Soziale Lage der Künstler*innen: Gesetzesentwürfe in Sicht

Noch vor dem Sommer sollen Gesetzesentwürfe präsentiert werden: einerseits zur Sozialversicherung, andererseits zum Schauspieler*innengesetz. Für die Beschlussfassung wird der Herbst, für das Inkrafttreten der Jahresbeginn 2011 angestrebt.

Galt im Frühsommer 2009 noch die Devise, dass der Arbeitsprozess der interministeriellen Arbeitsgruppen (IMAG) zur Verbesserung der sozialen Lage der Künstler*innen zum Jahresende 2009 abgeschlossen sein sollte, ist nun längst kein Ende in Sicht. Und das ist gut so – jedenfalls solange es regelmäßig Zwischenergebnisse gibt, die sich in realen Veränderungen des Status Quo manifestieren.

Seit April 2009 sind u. a. Vertreter*innen des Kulturrat Österreich und diverser IGs an IMAG-Sitzungen beteiligt, die bislang zu acht verschiedenen Themen stattgefunden haben. Doch ist – wie Ministerin Schmied in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen wissen ließ – die IMAG-Arbeit auch ministeriumsseitig längst nicht auf jene Sitzungen beschränkt, die unter Einbeziehung der Interessenvertretungen stattfinden. Darüber hinaus „gab und gibt es“, so der Antworttext, „eine Vielzahl von bilateralen Gesprächen unter Verwendung modernster Management- und Kommunikationstechnologien“. Insgesamt sei die Arbeit der IMAGs ein auf die gesamte Legislaturperiode hin angelegter Prozess.

Nun stehen erste konkrete Maßnahmen bevor. Noch vor dem Sommer sollen Gesetzesentwürfe präsentiert werden: einerseits zur Sozialversicherung, andererseits zum Schauspieler*innengesetz. Für die Beschlussfassung wird der Herbst, für das Inkrafttreten der Jahresbeginn 2011 angestrebt.

Geplant: Servicezentren und Ruhendmeldung der künstlerischen Tätigkeit
Die angepeilten Ziele: (1) Servicezentren für Künstler*innen (und andere von Mehrfachbeschäftigung und/oder -versicherung Betroffene). Die Servicezentren sollen bei den Sozialversicherungsanstalten der gewerblichen Wirtschaft (SVA) eingerichtet werden und für generelle Auskunft und Beratung zu Sozialversicherungsfragen (zu allen Versicherungsträger*innen) sowie zum Zusammenspiel von Arbeit und Arbeitslosenversicherung wie auch zum Künstler*innensozialversicherungsfonds (KSVF) zuständig sein und bei der bürokratischen Abwicklung unterstützen (bzw. Teile davon abwickeln). (2) Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, selbstständige künstlerische Tätigkeit „ruhend“ zu melden, sodass es zu einer Unterbrechung der Pflichtversicherung kommt und in Phasen der Erwerbslosigkeit Arbeitslosengeld bezogen werden kann (erworbene Ansprüche vorausgesetzt). Seit 1.1.2008 ist ja das Bestehen einer Pflichtversicherung (z. B. aufgrund selbstständiger Tätigkeit) ein Ausschlussgrund von Ansprüchen aus der Arbeitslosenversicherung – was etliche Künstler*innen bereits den Anspruch auf Arbeitslosengeld gekostet hat. Anders als bei Gewerbetreibenden (die ihren Gewerbeschein ruhend stellen können) sind für so genannte Neue Selbstständige vorübergehende Unterbrechungen der Pflichtversicherung bislang nicht möglich. Dahinter steckt der Grundgedanke, dass einkommenslose Phasen nicht per se als arbeitslose Phasen gelten, sondern als ein (typisches) Merkmal selbstständiger Erwerbsrealität, während denen Auftragsakquisition und Betriebsausgaben üblicherweise dennoch weiterlaufen. An diesen Grundsätzen wird auch in Zukunft nicht gerüttelt, doch soll es für Künstler*innen die Möglichkeit geben, bei einer dritten Stelle – wie dies die Gewerbetreibenden bei der Wirtschaftskammer tun können – die künstlerische Tätigkeit ruhend zu melden. Voraussetzung ist, dass diese tatsächlich vorübergehend nicht ausgeübt wird. Als solche Anlaufstelle für die Ruhendmeldung ist der KSVF vorgesehen.

Bei der Überarbeitung des Schaupieler*innengesetzes ging es ursprünglich (und die längste Zeit in den Verhandlungen) um zweierlei: (a) Anpassung des Gesetzestextes an heute geltende arbeitsrechtliche Bestimmungen und an EU-Vorgaben (die Grundfesten des Gesetzes stammen aus dem Jahr 1922!); (b) Schaffung von Rechtssicherheit bzw. Erweiterung des Geltungsbereichs (z. B. auf Filmschauspieler*innen). Letzteres steht zurzeit auf der Kippe – und ein Scheitern wird letztlich nicht nur dem Widerstand der Arbeitgeber*innenseite zuzuschreiben sein, sondern auch der AK, die nach anfänglicher Befürwortung zuletzt eine Kehrtwende gemacht hat. Damit müssen diese weiterhin auf arbeitsrechtliche Grundsatzbestimmungen warten.

Neu: Schmied wird über IMAGs sprechen
Diese Gesetzesnovellen und alle Maßnahmen (aus den angebotsreichen Forderungspaketen der Interessenvertretungen), die bislang sonst noch interministeriell ausverhandelt werden konnten, werden uns im Detail auf einer IMAG-Zwischenresümee-Sitzung am 15. Juni von den beiden maßgeblichen Minister*innen Schmied und Hundstorfer präsentiert. Diese Sitzung soll – wie schon bisher üblich – nicht öffentlich sein. Wir gehen aber (noch) davon aus, dass insbesondere Ministerin Schmied, die ja auch für Kunst zuständig ist, in diesen Tagen auch erstmals öffentlich erklärt, mit welchen Maßnahmen sie die soziale und ökonomische Lage der Künstler*innen verbessern wird.

Die Befürchtung, dass sich Ministerin Schmied die Latte nicht allzu hoch legt und die geplanten Maßnahmen kaum weitreichender sind, als die bisher bekannten, ist allerdings auch nicht aus der Luft gegriffen. Denn zuletzt ließ Schmied in der parlamentarischen Anfragebeantwortung zum Thema verlauten, dass die IMAG „bereits jetzt als Erfolg verbucht werden“ kann. Die Erfolge werden allerdings an den zukünftigen Einkommensverhältnissen und Arbeitsmöglichkeiten von Künstler*innen zu messen sein.

Anmerkungen
Siehe zum Thema auch: Christl, Clemens/Koweindl, Daniela (2009): „Wenn du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis“. In: Kulturrisse 4|09, S. 44-47

Kulturrat Österreich (Hg.in) (2010): Selbstständig – Unselbständige – Erwerbslos. Infobroschüre für Künstler*innen und andere prekär Tätige. Wien (Download Kulturrat)

Link
Die Soziale Lage der Künstler*innen verbessern: Interministerielle Arbeitsgruppen (Überblick und Textesammlung): Brennpunkte: IMAG

Clemens Christl arbeitet für den Kulturrat Österreich.

Daniela Koweindl ist kulturpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst.

Beide haben regelmäßig an IMAG-Sitzungen teilgenommen.

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