Kulturpolitische Bekenntnisse der Spitzenkandidaten

<p>Anläßlich der bevorstehenden Nationalratswahl hat die Kulturpolitische Kommission der österreichischen Berufs- und Interessenvertretungen der Kunst und Kultur eine Anfrage zu zentralen Kunst- und Kulturfragen an die Spitzenkandidaten der im Parlament vertretenen Parteien gerichtet und von Alexander van der Bellen, Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer und Matthias Reichhold folgende, zusammengefaßt wiedergegebenen Antworten über die von ihnen vertretenen Positionen

Anläßlich der bevorstehenden Nationalratswahl hat die Kulturpolitische Kommission der österreichischen Berufs- und Interessenvertretungen der Kunst und Kultur eine Anfrage zu zentralen Kunst- und Kulturfragen an die Spitzenkandidaten der im Parlament vertretenen Parteien gerichtet und von Alexander van der Bellen, Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer und Matthias Reichhold folgende, zusammengefaßt wiedergegebenen Antworten über die von ihnen vertretenen Positionen und zu erwartenden Maßnahmen im Falle einer Regierungsbeteiligung erhalten.

Inhaltliche Kürzungen und Wertungen wurden bei dieser Zusammenfassung keine vorgenommen. Vielmehr soll sie dazu dienen, die bei den für eine Regierungsbildung in Frage kommenden Parteien vorhandenen Haltungen und Perspektiven in Kunst- und Kulturfragen zu dokumentieren und allgemein bekanntzumachen.

1. Kunst- und Kulturverwaltung

Keine Änderung in der Ressortaufteilung und bei den Zuständigkeiten ist von der ÖVP geplant. Das Bildungsministerium (Kultur, Bildung, Wissenschaft) und das Kunststaatssekretariat (Kunst, Medien) sollen erhalten bleiben, die bisherigen Ressortverantwortlichen (Gehrer, Bildung; Morak, Kunst und Medien) sollen ihre Arbeit fortsetzen. Die FPÖ tritt ebenfalls für die Beibehaltung der bisherigen Ressortverteilung ein und meldet - aus Gründen der Zufriedenheit mit den bisherigen Regierungsverantwortlichen - keine eigenen Personalwünsche für das Amt der Kultur- und Bildungsministerin und des Staatssekretärs für Kunst und Medien an. Die Grünen beabsichtigen die Zusammenführung der verstreuten Kunst- und Kulturagenden in einem eigenen Ministerium mit Koordinationsfunktion in der Aufgabenverteilung zwischen dem Bund, den Ländern und Gemeinden. Auch die SPÖ plant die Errichtung eines eigenen Kunst-, Kultur- und Medienministeriums und eines Koordinierungsmechanismus zur kulturpolitischen Kooperation zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften. Personelle Entscheidungen sollen bei beiden zu maßgeblichen Zeitpunkten (z.B. Regierungsverhandlungen) getroffen werden.

2. Programmatische Ziele 2002 - 2006

Das "zentrale Anliegen der Kulturpolitik der ÖVP in der nächsten Etappe ist, im Vorfeld der EU-Erweiterung, die Beziehungen zu den Beitrittskandidaten und den Ländern Südost- und Ostmitteleuropas zu intensivieren und Österreich als Kultur-Drehscheibe zwischen Ost und West zu etablieren".

Für die FPÖ sind "Kultur und Kunst wichtige identitätsstiftende Faktoren". Als Ausgangspunkt und ihre Zielsetzung nennt sie: "Die österreichischen Kunst- und Kulturschaffenden müssen aus der Abhängigkeit der staatlichen Subventionen befreit werden und die Chance zu einem unabhängigen kulturellen, künstlerischen Schaffen erhalten. Für den Staat stellt sich lediglich die Aufgabe Rahmenbedingungen zu schaffen, die geeignet sind, die Selbständigkeit der Kunst- und Kulturschaffenden zu gewährleisten. Die freiheitlichen Vorstellung einer effizienten Kultur- und Kunstförderung ist daher eine strukturelle und nicht personen- bzw. institutionenbezogene Förderung."

Den Schwerpunkt ihrer Kulturpolitik sehen die Grünen "in der Einbindung der Kulturpolitik in eine größere gesellschaftliche Verantwortung und einer Ermutigung der BürgerInnen zu einem unmittelbaren Umgang mit Kunst und Kultur. Dies impliziert ein Bekenntnis zu einer kompetenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Grüne Kulturpolitik steht für Offenheit und Vielfalt und hat einen klaren zukunftsorientierten Gestaltungswillen. Grüner Gestaltungswille heißt den kritischen Diskurs und die Meinungsvielfalt sowie deren Verbreitung fördern und die richtige Balance zu finden zwischen zeitgenössischen und traditionellen Kulturformen."

