Ergebnisse statt Personaldiskussion: Regierung und Vizekanzler jetzt gefordert

Seit heute ist es offiziell: Ulrike Lunacek legt ihre Funktion als Staatssekretärin für Kunst und Kultur zurück, wer ihr nachfolgt ist bislang offen. Ein Personalwechsel alleine löst jedoch keine der drängenden Probleme, sondern droht vielmehr zu weiteren Verzögerungen zu führen. Wir appellieren an die gesamte Bundesregierung und Vizekanzler Werner Kogler, als Minister für Kunst und Kultur, Verantwortung zu übernehmen und ihr Versprechen an die österreichische Kulturszene endlich in die Tat zu setzen!

Wir befinden uns in Woche 10 der Corona-Krise. Bis dato gibt es weder eine realistische Perspektive, wann und wie der Kulturbereich wieder seine Tätigkeit aufnehmen kann, noch eine angemessene Unterstützung für die in Kunst und Kultur tätigen Menschen, deren Existenzgrundlage über Nacht aufgrund der behördlichen Anordnungen weggebrochen ist. 

Ein Wechsel an der Spitze des Staatssekretariat löst diese Probleme nicht, viel mehr droht er zu weiteren Verzögerungen und Vertröstungen zu führen, da sich jede Nachfolgerin erst einarbeiten wird müssen. Die gesamte Bundesregierung ist in der Verantwortung jetzt umgehend zu handeln. Lassen sie kein weiteres Verschleppen zu. Kündigen sie konkrete Lösungen nicht nur an, sondern setzten sie diese endlich um: 
 

  • Unbürokratische Soforthilfe, die Existenzen sichert und Perspektiven gibt 

    Es gibt einen Fleckerlteppich an Unterstützungsmaßnahmen, die jedoch auf klassische Betriebe mit regelmäßigen Umsätzen abstellen. Lediglich 5 Millionen Euro hat der Bund bislang aus dem 38 Milliarden Euro umfassenden COVID-19 Hilfsbudget zweckgewidmet für Kunst und Kultur. Alle anderen werden auf die „regulären“ Hilfsfonds verwiesen, die die komplexen, zumeist prekären Arbeitsrealitäten wie sie (auch) im Kunst- und Kulturbereich Gang und Gäbe sind, vollkommen ignorieren und zu lächerlich niedrigen Unterstützungsleistungen führen. Unzählige Betroffene haben bis heute keinen Cent an Unterstützung erhalten, trotz Totalausfall der Einnahmen. Andere haben 500,- Euro an einmaliger Soforthilfe erhalten, mit der Aussicht auf insgesamt weitere 1.000,- Euro bis Mitte September (!). In Summe also Aussicht auf 1.500,- Euro für ein halbes bis dreiviertel Jahr ohne Einkommen. Wir brauchen eine Künstler*innen-Sicherung, die unbürokratisch und verlässlich monatliche Unterstützung gewährt, bis die behördlichen Maßnahmen wieder eine reguläre Arbeitsaufnahme ermöglichen.   

    Für gemeinnützige Kultureinrichtungen gibt es bis dato keine finanziellen Zuschüsse, um die Krise zu überstehen. Ankündigungen, dass vielleicht Mitte Juni ein Fonds für NPOs startet, zahlen keine offenen Rechnungen. Jeder dritte Kulturverein droht in den nächsten zwei Wochen dauerhaft zusperren zu müssen, wenn nicht schnell etwas passiert, wie eine Umfrage der IG Kultur Österreich gezeigt hat.
     
  • Sofortige Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten und Planungsperspektive 

    Abgesehen von vagen Ankündigungen gibt es keine verlässlichen Vorgaben, ab wann und unter welchen Bedingungen wieder künstlerische Arbeit möglich ist, geschweige denn Veranstaltungen in Kultureinrichtungen. Gleichzeitig schaffte man es, für Bauwirtschaft bis Gastronomie detaillierte Empfehlungen mit weit flexibleren Vorgaben vorzulegen als jene, die für Kultur stets kolportiert wurden. Dieses Messen mit zweierlei Maß ist nicht nur schockierend, sondern auch entlarvend für den Stellenwert, der Kultur beigemessen wird. Es braucht dringend klare Vorgaben, an denen sich alle im Kulturbereich orientieren können, um wieder Arbeiten und entsprechende Vorbereitungen treffen zu können – von der Wiederaufnahme der Probentätigkeit über Personal bis zur Implementierung der erforderlichen Hygiene- und Sicherheitsbestimmungen in den entsprechenden Veranstaltungslokalitäten.
     

