Mañana, Ayer, Hoy: Freiheit der Kultur auf Kuba
Havannas Kunst- und Kulturszene ist bunt, laut und genauso kontrovers wie Kuba selbst. Wir haben uns auf die Suche nach unterschiedlichen Strömungen und Meinungen gemacht und haben dabei verschiedene Perspektiven gefunden, deren Arbeitsschwerpunkte und gefühlte Freiheiten in ganz abweichende Richtungen verlaufen.
Die einzelnen Ansichten waren nicht ganz leicht aufzufinden, da der Internetzugang in Kuba nach wie vor stark begrenzt und teuer ist, was dazu führt, dass die Internetpräsenz der einzelnen Kulturinstitute und Künstler*innen fast ausschließlich durch ausländische Verweise gegeben ist, die primär dem Tourismus dienen. Besonders lokale Kulturinstitute wie das Instituto de Barrio sind eher Orte, über die man während eines Spaziergangs durch Havanna stolpert, als dass man sie bewusst aufsucht. An Orten wie diesen lässt sich Kuba in seiner kulturell sehr vielfältigen Form erleben, da es sich hierbei vor allem um ein integratives Projekt handelt, dessen Nutzen darin gesehen wird, die Gemeinschaft zu stärken und den Menschen des Viertels Freude zu bereiten. Es untersteht wie die meisten kulturellen Einrichtungen des Landes dem nationalen Kulturministerium. Die Institutos de Barrio lassen sich in jedem Stadtteil Havannas finden und sind gefüllt mit unterschiedlichen Angeboten und Kursen für alle Generationen. Die Einbindung kultureller Vielfalt in den Lebensalltag der Kubaner*innen wird schnell sichtbar, wenn man das Land durchquert. Vor allem Musik und Tanz sind feste Bestandteile. Beliebt sind besonders Salsa und unterschiedliche Formen afro- kubanischer Musik, wie beispielsweise Rumba. Rumba in der kubanischen Ausprägung findet seine Wurzeln in den Sklavenvierteln Havannas während des 18. und 19. Jahrhunderts. Eine starke Verbindung hierzu hat die Santería, die afro- kubanische Hauptreligion in Kuba. Die Religiosität der Kubaner*innen verbindet sich häufig in einer Mischung aus Katholizismus und Santería. Anfänglich fand das Mitbringsel aus Westafrika keine Duldung auf der katholisch geprägten Insel, so dass die Orishas, die Götter, unter den katholischen Heiligen versteckt werden mussten. Die jeweiligen Rituale beinhalten zumeist viel Tanz und Gesang und mitunter Opferungen, die im europäischen Raum oft mit Voodoo in Verbindung gesetzt werden und dementsprechend eine gewisse Skepsis und ein Gruseln bei vielen hervorrufen. Letztendlich besteht der Unterschied jedoch vor allem darin, dass in der Santería- Religion direkter Kontakt zu den verschiedenen Göttern aufgenommen werden soll, um ein Gespräch stattfinden lassen zu können. Näheres hierzu lässt sich in der Asociación Cultural Yoruba de Cuba, gelegen in Havannas Innenstadt, erfahren. Das Zentrum besteht aus einem Museum, einer Bibliothek und einem vielfältigen Angebot unterschiedlicher Kurse mit thematischem Bezug zu traditioneller afro- kubanischer Kultur. Das Museum präsentiert vor allem die unterschiedlichen Götter der Santería, zumeist verbunden mit einer persönlichen Führung, die tiefere Einblicke bietet.
Neben den sehr alten Traditionen beschäftigten wir uns im Zuge der Interviews auch mit Kulturhäusern deren Ursprung in der Revolutionszeit zu finden ist. In diesem Kontext spielt vor allem das Casa de la Américas eine interessante Rolle. Das im Jahr 1959 gegründete Haus entstand nur vier Monate nach der Revolution und hat seine Wurzeln in der Idee kulturbezogene diplomatische Beziehungen innerhalb des Karibikraums und Lateinamerika aufzubauen, wodurch unabhängig von politischen Beziehungen gearbeitet werden kann und mehr Repräsentant*innen der kulturellen Szene eine Stimme geben werden soll. Gegründet wurde das Casa de las Américas von Haydée Santamaría, die zu den wenigen Frauen der revolutionären Garde gehörte. Das Haus vereint unterschiedliche Disziplinen wie Literatur, bildende Kunst, Soziokultur und Sozialwissenschaften und widmet sich diesbezüglich vor allem der Veröffentlichung, der Forschung, der Förderung und der Auszeichnung.
