Ausnahmen bestätigen die Regel. Ein Bericht

Die allerersten Pressestimmen unmittelbar nach der Eröffnung in Novi Sad waren erstaunlich positiv gewesen – ein Boulevard-Blatt listete die Ausstellung sogar in ihrem täglichen „Top Ranking“ auf. Danach wurde die Berichterstattung immer negativer, die Angriffe richteten sich zunächst gegen den beteiligten Politiker (Kostreš) und den Ausstellungsort (Museum zeitgenössischer Kunst Vojvodina) und später, als die Ausstellung in Belgrad eröffnet werden sollte, gegen die OrganisatorInnen (KuratorInnen und beteiligte NGOs).

Die Ausstellung Exception – Contemporary Art Scene from Prishtina präsentierte Arbeiten junger albanischer KünstlerInnen aus dem Kosovo. Sie wurde am 22. Jänner 2008 im Museum zeitgenössischer Kunst Vojvodina in Novi Sad eröffnet und war bis 5. Feber zu sehen. Ihre Eröffnung am 7. Feber in der Belgrader Kontekst Galerie wurde gewaltsam verhindert. Am 3. Feber, zwischen der Eröffnung in Novi Sad und der geplanten Eröffnung in Belgrad, fand die zweite Runde der serbischen Präsidentschaftswahlen statt. Der „moderate“ und „pro-westliche“ Kandidat Boris Tadić von der Demokratischen Partei (DS) setzte sich mit einem knappen Vorsprung von 2 % gegen den Ultranationalisten Tomislav Nikolić von der Serbischen Radikalen Partei (SRS) durch. Die Stimmung in Serbien war dieser Tage aufgrund der für den 17. Feber angekündigten Unabhängigkeitserklärung des Kosovo angespannt.

In Novi Sad wurde die Ausstellung von Bojan Kostreš (LSV – Sozialdemokratische Liga der Vojvodina), dem Parlamentspräsident der autonomen Provinz Vojvodina, eröffnet. In seiner Rede betonte er, dass kosovarische KünstlerInnen in Novi Sad willkommen seien, ungeachtet dessen, ob der Kosovo nun unabhängig oder ein Teil Serbiens sei. Seiner Aussage folgten heftige Attacken von VertreterInnen der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) und der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), jenen reaktionären Parteien, die nicht direkt in die Entscheidungsrunde der Präsidentschaftswahlen eingebunden waren. Die Angriffe bewegten den unter Druck geratenen Kostreš letztlich dazu, auf die nationalistische Norm umzuschwenken, indem er behauptete, der Umstand, dass die kosovarischen KünstlerInnen nach Novi Sad gekommen waren, zeige, „dass sie sich als BürgerInnen der Republik Serbien fühlen“. Darüber hinaus wurde die Ausstellung von der Serbischen Radikalen Partei (SRS) in einem Wahlwerbespot als Aufhänger missbraucht, die Ausstellung glorifiziere die Gräuel albanischer TerroristInnen im Kosovo, hieß es. Und auch Nikolić bezog sich auf die Ausstellung, als er seinen Kontrahenten Tadić in einer TV-Konfrontation der Präsidentschaftskandidaten im staatlichen serbischen Fernsehen attackierte. Am 7. Feber, vier Tage nach der Wahl, wurde die Eröffnung der Ausstellung in Belgrad gewaltsam verhindert. Einen Tag später gaben sowohl der Belgrader Stadtrat als auch das serbische Kulturministerium Presseerklärungen heraus, in denen sie die Vorfälle verurteilten und darüber hinaus verlautbarten, dass „Belgrad immer eine offene Stadt war und das auch bleiben wird“ sowie generell an „die grundsätzlichen Prinzipien der Toleranz“ appellierten und „die Achtung der kulturellen Vielfalt, der Redefreiheit sowie die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks“ einforderten. Nichtsdestotrotz erklärten sich beide Institutionen für nicht zuständig, die Ausstellung über diese Erklärungen hinaus zu unterstützen und wälzten dadurch die Verantwortung auf die Polizei und das serbische Innenministerium ab. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die politische Landschaft Serbiens der Ausstellung ablehnend gegenüberstand, was sich anhand direkter Angriffe (SRS, SPS, DSS) oder der Enthaltung jeglichen Kommentars (DS) zeigte. Unterstützungserklärungen waren rar und kamen nur von kleinen Parteien wie G17 Plus und der LDP (Liberaldemokratische Partei) sowie von einem Großteil des NGO-Sektors.