Als ihren kulturellen Standort und ihre Aufgabe führt die SPÖ an: "Entgegen konservativen Vorstellungen ist Kulturpolitik weit mehr als das Verwalten der großen, traditionellen Kultureinrichtungen. Kulturpolitik soll wieder als Gesellschaftspolitik verstanden werden. Unser Ziel ist die Wiederherstellung eines offenen kulturellen Klimas, das eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen zulässt und fördert. Die europäische Perspektive soll künftig eine wichtige Rolle spielen. Die Teilnahme an europäischen Programmen soll stärker als bisher gefördert werden. Kulturpolitik soll allen Menschen ermöglichen, ihr kreatives Potential zu entwickeln und zur Geltung zu bringen. Die SPÖ steht für die Freiheit der Kunst und die Vielfalt der Kultur und damit konsequent auf der Seite der Kunst- und Kulturschaffenden."

3. Konkrete Maßnahmen 2002 - 2006

Ihren Arbeitsschwerpunkt für diese "nächste Etappe" sieht die ÖVP in "einer starken Akzentsetzung mit weitreichenden Folgeprojekten bei bilateralen Kunstprojekten".

Mit folgenden Maßnahmen will die FPÖ ihre Ziele verwirklichen: 1. "Objektivierung der Vergabe von Fördermitteln", 2. "steuerliche Berücksichtigung von Kultur- und Kunstsponsoring" und 3. "Bereitstellung von Risikokapital zur gewerblichen Nutzung kreativer Leistungen im Bereich Kultur und Kunst".

Die Vorhaben der Grünen sind: 1. "verstärkte Förderung gegenwärtiger Kunst- und Kultur, für die zusätzliche 60 Millionen Euro zu budgetieren sind", 2. "die soziale Absicherung der Kulturschaffenden durch eine umfassende Künstlersozialversicherung", 3. "eine Reform des Urheber- bzw. Urhebervertragsrechts", 4. verstärktes "Augenmerk auf die Bereiche Ausbildung" und "Vermittlung von nicht-traditionellen Formen der Kunst", 5. Abkehr von "einem auf Repräsentation ausgerichteten Auslandskultur-Verständnis", 6. Aufhebung von "Doppelfunktionen" und Auffüllen von "Fehlstellen in der österreichischen Museumslandschaft", 7. "Transparenz bei der Vergabe von öffentlichen Mitteln", 8. "mittelfristiger Übergang zu dezentralen Vergabemodellen".

Als Maßnahmen sieht die SPÖ vor: 1. gemeinsame "strategische kulturpolitische Zielsetzung" von Regierung und Parlament "in jeder Legislaturperiode", 2. breiter "Zugang zu neuen Medien und deren kreative und kritische Nutzung", 3. "Mehrjährigkeit von Förderverträgen", 4. "intensivierte kulturwissenschaftliche Begleitforschung", 5. "ausgewogeneres Verhältnis in der Kunstförderung zwischen reproduzierender und produzierender Kunst" mit "Schwerpunktsetzung bei zeitgenössischer Kunst", 6. "Aufstockung der Kunstförderungsmittel", 7. "neue Initiativen mit Schulen und dem ORF, um den Zugang zur zeitgenössischen Kunst zu fördern", 8. "verstärkte, von Bund, Ländern und dem ORF getragene Förderung des eigenproduzierten Films", "Wiederherstellung der Gebührenbefreiungsrefundierung", "Aufhebung der ORF-Werbebeschränkungen", "Schaffung eines Beteiligungsfonds im Bereich der Filmwirtschaft sowie steuerliche Anreize für Investitionen in Filmproduktionen", 9. " Verbesserung der Arbeitssituation für Kunstschaffende in Österreich (im steuerlichen Bereich durch Erweiterung des begünstigten Steuersatzes/Halbsteuersatzes auf hauptberuflich tätige Kunstschaffende, im Urheberrecht und bei der 'Künstlersozialversicherung')".

IG Autorinnen Autoren, Dachverband der Filmschaffenden, IG Freie Theaterarbeit, IG Kultur Österreich, Musikergilde, Übersetzergemeinschaft, Verband Freier Radios, Wiener Secession, IG Bildende Kunst, konsortium.Netz.kultur, VOICE - Verband der Sprecher und Darsteller, Berufsvereinigung der bildenden Künstler
 

Ähnliche Artikel

Die Freiheit der Kunst und Kultur, der Meinungen und Medien sind unverzichtbare demokratische Werte und nicht verhandelbar! Wir appellieren daher: Keine Regierungsbeteiligung einer Partei, die angetreten ist, um das demokratische Wertefundament auszuhöhlen und zu zerstören. Jetzt den Aufruf unterstützen.
Der Kulturrat Österreich erneuert seine Forderungen zur Nationalratswahl 2024. Aber auch jetzt vor der Wahl sind noch wichtige Entscheidungen möglich und notwendig. Wir beharren auf unserer Forderung: KSVF-Zuschuss erhöhen! Jetzt. Mit einer entsprechenden Verordnung durch den Kulturminister ist das noch heute machbar.
Welche Vorstellungen die Parteien von Kunst- und Kulturpolitik haben, lässt sich in den Wahlprogrammen deutlich ablesen. Dabei manifestieren sich große Unterschiede in den politischen Lagern in der Ausrichtung ihrer Kulturpolitik. Eine Analyse der Kernpunkte der Parteien zu Kunst und Kultur für die Nationalratswahl 2024.