Kunst oder Klima?

"Tod oder Leben!" ist der Titel des beschütteten Klimt Gemäldes im Leopold Museum -und der Titel der Diskussionsveranstaltung über fehlenden Klimaschutz und die Rolle von Kunst und Kultur im Kunsthaus Graz, veranstaltet in Kooperation mit der IG Kultur Steiermark. Der Fokus war jedoch weniger auf den Aktionen und deren Legitimation, sondern mehr darauf, was Kunst und Kultur für den Klimaschutz leisten können - oder müssen. 

Klimaschutz Kultur

Das Kunsthaus Graz hat sich diese Frage gestellt und damit ihre Räume für das Thema geöffnet. Dazu bewogen hat sie die „kollektive Verdrängung“, die die Gesellschaft seit Monaten zeigt. Trotz der Proteste auf den Straßen und Aktionen in Museen dreht sich die öffentliche Debatte mehr um die Legitimität der Aktionsformen, denn um das zugrunde liegende Problem, das unsere Lebensgrundlage bedroht. Gleichzeitig geht die Polizei brachial gegen die friedlichen Proteste vor – in einer Art, die man bei den Coronaleugner Demos, die den ganzen Tag Innenstädte lahmlegten, nie gesehen hat. Teilweise kam es zu präventiven Verhaftungen, wenn davon ausgegangen wurde, dass Aktivist*innen auf dem Weg zu Aktionen sind. Die Politik übt sich unterdessen in leeren Drohgebärden über Terrorparagrafen und Entschädigungszahlungen. Die Perspektive lässt also wenig Grund zur Hoffnung. 

„Ohne Kunst und Kultur werden wir es da nicht mehr rausschaffen. Man braucht das Emotionalisierende, um Aufmerksamkeit zu generieren, sonst kommt man an die Menschen nicht mehr ran!“ bringt Anja Windl die Intentionen der Letzten Generation auf den Punkt. Ende letzten Jahres hat eine Aktion auf dem Feld der Kultur für großes Aufsehen gesorgt, als es um das Thema eigentlich bereits ruhig geworden war: Der Klimaaktivist Florian Wagner beschüttete die Plexiglasscheibe vor dem Bild „Leben und Tod“ von Klimt im Wiener Leopold Museum. Die Aktion sollte in erster Linie Aufmerksamkeit erzeugen. Das Leopold Museum war aufgrund seiner Zusammenarbeit mit der OMV kein zufällig gewählter Ort. Direktor Wipplinger kritisierte die Aktion, monierte Schäden (obwohl bewusst ein geschütztes Gemälde für eine symbolische Aktion gewählt wurde), stand mit seiner kritischen Haltung gegenüber dem Klima-Aktivismus im Kunstfeld aber größtenteils allein da. Ich habe unmittelbar danach viele Mitglieder der IG Kultur durchtelefoniert, die im musealen Bereich tätig sind und bin durchgängig auf Verständnis und Fürsprache für das wichtige Anliegen des Klimaschutzes gestoßen – in der freien Szene gibt es allerdings auch kaum Sponsoring durch Ölkonzerne. Das Leopold Museum hat ein paar Monate später einen Marketing-Stunt versucht, indem es Bilder schief hängen ließ, um auf das Problem der Erwärmung hinzuweisen (die Grad der Schräge sollten auf jene der Erwärmung hinweisen). Die Aktion war gewiss gut gemeint. Da man die Zusammenarbeit mit der OMV jedoch nicht überdacht hat, hat es dem Museum aber mehr Hohn denn Respekt eingebracht. 

Abgesehen von der fragwürdigen Glaubwürdigkeit im Falle des Leopold ist der Gedanke aber nicht schlecht. Florian Wagner erhoffte sich mit seiner Aktion nämlich durchaus, dass gerade im Kunst- und Kulturfeld ein kreatives Momentum entsteht: „Ich hoffe, dass bei Kunst- und Kulturschaffenden eine Lust entstehen kann, an der Gestaltung der Transformation mitzuwirken“, erzählte er uns im Interview. „Wenn ich nicht denken würde, dass Kunst und Kultur etwas bewegen kann, würde ich nicht hier sitzen“, sagt Andreja Hribernik, Direktorin vom Kunsthaus Graz. Zum einen kann Kultur selbst klimaneutral werden, sich um entsprechende Beleuchtung, Belüftung, Anreisemöglichkeiten, Catering und so weiter kümmern. Bei aller gebührender Selbstkritik ist der Sektor aber beispielsweise im Vergleich Verkehr oder Industrie nicht gerade eine große Nummer – schon gar nicht wenn man die freie Szene getrennt betrachtet. Man möchte freilich seinen Anteil leisten und eine Vorbildwirkung ist nicht zu unterschätzen. Die größte Stärke liegt aber ohnehin in dem Potenzial Menschen zu erreichen und zu bewegen. Sei es dadurch, Irritationen zu erzeugen oder dadurch, Diskussionsformen zu erdenken, Räume zu schaffen oder Experimentierfelder zu eröffnen, in denen andere Wege des Arbeitens und Lebens erprobt werden können. 

Das Thema Klimaschutz ging leider weitgehend am Kulturbereich vorbei, als Teenager mit Friday for Future bereits für Furore sorgten. Nun sorgt die Letzte Generation für Schlagzeilen – ausgerechnet auf dem Feld der Kunst und Kultur – und mit unseren Mitteln. Es hat den Anstoß des Klima-Aktivismus auf unserem eigenen Feld gebraucht, um die Kultur wachzurütteln und ins Handeln zu bringen. Das sollte noch weitere Steine anstoßen: „Die Klimakrise stellt das gesamte Business as usual in Frage. Jedes Jahr kommen mittlerweile neue umweltbezogene Extremsituationen dazu, gleichzeitig haben wir einen Bundeskanzler der einen Klimaleugner zitiert. Was daraus jetzt wird, ist ungewiss, aber es hat auch auf alle Ebenen von Kunst und Kultur Folgen“, so der Kurator Heinz Wittenbrink. Wir können uns an dieser Stelle also getrost fragen, ob wir die Zukunft überhaupt noch haben werden, für die wir Gemälde aufbewahren oder ob wir sie gleich selbst mit Suppe bewerfen können. Eigentlich wäre es genau unsere Expertise, wachrüttelnde Aktionsformen zu entwickeln, kreativ zu sein, auch wenn es nervig ist, um auf wichtige Themen aufmerksam zu machen, zum Nachdenken anzuregen oder auch neue Wege auszuprobieren. Die Notwendigkeit gab es schon länger. Jetzt sollten wir auch genug Inspiration haben. 

 

 

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