"Meine Lebensplanung heißt Kunst und Kultur!"  Kulturarbeiter*innen im Gespräch - Marjan Štikar, Verein Rož

Wie sehen die Arbeitsverhältnisse im Kulturbereich konkret aus? Wie geht sich das finanziell aus und wie vereinbart man das mit der Lebensplanung? Wie landet man im Kulturbereich und was motiviert dennoch so viele Menschen, sich aktiv einzubringen? Patrick Kwasi von der IG Kultur im Gespräch mit Kulturarbeiter*innen. Hier mit Marjan Štikar vom Verein Rož in St. Jakob im Rosenthal.

Sich dem Kulturbereich zu widmen, bedeutet oft, seinen Idealen zu folgen, sich zu verwirklichen, spannende Projekte umzusetzen, die sich an neuen Formen des Zusammenlebens erproben, der Gesellschaft etwas zurückgeben, ihr die Probleme zurückspiegeln oder Menschen zusammenbringen, um sie zu lösen. Es bedeutet aber häufig auch, für sein Engagement Entbehrungen in Kauf nehmen zu müssen. Nur Einzelne verdienen sehr gut, die wenigsten können von ihrer Tätigkeit im Kultursektor leben. Und wenn es sich ausgeht, dann häufig nur unter prekären und unsicheren Verhältnissen: unterbezahlt, überarbeitet, ohne Planbarkeit und mit wackeliger sozialer Absicherung. 
Im Gespräch mit Kulturarbeiter*innen. Hier mit Marjan Štikar vom Verein Rož in St. Jakob im Rosenthal.

Marjan Stikar, Verein Roz

Was ist deine Motivation im Kulturbereich zu arbeiten?
Es ist sicher naiv und überheblich, aber ich meine, durch die Kulturarbeit die Gesellschaft einer kleinen Region zum Besseren verändern zu können und zwar durch eine möglichst intensive Auseinandersetzung mit den Problemen, die in der Region vorherrschen, eingebettet in die globalen Fragestellungen. Nach dem Motto: "Global denken, lokal handeln."

Wie bist du dort gelandet?
Ich hatte das Gefühl, dass es im "etablierten" Kulturbetrieb nur (mehr oder weniger) um persönliche Eitelkeiten, Ruhm (was immer das heißen mag), Prinzipien- und Theorieklauberei geht und nicht ans Eingemachte. So bin ich dort gelandet, von wo ich abhauen wollte: am Land, bei der lokalen slowenischen dörflichen Volkskultur.

Was macht der Verein?
Der Verein Rož organisiert Kulturveranstaltungen: Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Kulturwanderungen, Tanz- und Theatergastspiele, etc. Aber in erster Linie betreut und produziert er auch selbst Konzerte, Theater, Performances und Ausstellungen.

Was ist deine Tätigkeit?
Im Verein Rož bin ich der künstlerische Leiter, Organisator, Regisseur, Dramaturg, Bühnenbildner, Techniker, Koch, Putzmann….

Wie sieht das in der Praxis aus?
Finanziell geht sich eine Anstellung nie aus. Für einzelne Projekte bekomme ich vom Verein ein Honorar für meine Regiearbeit. Eigentlich konnte ich mich immer nur von Aktion zu Aktion über Wasser halten. Zurzeit bin ich aber über die Maßnahme 2020+ noch ein Jahr über das AMS bzw. GPS (Gemeinnütziges Personalservice) beim Verein Rož angestellt - als Bürokraft. Die Fördermittel für den Verein sind immer an Produktionen gebunden und es war bisher nicht möglich, eine Basisförderung zu bekommen. Vielleicht auch deshalb, weil es Kulturarbeit am Land nicht geben kann, darf oder soll. 

Geht sich das aus? 
Eher schlecht als recht. Mein einziges mehrjähriges Einkommen (230,- EUR) ist ein befristeter Lehrvertrag für zwei Unterrichtswochenstunden an einer Höheren Schule. Dabei muss ich jedes Jahr für die Produktion die Stundenanzahl um mehr als die Hälfte verdoppeln. Wenn ich nicht eine Frau hätte, die jeden Monat ein fixes Einkommen ins Haus bringt und meine "Kunst und Kulturarbeit“ am meisten unterstützt bzw. sponsert, müsste ich schon längst aufgeben.

Was sind die größten Schwierigkeiten?
Am schlimmsten ist die dauernde finanzielle Unsicherheit und dazu die „Ächtung“ bzw. der immer wiederkehrende Kommentar "da orme Kinstla hot jo ka Geld“. Manchmal gibt es Geld, aber meiner Beobachtung nach bekommen sehr oft nur diejenigen Fördermittel, die sich ein gutes Netzwerk (bei Politiker*innen) aufbauen konnten oder laut genug über die Presse in der Öffentlichkeit hervortreten. Die Qualität und die Produktivität stehen da an dritter oder vierter Stelle. Selbst wenn es gelingt, Fördermittel zu bekommen, braucht man alleine für die Abrechnung eine Fachkraft. Das ist frustrierend! Es wäre schon viel leichter, wenn man, wie beispielsweise in Slowenien, ein Grundeinkommen samt Kranken- und Pensionsversicherung für Kunstschaffende bekäme. Trotzdem hat sich in den letzten Jahren für den Verein - und dadurch auch für mich - einiges gebessert, da es gelang, etwas mehr Unterstützung von der öffentlichen Hand zu bekommen.

IG Kultur: Was bedeutet das für dich? 
Marjan Štikar: Meine Lebensplanung heißt Kunst und Kultur!

 

Marjan Štikar ist Schauspieler und künstlerischer Leiter, Organisator und noch viel mehr im Verein Rož in St. Jakob im Rosenthal.

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Dieser Artikel ist in der Ausgabe „prekär leben“ des Magazins der IG Kultur in Kooperation mit der Arbeiterkammer Wien erschienen. Das Magazin kann unter @email(5€) bestellt werden. 

 


 

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