Publikumsentwicklung im Kultursektor: Mehr als nur die Zahl verkaufter Tickets

Publikum futsch? Wie kommen die Leute zurück? Wie erreiche ich neue Publikumsschichten? Wie wird mein Publikum jünger oder diverser? In der sich ständig wandelnden Kulturlandschaft wird Publikumsentwicklung immer wichtiger. Aber was genau versteht man darunter? In einem aufschlussreichen Gespräch erläutert Jonathan Goodacre von der Audience Agency in London und ein Experte auf diesem Gebiet, die Feinheiten und Herausforderungen der Publikumsentwicklung im Kultursektor.

Publikumsentwicklung

Publikumsentwicklung ist nicht einfach ein Tool des Marketing, es geht weit darüber hinaus. Es geht um einen ganzheitlichen Ansatz, der die gesamte Organisation einbezieht und darauf abzielt, die Beziehung zwischen Kultureinrichtungen und ihrem Publikum neu zu definieren und zu vertiefen: "Es geht auch stark darum, dieses Publikum zu diversifizieren, eine bessere Repräsentation von Menschen aus der Gesellschaft zu erreichen, und nicht nur die gleichen Leute anzusprechen, die ohnehin ständig zu künstlerischen Veranstaltungen kommen,“ erklärt Goodacre. Es geht also nicht nur darum mehr, sondern vor allem welche Leute man erreicht. 

Ziele der Publikumsentwicklung können sein:


•    Diversifizierung des Publikums
•    Aufbau von Loyalität bei bestehenden Besuchern
•    Gewinnung von Spendern oder Sponsoren

 


Ein Schlüsselelement der Publikumsentwicklung ist das tiefgreifende Verständnis für das Publikum. Dabei geht es nicht nur um demografische Daten, sondern auch um Verhaltensweisen, Einstellungen und Bedürfnisse. Goodacre betont: "diese Menschen zu verstehen ist absolut entscheidend. Es geht auch darum, dies auf eine differenziertere Art und Weise zu tun, als nur über die üblichen demographischen Kategorien". Segmentierung sollte nicht nur auf demografischen Daten basieren, sondern auch Verhaltensweisen, Einstellungen und Bedürfnisse berücksichtigen.

Wichtig ist das Verständnis für das Publikum neben demographischen Daten: 


•    Wer sind sie? 
•    Was interessiert sie? 
•    Was sind ihre Bedürfnisse?

 


Interessanterweise müssen Kultureinrichtungen für eine effektive Publikumsentwicklung nicht unbedingt große Budgets für Marktforschung haben. Goodacre schlägt kreative Lösungen vor, wie einfache Feedback-Formulare, Beobachtungen des Personals oder die Nutzung von Social-Media-Plattformen oder Analytics Tools für die Website, um Einblicke in das Publikum zu gewinnen. Der Experte teilt auch ein inspirierendes Beispiel eines Theaters in Kopenhagen, das durch innovative Ansätze neue Zielgruppen erschloss, indem es eine Plattform schuf, in der Leute sich kennenlernen und gemeinsam Veranstaltungen besuchen, die zuvor zwar interessiert waren, aber alleine nicht gehen wollten. Dies zeigt, wie wichtig Kreativität und Flexibilität in der Publikumsentwicklung sind.

Soll Publikumsentwicklung klappen, muss es ganzheitlich gedacht werden, die gesamte Organisation einbeziehen und nicht von einer Abteilung oder einer zuständigen Person ausgehen. Auch die Bedeutung des Austauschs zwischen Kultureinrichtungen ist nicht zu unterschätzen. Durch das Teilen von Erfahrungen und Best Practices können Institutionen voneinander lernen und ihre Strategien zur Publikumsentwicklung verbessern. Publikumsentwicklung ist somit nicht nur eine Marketingstrategie, sondern eine umfassende Philosophie, die das Potenzial hat, Kultureinrichtungen nachhaltiger und inklusiver zu gestalten. Es ist ein kontinuierlicher Prozess des Lernens, Anpassens und Innovierens - ganz im Sinne der Kunst und Kultur selbst. 

Genau darum geht es im Projekt FULCRUM. Die IG Kultur liefert eine Plattform für den Austausch, arbeitet aber auch gezielt daran, Trainings für zu entwickeln und den Mitgliedern diese Ressourcen zur Verfügung zu stellen. 

 

Beitrag als Podcast: 

 

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