Theorien des Comics. Ein Reader

Comics waren hierzulande bis vor einigen Jahren ein Nischenprodukt – für Kinder und Nerds. Bekanntlich wurden Länder wie Frankreich und Japan mit ihrer Comicvielfalt von dieser Kulturignoranz verschont.

Comics waren hierzulande bis vor einigen Jahren ein Nischenprodukt – für Kinder und Nerds. Bekanntlich wurden Länder wie Frankreich und Japan mit ihrer Comicvielfalt von dieser Kulturignoranz verschont. Graphic Novels, die in Buchformat und edlem Design erscheinenden Bildgeschichten, eröffnen nun den gezeichneten Erzählungen eine neue Leser_innenschaft und den Verlagen einen neuen Markt.

Die Auseinandersetzung mit dem Comic als Kulturprodukt in den Wissenschaften existiert schon lange und wurde sicherlich durch das Aufkommen der Cultural Studies und ihrer Auseinandersetzung mit der Alltagskultur positiv beeinflusst. Der vorliegende Band versammelt nun Artikel aus der internationalen Comicforschung mit sehr spezifischen Fragestellungen, zusammengefasst in vier Abschnitte: Der Bereich Intermedialität setzt sich mit den Möglichkeiten und Grenzen des Mediums Comic auseinander. Lucia Marjanovic analysiert beispielsweise „Literaturadaptionen in Walt Disneys Lustigen Taschenbüchern“. Seit Beginn der monatlich erscheinenden Comicbücher werden Klassiker_innen wie „Cyrano de Bergerac“ oder „James Bond: Goldfinger“ mittels Donald Duck, Micky Maus und Co parodiert, nachgebildet oder neu interpretiert. Der Artikel liefert einen vollständigen Überblick, in welcher Ausgabe welcher Stoff in Entenhausen neu bearbeiten wurde.

Der Abschnitt Techniken des Erzählens geht dem Diskurs um die ästhetischen Möglichkeiten des Comics nach. Felix Strouhals Beitrag „Stream of Comicness. Chris Wares Erzählen in einem Medium zwischen Massentauglichkeit und Exklusivität“ setzt sich mit dem US-amerikanischen Künstler Chris Ware auseinander: „Cartooning is not really drawing at all, but a complicated pictorial language, intended to be read, not really seen!“ (Ware in Strouhal, S. 161) Chris Ware wird gerne mit James Joyce verglichen: ebenso avantgardistisch, komplex und intellektuell, wobei Ware anders als Joyce den Anspruch verfolgt, allgemein verständlich zu sein. Der Artikel beleuchtet dieses Spannungsfeld.

Das Kapitel Visuelle Politik und Gedächtniskultur setzt sich mit der Vermittlung komplexer, politischer Inhalte durch Bildergeschichten auseinander. Der Beitrag von Florian Schmidlechner „Der Jude mit der roten Badehose. Jüdische Helden, Stereotype und Antisemitismus im Trickfilm bis 1945“ beispielsweise betrachtet einen bislang wenig erforschten Teil der Trickfilmgeschichte. So ließen in den 1930er Jahren die Disney Studios unter großem Amüsement des Publikums unter anderem Mickey Maus als Karikatur eines chassidischen Juden auftreten. Die Produktionen Superman und Betty Boop der Fleischer Studios wurzeln dahingegen in jüdischen Emigrationsgeschichten. Superman kämpft 1940 sogar gegen die Nazis.

Der Abschnitt Queere Sichtbarkeiten und dissidente Praktiken setzt sich mit anti-heteronormativen Comic-Erzählungen auseinander und beleuchtet, inwiefern Comics an der Auflösung des bipolaren Geschlechterprinzips beteiligt sein können. So betrachten Rosa Reitsamer und Elke Zobl „Queer-feministische Comics. Produktive Interventionen im Kontext der Do-It-Yourself-Kultur“. Für den Artikel wurden Zeichner_innen interviewt, die sich selbst in einem (herrschafts-)kritischen Feld verorten und unabhängig von kommerziellen Strukturen produzieren und vermarkten. Im Reader finden sich darüber hinaus Beiträge von Martina Rosenthal, Gilad Padva, Susanne Lummerding, Mark McLelland u. v. m.

Poptheorie at its finest!

Barbara Eder, Elisabeth Klar, Ramón Reichert (Hg.): Theorien des Comics. Ein Reader. Bielefeld: transkript 2011

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