Geht's noch? Zum kulturpolitischen Regierungsfahrplan ins Nirgendwo!

Eine der Aufgaben der IG Kultur Österreich ist die kritische Beobachtung und Analyse der österreichischen Kulturpolitik. Die Regierung, deren Aufgabe es sein müsste, Kulturpolitik als aktive Gestaltung von Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu sehen, hat sich schon lange aus dieser Arbeit zurückgezogen. Der eben veröffentlichte Regierungsfahrplan

Eine der Aufgaben der IG Kultur Österreich ist die kritische Beobachtung und Analyse der österreichischen Kulturpolitik. Die Regierung, deren Aufgabe es sein müsste, Kulturpolitik als aktive Gestaltung von Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu sehen, hat sich schon lange aus dieser Arbeit zurückgezogen. Der eben veröffentlichte Regierungsfahrplan (PDF Downloads) in Sachen Kultur spricht eine deutliche Sprache, denn bis in das Jahr 2013 sollen zwei „Ziele“ erreicht werden: Die Eröffnung des 20er Hauses im Herbst 2011 und die Eröffnung der Kunstkammer im Winter 2012.

Das sollte zu schaffen sein, wenn es sein muss, kommen wir auch mit einer Schere vorbei, um das Durchtrennen des Bandes zu erleichtern. Das Band, das jedoch schon längst durchtrennt wurde, ist eine Verbindung zu Kunst und Kultur für die Menschen, die diese mit ihrer Steuerleistung erst ermöglichen. Denn ein Großteil der kulturpolitischen Maßnahmen vollzieht sich nur innerhalb einer platten PR-Logik, seien es Preisverleihungen oder Eröffnungsfeste.

Alles gut und schön, aber diese ist sicher nicht geeignet, jene zukunftsweisenden Akzente zu setzen, die kultur- wie gesellschaftspolitisch dringend notwendig sind. Das ist umso bedauerlicher, als dass voraussichtlich in den nächsten zwei Jahren keine Nationalratswahlen oder andere Wahlen stattfinden werden, auf die  Rücksicht genommen werden müsste.

Jeder vernunftbegabte, im Leben stehende, kulturpolitische Mensch kann mit Leichtigkeit gewichtigere Vorschläge für einen Kulturpolitik-Fahrplan erstellen. Die IG Kultur Österreich tut dies hiermit und wir schlagen 7 Felder vor, die eine aktive Kulturpolitik, eine involvierte Kulturministerin als Gegenüber und die Fähigkeit zum Diskurs erfordern. (Diese Liste behauptet nicht vollständig  zu sein.)

#1 KULTURPOLITIK UND PARTIZIPATION:

Mit einer veränderten Bevölkerungsstruktur ändern sich die kulturellen Praxen, Inhalte und Narrative. Kulturpolitik muss dafür sorgen, dass es zum einen eine kulturelle Grundversorgung gibt und Kultur nicht den Ballungszentren überlassen wird und zum anderen, dass sich die Bevölkerung auch in den geförderten Strukturen und Angeboten wieder findet (siehe etwa Migrant Mainstreaming).

#2 SCHNITTSTELLENPOLITIK: EINE POLITISCH-ADMINISTRATIVE STANDORTBESTIMMUNG

Kulturpolitik agiert zur Zeit als unvernetzte Förderpolitik, wobei die Schnittstellen zur anderen Politikfeldern wie Medien, Wissenschaft (Museen, Universitäten), Wirtschaft (Kreativwirtschaft), Sozialem (Arbeitsverhältnisse, KSV), Bildung (inkl. Früherziehung), Raumplanung und Recht (Urheberrecht) kaum ausgebildet sind. Mögliche Synergien werden durch die Einhaltung einer obsolet gewordenen bürokratischen Handlungslogik brach liegen gelassen.

#3 KULTURPOLITISCHE ZIELE UND DER WEG DORTHIN:

Kulturpolitik braucht offen deklarierte, langfristige Ziele und angemessene, nachvollziehbare Strategien. Um diese zu erreichen muss programmatische Kulturpolitik abseits von Mangelverwaltungsstrategien und angesichts der veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen diskutiert werden.

