Wie weiter mit #corona Unterstützungsfonds

 

Abfederung Einnahmenausfall Künstler*innen / Kulturvermittler*innen / weitere im Feld 


Die angekündigte Weiterentwicklung der genannten Unterstützungsfonds haben wir zum Anlass für die folgenden Überlegungen genommen, die wir am 8.4. an die Verhandler*innen in den beteiligten Ministerien geschickt haben. Wir haben keine Information darüber, wo die Verhandlungen aktuell stehen, ob unsere Anregungen aufgegriffen werden oder nicht. Die Veröffentlichung unserer Stellungnahme soll daher als Orientierung für die Bewertung der anstehenden Änderungen dienen.
 

Wir begrüßen ausdrücklich die deutliche Ausweitung des Zugangs zum Härtefall-Fonds in der WKO und sehen ihn nicht zuletzt aufgrund seiner Dotierung als zentrale Anlaufstelle für alle von Einnahmenausfällen betroffenen Selbstständigen in der aktuellen Pandemie-Situation. Die bisher bekannten Eckdaten zur Phase 2 im Härtefall-Fonds/ WKO lassen eine deutlich geringere Anzahl von Kunstschaffenden und Kulturvermittler*nnen erwarten, die auf den Covid-19-Fonds im KSVF angewiesen sind. Zugleich wird klar, dass die Berechnungsgrundlagen für die Höhe der Unterstützung aus dem Härtefall-Fonds/ WKO auf Personen zugeschnitten sind, die entweder ein einigermaßen kontinuierliches Einkommen erzielen, oder doch zumindest im Jahresvergleich zeitlich parallele Hoch- und Niedrigphasen des Einkommens haben. Für viele Künstler*innen gilt das nicht: Ihre Einkommen sind über Jahre und Monate sehr ungleich verteilt. Die Berechnungsmethode muss dieser Situation angepasst werden und auf die akute Finanzierungslücke abstellen. Idealerweise ist den Unterstützungsleistungen daher die aktuelle Einnahmen-/Ausgabensituation zugrunde zu legen und nicht eine vergangene, wobei zu beachten ist, dass es gerade im Kunst- und Kulturbereich zu starken Schwankungen kommen kann, und ein aktuell höheres Einkommen für längere Zeit reichen muss.
 

Wir regen daher dringend an, den Covid-19-Fonds im KSVF von den Regelungen in der WKO zu lösen und ganz auf die Situation der Kunstschaffenden auszurichten: Er sollte nicht nur für jene, die auch in Phase 2 nicht im Härtefall-Fonds/ WKO unterkommen, als Ergänzungsfonds fungieren, sondern auch für jene, für die die Unterstützung aus dem Härtefall-Fonds/ WKO nicht ausreicht, um die Pandemie-Krise zu überstehen. Dies betrifft beispielsweise Mehrfachversicherte, deren Einkommen aus einer Teilzeitbeschäftigung von der Zuwendung aus dem Härtefall-Fonds/ WKO abgezogen wird, was dazu führen kann, dass die verbleibende Unterstützung ihre Ausgaben (z.B. Atelierkosten) nicht abdeckt. Wenn vor der Krise verschiedene Erwerbstätigkeiten gemeinsam zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten und laufenden Betriebsausgaben erforderlich waren, so sind sie das in der aktuellen Situation nicht weniger. 

Im Folgenden stellen wir einige Besonderheiten der Berufssituation von Künstler*innen, Kulturvermittler*innen und weiterer im Feld Tätiger dar, die es bei der Ausgestaltung eines Notfallfonds für diese Personengruppe zu beachten gilt:
 

Aufmerksamkeit für die Differenz zwischen Einkommen und Einkommensteuerbescheid

Einkommensteuerbefreite Zuwendungen (Stipendien, Preise etc.) sind eine relevante Größe in der Existenzsicherung von Kunst- und Kulturschaffenden. Diese sind im Einkommensteuerbescheid nicht abgebildet, sollten aber jedenfalls über den EStB hinaus als Bemessungsgrundlage Berücksichtigung finden. Diese wichtige steuerliche Erleichterung darf Künstler*innen jetzt nicht zum Nachteil werden.
Im KSVF gibt es damit langjährige Erfahrung: Einkommensteuerbefreite Stipendien und Preise werden zum Erreichen der erforderlichen Mindesteinkommensgrenze für den Erhalt eines Zuschusses zur Sozialversicherung berücksichtigt.
 