Skandalisierung und Vorboten der Gewalt

Die allerersten Pressestimmen unmittelbar nach der Eröffnung in Novi Sad waren erstaunlich positiv gewesen – ein Boulevard-Blatt listete die Ausstellung sogar in ihrem täglichen „Top Ranking“ auf. Danach wurde die Berichterstattung immer negativer, die Angriffe richteten sich zunächst gegen den beteiligten Politiker (Kostreš) und den Ausstellungsort (Museum zeitgenössischer Kunst Vojvodina) und später, als die Ausstellung in Belgrad eröffnet werden sollte, gegen die OrganisatorInnen (KuratorInnen und beteiligte NGOs). Die Massenmedien waren an Konzept und Inhalt der Schau in keiner Weise interessiert und schon gar nicht an dem in diesem Kontext neuen und ungewohnten Raum für Dialog und Reflexion, den das Projekt zu eröffnen versuchte. Vielmehr fühlten sie sich von dessen vermeintlichem Skandalpotential angezogen. Ihre Aufmerksamkeit richteten sie ausschließlich auf Dren Maliqis Arbeit Face to Face, die Andy Warhols doppelt reproduzierten Elvis Presley in Cowboymaske einem gedoppelten Bild von Adem Jashari, einem Führer der UÇK (Befreiungsarmee des Kosovo), gegenüberstellt. Jashari gilt den meisten AlbanerInnen als Freiheitskämpfer und wird im Kosovo zur nationalen Ikone stilisiert, wohingegen er von serbischer Seite als Kriegsverbrecher und Terrorist angesehen wird. Die Skandalisierung des Ausstellens von Jasharis Konterfei führte zu hysterischen und feindseligen Reaktionen quer durch die serbische Öffentlichkeit. Die Ausstellung verherrliche albanische SeparatistInnen und TerroristInnen, lautete der Tenor der Kritik, welche sich durch den durchgehenden Gebrauch nationalistischer Terminologie auszeichnete. Die Medien reproduzierten ExpertInnenmeinungen ausgewiesener Nicht-ExpertInnen, wie etwa ausgedienter nationalistisch gesinnter Fußballstars, rühmten jene, die die Belgrader Ausstellung gewaltsam verhindert hatten und erzeugten ein Bild, das die OrganisatorInnen als Anti-SerbInnen, schuldig des Landesverrats, erscheinen ließ.

Erstes Anzeichen gewaltsamer Aktionen war die öffentliche Aufforderung der Vereinigung Vertriebener aus Kosovo und Metochien, die Ausstellung in Novi Sad zu schließen. Für den Fall, dass die OrganisatorInnen dem nicht nachkämen, wurde nämlich mit der Entsendung der Mitglieder gedroht, die die Schließung selbst durchsetzen würden. Gleichzeitig wurde in ultrarechten Internetforen angekündigt, dass die Ausstellung auch in Belgrad Halt machen würde und es wurden Pläne geschmiedet, dies zu verhindern. Einen Tag vor der geplanten Eröffnung in Belgrad rief die klerikal-faschistische Bewegung Otaˇcastveni pokret Obraz (Vaterlandsbewegung Würde) alle „serbischen PatriotInnen“ dazu auf, bei der Eröffnung zu erscheinen, um „den albanischen SeparatistInnen und ihren serbischen KomplizInnen zu zeigen, was [die PatriotInnen] von den künstlerischen und politischen Zielen einer solchen Manifestation halten“.

Schließung statt Eröffnung

Am 7. Feber, eine halbe Stunde vor der Eröffnung, sammelte sich ein Mob von 300 fanatischen Obraz-Mitgliedern, Fußball-Hooligans und anderen nationalistischen Kräften in den Straßen rund um den Ausstellungsraum. Die Polizei musste ihn davon abhalten, die Galerie zu stürmen (gleichzeitig wurden AusstellungsbesucherInnen am Erreichen der Kontekst Galerie gehindert). Nichtsdestotrotz gelang es mehreren Tätern, in die Räumlichkeiten einzudringen und Maliqis Arbeit zu zerstören. Einer von ihnen unterbrach die Eröffnungsrede, indem er zu einer lautstarken Hasstirade ansetzte, in welcher er die beteiligten KünstlerInnen diskreditierte und die OrganisatorInnen des Verrats an Vaterland und Menschlichkeit bezichtigte. Mit der Präsentation eines mitgebrachten Steins beabsichtigte er die Reproduktion des landesweit gängigen Klischees der Steinewerfenden und daher unzivilisierten AlbanerInnen. Obwohl der Mann schließlich abgeführt wurde, bot seine Aktion der Polizei Anlass, die Schließung der Ausstellung anzuordnen, bevor diese überhaupt eröffnet worden war. Am darauf folgenden Tag wurde die Glastüre der Galerie eingeschlagen, da das Gebäude jedoch unter polizeilicher Bewachung stand, wurden die Täter gefasst. Die Polizei schlug in der Folge die Inszenierung eines gemeinsamen öffentlichen Auftritts vor, in dessen Rahmen sich Letztere bei den OrganisatorInnen entschuldigen sollten.