#4 KULTURFINANZIERUNG, VERFAHRENSSTANDARDS, TRANSPARENZ:

Der Kunstbericht des Bundes gibt nur über die Verwendung eines Teils des Budgets Auskunft, öffentlich beauftragte Studien bleiben unter Verschluss, parlamentarische Anfragen werden umgangen. Eine neue Kultur der Transparenz ist nötig.

#5 KULTURFINANZIERUNG IM EUROPÄISCHEN KONTEXT:

Nach wie vor steht ein Kofinanzierungsmodell für EU-Projekte aus, die besonders kleinere Institutionen systematisch an der Teilnahme an Europäische Programmen hindert.

#6 EINKOMMENSVERHÄLTNISSE:

Trotz interministeriellen Arbeitsgruppen, einer groß angelegten Studie und minimaler Nachbesserungen im Bereich der KünstlerInnensozialversicherung verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen für KünstlerInnen permanent. Punktuelle Maßnahmen wie Stipendien ändern wenig an der Gesamtsituation.

#7 URHEBERRECHT:

Während weltweit die Lobbys der Unterhaltungsindustrien und Telekommunikationsfirmen für eine Verschärfung des Urheberrechts zugunsten ihres Geschäftsmodells arbeiten, sieht die österreichische Kulturpolitik nicht einmal die Notwendigkeit, Fragen geistiger Eigentumsrechte zu diskutieren. Die Relevanz eines zeitgemässen Urheberrechts für die künstlerische Arbeit wird dabei ignoriert.


ALTERNATIVEN ZUM VERLUST DER KULTURPOLITIK:

Teil 26: Umverteilung ist eine Alternative. Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 25: Die engen Grenzen der Kunst. Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 24: Internationale Kulturpolitik zwischen Dialog, Selbstrepräsentation und Ausgrenzung. Von Franz Schmidjell
Teil 23: Kulturpolitik machen – für eine Verteilungsdebatte, jetzt! Von Juliane Alton
Teil 22: Umverteilung jetzt! Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 21: Die Wissensgesellschaft und ihre freien Idioten. Von Andrea Roedig
Teil 20: Kunst irrt. Von Juliane Alton

Teil 19: Gipsy Dreams. Von Gilda-Nancy Horvath
Teil 18: Intervention zur Wienwoche. Von Ülkü Akbaba und Andreas Görg
Teil 17: Kulturpolitik für Menschen, nicht für Institutionen! Von Marty Huber
Teil 16: Mobilität statt Barrieren!. Von Petja Dimitrova
Teil 15: Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik: Ein Zwischenresümee. Von Gabi Gerbasits

Teil 14: Von Schönheitsfehlern und Mißtönen abgesehen. Von Gerhard Ruiss
Teil 13: Lasst alle Hoffnung fahren. Von Otto Tremetzberger
Teil 12: Soziale Lage? Oder Wallfahren für Linke. Clemens Christl
Teil 11: Ein Lüfterl oder ein Brain-Storm? Gottfried Wagner
Teil 10: Panic on the Streets of London. Michaela Moser

Teil 9: Gefällige Demokratur oder demokratische Kultur? Stefan Haslinger
Teil 8: Räume der kulturellen Tat. Marty Huber
Teil 7: Transparenz in der Kulturverwaltung - a never ending story. Juliane Alton
Teil 6: Musiktheater als bürgerlicher Selbstbedienungsladen? Juliane Alton
Teil 5: Zwei ökonomische Argumente, warum man sich bei der Kultur nichts erspart und ein Plan B. Paul Stepan

Teil 4: Eine Kulturpolitik für Alle und von Allen. Ljubomir Bratić
Teil 3: Abschminken ist angesagt! Michael Wimmer
Teil 2: Keine Angst vor den freien Szenen? Elisabeth Mayerhofer
Teil 1: Fehlt da jemand? Stefan Haslinger
Teil 0: Geht's noch? Marty Huber

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