Steuernummer/ Einkommensteuerbescheid

Bei Einkommen unter der Steuergrenze (für Selbstständige 11.000 Euro) obliegt es nicht zuletzt dem Finanzamt, mit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit auf Basis einer Einkommensprognose eine Steuernummer zu vergeben oder auch nicht. Davon hängt ab, ob eine Einkommensteuererklärung notwendig ist oder nicht. Wenn nicht, gibt es folglich auch keinen Einkommensteuerbescheid. Die Grenze zur Pflichtversicherung in der SVS ‒ die zwölffache Geringfügigkeitsgrenze (2020: 5.527,92 Euro) ‒ liegt wiederum wesentlich niedriger. Es gibt also eine Vielzahl Selbstständiger, die zwar in der SVS pflichtversichert sind, aber dennoch weder Steuernummer noch Einkommensteuerbescheide haben. Entsprechend ist es schon beim Härtefall-Fonds (WKO) notwendig, auf das Kriterium Steuernummer zu verzichten und eine alternative Bezugsgröße zum Einkommensteuerbescheid zu installieren. Zentral ist dies jedoch für den Covid-19-Fonds im KSVF.
 

Einkommensschwankungen als Regel, nicht als Ausnahme im Sektor

Wie schon einleitend festgehalten, schwanken die jährlichen Einkommen von Künstler*innen in der Regel stark, die monatlichen Umsätze ebenso. Es kann nicht sein, dass eine Person Glück hat, weil sie im Vergleichsmonat des Vorjahres das halbe Jahreseinkommen erwirtschaftet hat, eine andere jedoch Pech, weil dasselbe einen Monat vor dem Vergleichsmonat passiert ist. Notwendig ist es, die Möglichkeit zu eröffnen, statt des Referenzmonats das Jahreszwölftel (im Schnitt der letzten drei Jahre; bei kürzlich eingegangenen Zahlungen auch perspektivisch, s.o.) heranzuziehen. Die bessere ‒ und im Covid-19-Fonds des KSVF realisierbare ‒ Möglichkeit ist es, überhaupt auf die aktuellen Einnahmen abzustellen und den Zuschuss als Ersatzleistung zu gestalten in Bezug auf die Differenz zwischen Lebenserhaltungskosten + Betriebsausgaben und derzeit verbliebenen Einnahmen – und/oder als unmittelbaren Ersatz entgangener Einnahmen, sofern diese nachweisbar sind.
 

Artist-in-Residence-Programme, langfristig geplante Projekte

Aufgrund der aktuellen Reisebeschränkungen abgesagte bzw. verschobene Artist-in-Residence-Programme bedeuten aufwändige und kostspielige Neuplanungen, etwa die Suche nach Ersatz für die bereits untervermietete eigene Wohnung und/oder das untervermietete Atelier. War das Programm mit einem Stipendium verbunden, entfallen für die Dauer des geplanten Aufenthalts die Einnahmen. Langfristig angelegte Projekte, die jetzt ihren Höhepunkt finden hätten sollen, sind – besonders, wenn Kinderbetreuungspflichten dazukommen – eine spezifische Belastungssituation, die insbesondere im Covid-19-Fonds des KSVF Berücksichtigung finden kann und soll. Ähnliches gilt für jene Künstler*innen, deren neues Buch, Film oder Album jetzt erscheint, und die nun ihre Verwertungsstrategie komplett umstellen müssen (Konzerte, Lesungen, Buchmessen abgesagt, Buchhandlungen, Kinos und Plattenläden geschlossen). Sie erleiden potenziell wesentlich größere Verluste, als via Referenz darstellbar wäre, jedoch in der Regel ohne diese konkret beziffern zu können.
 

Zeitverzögerte Konsequenzen

Aktuell geht es noch vielfach um Absagen, konkret benennbare Einnahmenausfälle. Im Verlauf der Pandemie-Krise wird jedoch immer mehr der Verlust an Möglichkeiten neuer Veranstaltungen, Projektentwicklung, der unerlässlichen Präsenz als Künstler*in eintreten. Insbesondere in Sparten, die durch eine recht klare Teilung in Künstler*innen (Autor*innen, Übersetzer*innen, (Film)Schauspieler*innen ...) und Produzent*innen (Verlage, Filmproduktionsfirma, Theater) gekennzeichnet sind, kommt auf längere Sicht sehr wahrscheinlich ein deutlicher Produktionsrückgang dazu. Geschlossene Buchhandlungen, Kinos usw. führen zu Umsatzeinbrüchen entlang der gesamten Produktionskette. Investitionen in neue Bücher, Filme u.a. werden in der Folge mit größerer Zurückhaltung geschehen und die Einkommenslücken für Kunstschaffende prolongieren. Zudem bedeutet die Verschiebung einer Produktion automatisch höhere Kosten.
Entsprechend notwendig wird es sein, den Unterstützungsfonds frühzeitig so aufzusetzen, dass auch analog zum regulären Unterstützungsfonds im KSVF Zuschüsse zum Lebensunterhalt geleistet werden können – zeitlich befristet auf die Dauer der Pandemie-Krise plus einem Neustartfenster.
Grundsätzlich sollen die Künstler_innen für geleistete – und vorgesehene – Arbeitszeit/Leistung jetzt entschädigt werden (ob aufgrund ihrerbestehender Verträge oder aus einem der Unterstützungsfonds); für eine Wiederaufnahme der Proben (und Vorstellungen) und anderen künstlerischen Aktivitäten zu einem späteren Zeitpunkt müssen aber weitere Mittel eingesetzt werden. 
 