  • Vorausdenken, Sicherheiten herstellen und weiteren Schaden abwenden 

    Wir fahren derzeit auf Sicht. In einer Situation, die keine Vergleiche kennt, geht es aus nachvollziehbaren gesundheitspolitischen Prioritäten nicht anders: Maßnahmen setzten, zwei Wochen warten, Maßnahmen evaluieren und re-evaluieren. Das heißt aber auch, dass keine Planungssicherheit möglich ist bis wir einen Impfstoff und eine entsprechende Durchimpfung, oder zumindest ein Medikament haben. Sprechen sie es aus: Es gibt keine Planungssicherheit. Bestenfalls kann es Planungsperspektiven geben, die jederzeit wieder revidiert werden können. Was es aber sehr wohl geben kann, ist finanzielle Sicherheit für all jene, die wieder arbeiten wollen und dafür planen müssen. Kunst- und Kulturproduktionen brauchen Vorlaufzeiten, die entsprechend Kosten verursachen. Die Regierung ist gefordert, Planungen zu ermöglichen indem sie Sicherheiten gibt für den Fall, dass wieder Einschränkungen umgesetzt werden müssen. Das Risiko behördlicher Einschränkungen darf nicht auf die Betroffenen ausgelagert werden. Es braucht Garantien, dass jene, die wieder Kulturproduktionen und -veranstaltungen planen wollen, nicht Gefahr laufen auf sämtlichen Kosten sitzen zu bleiben oder darauf hoffen müssen, dass irgendwann ein Anteil der Kosten bzw. des Verdienstentgangs ersetzt wird. Dazu braucht es auch klare Vorgaben für Ausfallhonoraren. Und es braucht diese Garantien nicht nur für einige Monate, sondern für die gesamte Dauer, in der behördliche Einschränkungen erforderlich sind.
     

  • Begleitendes Konjunkturpaket für Neustart auf Schiene bringen

    All diese Maßnahmen kosten Geld und sichern damit, dass tausende Künstler*innen und Kultureinrichtungen überhaupt durch die Krise kommen. Dies ermöglicht aber noch keinen Neustart. Es müssen begleitende Maßnahmen entwickelt werden, die eine Wiederaufnahme des Betriebs sichern und das Vertrauen des Publikums stärken – von Investitionsprogrammen, um erforderliche Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen in den Kultureinrichtungen umzusetzen, über den Ausbau von Arbeitsstipendien für Künstler*innen und Kulturinitiativen, bis zu Steuermaßnahmen wie einer Senkung der Umsatzsteuer und der Schaffung der Absetzbarkeit von Spenden für alle Kultureinrichtungen.
     

  • Kontinuierlichen Dialog mit der Szene und ihren Vertretungen als Grundprinzip 

    Dialog muss grundsätzlich geführt werden - und nicht nur auf Zuruf über medial transportierten Protest. Ein ständiges, transparentes Dialogforum mit den Betroffenen und ihren Vertretungen muss etabliert werden. Dies betrifft nicht nur das akute Krisenmanagement, sondern vor allem die dahinter liegenden Probleme, die viel zu lange ignoriert wurden und nun in der Krise umso deutlicher hervortreten: Prekäre Arbeitsbedingungen, fehlende Mindeststandards der Entlohnung (Stichwort: Fair Pay), unklare Vertragssituationen, eine Sozialversicherung die den komplexen Arbeitsrealitäten nicht gerecht wird, Förderstrukturen, etc. Wir müssen aus den Lektionen der Krise lernen und Kulturpolitik neu denken. 

 

Wir appellieren daher dringend an Sie, ihr Versprechen an die österreichische Kulturszene endlich in die Tat umzusetzen.

 

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