Besondere Betonung finden sollte hierbei noch die Fábrica de Arte in Havanna, die als neuster Hotspot der Kunstszene gilt. Untergebracht in einer alten Ölfabrik, verfolgt die Einrichtung den Ansatz moderater Preise, so dass auch Kubaner*innen das Programm nutzen können. Dieser Punkt ist nicht unbeachtlich insofern, als dass auffällig viele beliebte Jazz und Bars und Konzerträume einen so hohen Eintritt verlangen, dass es sich nur wenige Einheimische leisten können. Das führt mitunter zu einer Spaltung der Kulturszene zwischen Tourist*innen und Kubaner*innen und führt dazu, dass ein elitäres Milieu erschaffen wird, dass nur Ausländer*innen zur Verfügung steht. Die Fábrica de Arte verbindet somit Menschen unterschiedlichster Herkunft mit Malerei, Jazz, Kunstfilmen, Mojito und moderneren Musikrichtungen.
Neben den genannten Kulturstätten finden sich besonders in Havanna und in Santiago de Cuba, als traditionell musikalische Hochburg und Geburtsort des Buena Vista Social Clubs, unzählig viele interessante Kulturangebote unterschiedlichster Bereiche.
Zusätzlich zu den Kulturinstituten war außerdem der direkte Austausch mit Künstler*innen interessant, da ihre Ansichten zu politischer Freiheit in Kuba, wie Meinungsfreiheit und die daran gebundene Kunstfreiheit zum Teil stark abweichen. Zum Einen ist hierbei zu beachten, dass die Kulturinstitute grundsätzlich dem nationalen Kulturministerium unterstehen, welches Richtlinien „im Sinne der Revolution“ vorgibt und zum Anderen, dass Meinungsfreiheit in Kuba zumeist von den Menschen als gegeben betrachtet wird, die das politische System grundsätzlich anerkennen.
Anders als in vielen Fällen behauptet, handelt es sich bei der derzeitigen politischen Regierung nicht um eine Diktatur, die jegliche Partizipation oder Widerspruch verweigert. Betrachtet man politische Vorgänge genauer, finden sich auf allen Ebenen demokratische Strukturen, die neben der Kommunistischen Partei mitentscheiden und Kritik sehr wohl äußern dürfen, so dass innovative Ansätze in vielerlei Hinsicht gegeben sind. Alle Bürger*innen des Landes haben die Möglichkeit sich in diese Gremien wählen zu lassen und politisch aktiv zu werden. Hierbei gibt es allerdings zwei Probleme. Eins ist das US- amerikanische Embargo, das eine permanente Rechtfertigung zur Fortführung des derzeitigen Systems und anderer gesellschaftlicher Einschränkungen bietet und daraus resultierend der zwanghafte Versuch der kubanischen Regierung das Land nach außen als einig präsentieren zu wollen. Dieser Umstand führt dazu, dass öffentliche Systemkritik mit individuellen Kürzungen und Beschränkungen bestraft wird. Das bedeutet, dass die jeweiligen Personen gegebenenfalls nicht mehr ausreisen dürfen oder wirtschaftliche Nachteile erleiden, weil sie beruflich herabgestuft werden. Öffentlich in diesem Sinne bezieht sich auf Demonstrationen, wissenschaftliche Artikel oder eben kritische Kunst. Frei fühlen sich demnach diejenigen, die hinter dem sozialistischen System und dem Erhalt der post- revolutionären Politik der Insel stehen. So ist die abweichende Meinung des Schriftstellers zur Kunstfreiheit in den Interviews zu erklären.
Schlussendlich ist zu betonen, dass Kubas blühende Kulturszene beeindruckend ist und neben diesen verschiedenen Darstellungen noch viel mehr zu bieten hat. Gerade der afrokubanische Einfluss und die rebellische Politik machen die Insel so besonders und lassen Ideen in die unterschiedlichsten Richtungen wachsen.
Mañana, Ayer, Hoy (2016)
von Jacqueline Zauner
Der folgende Film ist die Arbeit der jungen Künstlerin Jacqueline Zauner (2016). Er ist eine Reflektion eines international zu beobachtenden Prozesses und der damit verbundenen Kompromissfindung zwischen Altem und Neuem. Ein Eintauchen in eine Welt die wir für die Vergangenheit halten, ohne zu merken, dass sie auch Teil unserer Gegenwart ist.
Mit Jaime Gómez Tirana (Casa de la Américas), Pedro Luis Opcuy (Autor), Lynn Celestine Kühl (Interviewerin)
Found Footage: Mesa Redonda.cubadebate.cu
Zitate: Margret Randall (Autorin) Haydée Santamaría (Revolutionäre)