Covid-19-Fonds ausweiten

Auch nach den Erweiterungen des Härtefall-Fonds/WKO gibt es im Sektor Beschäftigte/Tätige, die weder dort, noch im Covid-19-Fonds des KSVF Unterstützung erhalten können. Eine Auflistung nach Berufsgruppen, stellenweise nach Sozialversicherungsstatus, liegt Ihnen schon vor. (Wir reichen diese hiermit noch einmal nach.) Auch wenn der KSVF in der derzeitigen Form nicht unbedingt dazu prädestiniert ist, wäre der Covid-19-Fonds durchaus ein Instrument, das neben den Kulturvermittler*innen auch technischem Personal oder Assistenzen im Kunst/Kultursektor offen stehen sollte; das gilt in hohem Maß für den Film- und Theaterbereich. Wünschenswert wäre ein dritter Fonds, der z. B. hauptsächlich geringfügig Beschäftigten/ mehrfach geringfügig Beschäftigten offenstehen und zudem auch zur Abfederung all jener dienen könnte, die bislang trotz existenzbedrohender Einkommensverluste keinen Zugang zu staatlicher Unterstützung haben.

 

 

Abschließend und zusammenfassend einige praktische Vorschläge zur Umgestaltung des Covid-19-Fonds:
 

  • Grundsätzlich werden 2 Optionen parallel benötigt:
    • (a) Für den Einnahmenausfall, der eine unmittelbare Folge von Absagen ist (hier ist zu berücksichtigen, dass nach der Absage sämtlicher Veranstaltungen, Ausstellungen, Aufführungen usw. auch nichts Neues geplant werden kann, solange Unsicherheit über die Folgen eingegangener Verpflichtungen z.B. den Subventionsgebern gegenüber besteht);
    • (b) für die fehlende Deckung von Lebensunterhalt und Betriebsausgaben, die mit zeitlicher Verzögerung eintritt, weil keine Einkommensmöglichkeiten mehr existieren (da es keine vereinbarten Projekte und ähnliches mehr gibt, zudem auch Networking sowie Anbahnungsmöglichkeiten zur Planung künftiger Projekte, Ausstellungen etc. fast zur Gänze wegfallen). Diese Deckung muss auch nach Aufhebung der Covid-19-Maßnahmen noch zur Verfügung stehen, da es vom Tag X zurück zur Normalität erwartungsgemäß eine gewisse Anlaufzeit bis zur Ausführung der Projekte, Ausstellungen etc. und daraus generierten Einnahmen brauchen wird.
       
  • Nachweiserfordernisse
    • bei (a) Liste mit Absagen/ Veranstalter_in/ in Aussicht gestellte bzw. vereinbarte Summe (via Excelsheet KSVFU „Dokumentation Einnahmenausfall“)
    • bei (a) und (b) aktueller Kontostand (plus Erklärung bei großem Plus, wenn z.B. Rücklage für geplante Veranstaltung, notwendige Investition für Arbeitsmaterial, bei Vertragsabschluss eingegangener Vorschuss für ein längerfristig (x Monate) angelegtes Projekt oder gerade ausbezahltes Honorar, das für x Monate zum Lebensunterhalt beitragen soll, wie bei Autor*innen üblich, usw.)
    • so wenig wie möglich, um schnell und unbürokratisch zu helfen
       
