Neonazi-Subkultur – Menschenverachtung neu gestylt

Wie rechtsextreme Symbolik ins wanken bringen? Das Projekt Storch Heinar nutzte Humor, um das braune Modelabel Thor Steinar anzugreifen. Durch humorvolle Umformung dessen Symbolik gelang es, einiges an medialem Aufsehen zu erzeugen. Die Firma aus dem rechtsextremen Eck versuchte – erfolglos – vor Gericht gegen die Polit-Satire vor zu gehen.

Brainbuster

Jugendkulturen und politische Bewegungen entwickeln eigene Symbolsprachen. Diese ermöglichen es, gleichzeitig Zusammengehörigkeit nach innen, wie auch Positionierung/Abgrenzung nach außen zu erreichen. Diese Codes sind für Menschen außerhalb der Subkultur meist nicht sichtbar beziehungsweise oftmals schwer lesbar. Auch rechtsextreme Gruppierungen verwenden Symbolik als Agitationsmöglichkeit. Die Neonazis im deutschsprachigen Bereich waren in den 1990igern meist durch ihre Glatzen, Bomberjacken und hohen Springerstiefel mit weißen Schuhbändern auf der Straße erkennbar. Diese, auch von Medien leicht zu erkennende Subkultur wurde alsbald mit Gewaltbereitschaft und Neonazismus assoziiert, was ihre Handlungsspielräume massiv einschränkte. Die Neonaziszene entwickelte sich jedoch weiter, und es entstand Anfang der 2000er-Jahre ein Netzwerk aus Musiklabels, Konzertveranstalter_innen, Shops, die rechtsextreme Lifestyle-Accessoires verkauften, und auch Bekleidungsfirmen, die sich auf diese Zielgruppe spezialisierten. In manchen Gegenden Deutschlands entwickelt(e) sich eine rechtsextreme Subkultur, die alle Lebensbereiche erfasst. Neonazi-Bandnamen halten Einzug ins Allgemeinwissen, Neonazi-Lifestyle wird immer normaler, dass Konzept der „national befreiten Zonen“ wird bedrohliche Wirklichkeit.

Autonome Nationalist_innen – wtf?: Diese Ausdifferenzierung der Neonaziszene kurbelte gleichzeitig auch braune Firmennetzwerke kräftig an. Abseits der rechtsextremen Parteien entwickelten sich lose organisierte, freie Kameradschaften. Diesem Milieu entsprang auch eine neue Aktionsform: „autonome Nationalist_innen". Sie traten Anfang der 2000er-Jahre vermehrt in Erscheinung, klauten bei den linksradikalen Autonomen hemmungslos Kleidungsstil, Symbolik, bis hin zu Aktionsformen bei Demonstrationen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten in der konservativen Neonaziszene akzeptiert zu werden, schafften sie es aber, sich ihren Platz zu erkämpfen. Sie sind in den letzten Jahren fixer Bestandteil jedes größeren Neonazi-Aufmarschs in Deutschland.

Kopiere deine Feindbilder?: Autonome Nationalist_innen haben enorm viel von den Feindbildern des klassischen Rechtsextremismus übernommen. Es ist schwer verständlich, wie eine derart politische Hybridität für das eigene Weltbild aushaltbar ist. Gepiercte, langhaarige Neonazis mit Baseballkappen und vollgepinnt mit Buttons? Dieses nach außen hin modernisierte Auftreten, kombiniert mit immer noch ewiggestrigen, menschenverachtenden politischen Inhalten bietet den Träger_innen die Gelegenheit, ihre Ideologie öffentlich zur Schau zu stellen, ohne hierbei jedoch in den Fokus gesellschaftlicher Ächtung zu geraten. Was es wiederum möglich macht, junge Menschen leichter erreichen zu können, mit dem Ziel der braunen Nachwuchsförderung.

Wie rechtsextreme Symbolik ins wanken bringen? Das Projekt Storch Heinar nutzte Humor, um das braune Modelabel Thor Steinar anzugreifen. Durch humorvolle Umformung dessen Symbolik gelang es, einiges an medialem Aufsehen zu erzeugen. Die Firma aus dem rechtsextremen Eck versuchte – erfolglos – vor Gericht gegen die Polit-Satire vor zu gehen. Humor und Kreativität sind oft eine gute Möglichkeit, um rechtsextreme Strukturen anzugreifen, sie zu verunsichern. Ein weiter Ansatz wäre es, Symbolik, Begriffe oder auch Modemarken, die von Neonazis missbraucht werden, zurückzuerobern. Gleichzeitig ist politische Aufklärungsarbeit nach wie vor sehr wichtig, um den Neonazis möglichst schnell ihre neuen Tarn-Masken vom Gesicht zu reißen!

¡No pasarán!

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