Die Rolle der Polizei

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Polizei die Ereignisse mit vorangetrieben hat. Denn obwohl Spezialeinheiten den Mob davon abhielten, den Ausstellungsraum zu erreichen und anzugreifen, ließ die Polizei es zu, dass die Eröffnung unterbrochen wurde, um auf die Schließung der Ausstellung bestehen zu können. Nicht genug, dass sie jene durch die Eingangskontrolle ließen, die Maliqis Arbeit zerstörten, auch während der Unterbrechung der Eröffnungsrede kamen die zahlreich anwesenden Zivilbeamten der wiederholten Aufforderung einzugreifen nicht nach. Unter Hinweis auf die Redefreiheit lehnten sie jegliche Intervention so lange ab, bis die OrganisatorInnen – auch in Anbetracht der polizeilichen Beurteilung der Lage, dass „die Sicherheit von BesucherInnen und OrganisatorInnen nicht gewährleistet werden kann“ – einwilligten, die Eröffnung abzubrechen. Anschließend räumte die Polizei den Ausstellungsraum und drängte die OrganisatorInnen, eine Vereinbarung zu unterschreiben, in der auf eine künftige Eröffnung verzichtet wird. Am nächsten Tag verlangte sie, die Kunstwerke abzuhängen, so dass keines mehr von außen sichtbar sei. Später hieß es, die Arbeiten müssten abtransportiert werden – ihrer Einschätzung nach unter massivem Polizeischutz –, wobei es sich offensichtlich um einen Einschüchterungsversuch handelte, der die OrganisatorInnen dazu veranlassen sollte, vom Gedanken einer neuerlichen Ausstellungseröffnung in Hinkunft Abstand zu nehmen.

Vier Betrachtungen zum Abschluss:

Erstens: Das, was die Ausstellung auslöste, war die Reproduktion jener repressiven Politik, die Serbien dem Kosovo über Jahrzehnte aufgezwungen hatte.
Zweitens: Es zeigt sich, dass jener Teil der serbischen Gesellschaft, der sich selbst als „demokratisch“ bezeichnet, in Geiselhaft des nationalistischen Konsens’ sitzt und völlig apathisch reagierte, als es galt, zu handeln und Position zu beziehen.
Drittens: Die serbische Kulturpolitik wird von ultranationalen Kräften konzipiert und von einem gewalttätigen Mob exekutiert, während offizielle Institutionen der Republik Serbien willfährig Unterstützung leisten.
Viertens: In der hysterischen Skandalisierungskampagne war der Stein des Anstoßes, Jasharis Bild, absolut austauschbar. Die rohe Zerstörungswut der Reaktionären ist vielmehr darin begründet, dass diese ihr kulturrassistisches Bild der „unzivilisierten AlbanerInnen“ durch die klar artikulierten künstlerischen Positionen der zeitgenössischen Kunstszene aus Prishtina kontrastiert und somit außer Kraft gesetzt sahen.

Eduard Freudmann arbeitet gemeinsam mit Jelena Radić an einem Film über jene Ereignisse, die die Ausstellung Exception – Contemporary Art Scene from Prishtina nach sich zog.

Ivana Marjanović lebt als Kuratorin in Wien und Belgrad, derzeit arbeitet sie an ihrer Dissertation an der Akademie der bildenden Künste Wien. Gemeinsam mit Vida Knežević betreibt sie seit 2005 die Belgrader Kontekst Galerie. Sie ist eine der KuratorInnen der Ausstellung Exception – Contemporary Art Scene from Prishtina.

Weitere Informationen unter Kontekst

Übersetzung: Patricia Köstring

Ähnliche Artikel

rote leere Sessel im Theater Ob auf der Bühne oder hinter den Kulissen: Wer am Theater arbeitet, kommt um das Theaterarbeitsgesetz (TAG) und seine zwingenden Sonderbestimmungen nicht herum. Zuerst muss aber die geeignete Beschäftigungsform her: Ensemblevertrag, Gastvertrag oder doch Werkvertrag? Ein Balanceakt mit Auswirkungen. Ab Herbst 2025 soll eine Gesetzesnovelle die Abgrenzung erleichtern. Für uns ein Anlass, das TAG und die Neuerungen näher zu beleuchten.
Das europäische Parlament will die Arbeitsbedingungen im Kulturbereich bessern. Um die Anliegen zu untermauern, führt „Culture Action Europe" in Zusammenarbeit mit „Panteia" eine Umfrage zur Situation und Arbeitsbedingungen von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen in ganz Europa zu bewerten. Die Umfrage ist bis zum 9. Februar geöffnet.
Nur 4 von 15 Personen im neu besetzten steirischen Kulturkuratorium sind Frauen. Keine andere soziale Gruppe wurde abgebildet. Während die Politik diese Zusammensetzung als eine zufriedenstellende Repräsentation von Diversität ansieht, äußern wir hier mit einem Protestbrief Kritik.