  • Limits, d. h. maximal möglicher Unterstützungsbetrag pro Person:
    • laut Erläuterungen zum Covid-19-Gesetz, Artikel 28 ist eine Obergrenze pro Person zu definieren: Zentral ist hier eine flexible Grenze und eine Abdeckung des gesamten Ausfallzeitraums (aktuell 10.3. bis 30.6.), der damit jetzt schon länger angesetzt ist, als die drei Monate, für die es Geld geben soll. € 2.000/ Monat als Höchstsumme macht dann Sinn, wenn die Einkommensausfälle auch durchgerechnet werden können.
    • bei (a) eher hohes Limit, aber jedenfalls wiederholt Anträge ermöglichen (falls Covid-19-bedingt weitere Absagen bereits vereinbarter Projekte/ Aufträge für Sommer, Herbst passieren)
    • bei (b) als unterstes Limit (!) Armutsgefährdungsgrenze + Beitrag zu Betriebsausgaben -> Selbsteinschätzung Differenz laufende Einnahmen vs. notwendiger Lebensunterhalt (letzteres orientiert idealerweise an Armutsgefährdungsgrenze; d.h. wenn niedriger angesetzt, nach oben nivelliert) und notwendige Betriebsausgaben. (Vgl. Armutsgefährdungsschwelle laut Armutskonferenz, 2019: http://www.armutskonferenz.at/armut-in-oesterreich/aktuelle-armuts-und-verteilungszahlen.html); Kinderzuschläge bei Sorgepflichten.
       
  • Ausweitung des Unterstützungszeitraums
    • keine Begrenzung auf maximal 3 Monate wie derzeit im Härtefall-Fonds / WKO (noch?) vorgesehen (aktuell gilt das Veranstaltungsverbot etwa bereits für 4 Monate), sondern grundsätzlich Ausweitung auf Covid-19-bedingte Absagen, um auch zeitverzögerte Absagen bereits vereinbarter Projekte/ Aufträge für Sommer, Herbst berücksichtigen zu können, verlängert um ein Neustartfenster.
       
  • Nachweis Künstler*inneneigenschaft
    • wo nicht ohnehin bereits vom KSVF anerkannt (auch aus Jahren zurück): vereinfachter Nachweis durch Mitgliedschaft in einer Verwertungsgesellschaft, Mitgliedschaft in einer IG (z.T. online abrufbar, andernfalls Bestätigung Mitgliedschaft durch IG)
    • für Künstler*innen, die gerade erst gestartet sind und Kunstuniversität bzw. einschlägige Ausbildung absolviert haben: vereinfachter Nachweis durch Abschlusszeugnis.
       
  • Nachweis Kulturvermittler*inneneigenschaft
    • vereinfachter Nachweis durch Mitgliedschaft im Verband der Kulturvermittler*innen (oder vergleichbare Verbände)
       
  • Außerdem zu beachten
    • bei (a) Ersatz Einnahmenausfall: kein Abstellen auf Ehe/eingetragene Partner_innenschaft, es geht um einen Ersatz konkret ausgefallener Einnahmen
    • Einnahmen sind keine Einkünfte, d.h. nur bedingt für Lebensunterhalt kalkulierbar, Ausgaben für laufende Kosten Atelier, berufsbezogene Versicherungen etc.
    • Personen ohne Internetzugang: Postweg muss offen bleiben
    • Nachweise über allfällige Rücklagen, Sparbücher etc. begrenzt aussagekräftig, wenig sinnvoll: Rücklagen können je nach Situation unterschiedliche Bedeutung haben, etwa bei Unterhaltspflichten; wenn keine wohlhabende Familie im Hintergrund; wenn fest eingeplant für ein Projekt u.a. -> nicht vergleichbar
    • der Covid-19-Fonds soll nicht als letzte Instanz definiert sein, die erst zahlt, wenn andere Unterstützungsfonds nichts übernehmen



Der Kulturrat Österreich dokumentiert und informiert in einer Timeline über aktuelle Entwicklungen zu den zu Auswirkungen auf Kunst und Kultur während #coronahttps://kulturrat.at/agenda/brennpunkte/corona

 

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Der Kulturrat Österreich ist der Zusammenschluss der Interessenvertretungen von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden. Gemeinsam vertreten diese IGs rund 5500 Einzelmitglieder, 39 Mitgliedsverbände und deren Mitglieder, 700 Kulturinitiativen sowie 14 freie Radios.

Mitglied im Kulturrat Österreich sind: ASSITEJ AustriaBerufsvereinigung der Bildenden Künstler ÖsterreichsDachverband der FilmschaffendenIG Bildende KunstIG Freie TheaterarbeitIG Kultur ÖsterreichÖsterreichischer MusikratIG Übersetzerinnen ÜbersetzerVerband Freier Radios Österreich und VOICE - Verband der SprecherInnen und DarstellerInnen.