem Fall von Immigrantinnen, ist eine absolute Notwendigkeit um u.a. paternalistischem Handeln entgegen zu wirken, aber auch als politische Plattform zum Selbstempowerment, u.a. gegen Machenschaften von „etablierten“ und von Männern dominierten Institutionen.

Was ist mit Gleichberechtigung? Was ist mit der viel propagierten Diversität? Wer traf so eine Entscheidung? Der Vorstand? Der Bischof? Welche Sünde hat sie begangen? Na ja, sie ist ja selber schuld, schließlich hatte sie offenbar nicht nur das falsche Religionsbekenntnis, sondern wollte auch zu viel? Es ist ja ihre Schuld, dass sie als „Ausländerin“ – und eine schwarze noch dazu – in die Führungsetage wollte. Was wäre passiert, wäre sie eine Mehrheitsangehörige? Schließlich war ihre Vorgängerin eine Frau so wie sie, nur mit dem Unterschied, dass sie nicht nur über das „richtige Religionsbekenntnis“ verfügte, sondern auch eine „Inländerin“ war. Also lag das Problem nicht am Frauensein von Fr. Y, sondern eindeutig an ihrer Herkunft, Religionszugehörigkeit und womöglich auch an ihrem Aussehen. „Ausländerin“, „Frau“, „Muslimin“ und „schwarz“, so eine Kombination ist offensichtlich kein Fall für die Führungsetage, nicht einmal im europäischen Jahr der Chancengleichheit für Alle! Vielleicht aber doch für die Gleichbehandlungsanwaltschaft?

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