Klimaschützer Florian Wagner: „Ich hoffe, dass bei Kunst- und Kulturschaffenden eine Lust entstehen kann, an der Gestaltung der Transformation mitzuwirken.“
Florian Wagner hat im Leopold Museum ein hinter Plexiglas geschütztes Gemälde mit Öl beschüttet. Am Kunstwerk ist kein Schaden entstanden. Diese und weitere Aktionen der „Letzten Generation“ haben es geschafft, das Thema Klimaschutz wieder in die Medien zu bringen. Doch über das Problem dahinter oder die Anliegen wird kaum diskutiert. Zuletzt wurden die Aktivist*innen sogar in das Licht von Extremismus gestellt. Zeit den Diskurs geradezubiegen. Wir haben mit Florian Wagner gesprochen.
Warum Kunstwerke bewerfen?
Im ersten Moment ist man erschüttert und fragt sich: Warum wird jetzt die Kunst attackiert? Warum das Museum, das für eine offene Gesellschaft steht und wo sich alle Menschen an der Kunst erfreuen können? Wenn man hier stehen bleibt, wird man dagegen sein. Aber es tut sich auch etwas in den letzten Wochen. Auch in meinem unmittelbaren Umfeld haben viele Menschen die Aktion erst nicht verstanden. Mittlerweile sehen sie aber, dass das Museum nur die Bühne ist.
Wir haben das nicht gemacht, weil wir das Gemälde attackieren wollten. Das Museum ist nicht Ziel der Kritik. Es ist eine Inszenierung und wir nutzen die mediale Logik aus, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Wir halten es nicht mehr aus, dass diese Krise verdrängt und ignoriert wird. Uns geht es darum, dass scheinbar wenige Menschen emotional verstanden haben, was diese Krise eigentlich bedeutet. Die Extinction Rebellion Bewegung in Großbritannien hat vor ca. zwei Jahren gemerkt, dass die üblichen Dinge, die sie so gemacht haben, nicht funktionieren. Dann haben sie verschiedenste Aktionsformen ausprobiert. Vor allem die Straßenblockaden im Berufsverkehr und die Kunst-Anschüttungen haben besonders viel Medienecho ausgelöst. Es ist schon merkwürdig, da versucht man vernünftige Vorschläge zu machen und niemand hört zu. Dann schüttet man zwei Liter Öl auf eine Glasscheibe und man wird wochenlang täglich zu Interviews eingeladen. Das hat auch mit dem System Medien zu tun.
Ist es ein Hilferuf, weil die sonstigen Mittel nicht effektiv waren?
Ich fühle mich selbst überhaupt nicht verzweifelt, ich bin einfach grantig. Warum soll ich Verantwortung für etwas übernehmen, wofür Regierungen zuständig sind. Es steht in der Verfassung, dass die Bevölkerung von den gefährlichsten Bedrohungen zu schützen ist. Eine seit 40 Jahren von der Wissenschaft belegte Bedrohung wird einfach ignoriert. Wir sollten uns das nicht gefallen lassen. Ein bißchen Öl auf eine Glasscheibe zu werfen ist ziemlich besonnen und zurückhaltend in so einer Situation. Wir werden als Terroristen und Kunstfeinde dargestellt, aber das ist nur ein Ablenkungsmanöver. Die meisten Leute wollen von den Problemen nichts hören, weil sie sich ohnmächtig fühlen. Was soll ich als Einzelner machen? Ich kann meine letzten Coladosen recyceln, das wird am Leben meiner Enkelkinder aber nichts ändern. Die Regierung muss Verantwortung übernehmen. Als jemand, der sich als Abgeordneter in den Nationalrat wählen lässt, darf ich das nicht verdrängen. Das wollen wir uns nicht gefallen lassen.
Wir bei der letzten Generation haben einen sehr klaren Konsens, dass wir nichts zerstören wollen. Natürlich fragen wir uns auch persönlich, was wir in einem Jahr tun, wenn die Politik noch immer in derselben Verdrängung steckt. Es gibt Eskalationsstufen, wo immer noch nicht mutwillig Schaden angerichtet wird. Es muss wirklich niemand Angst vor uns haben, wird sind friedlich. Es gibt diese Angst, dass es eine Spirale ist, die in Terrorismus endet, einer Art Öko-RAF. Doch die Menschen deradikalisieren sich bei uns wieder, denn sie können aktiv werden, etwas tun.
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Was müsste denn politisch passieren?
Es ist vollkommen verantwortungslos zu warten, bis wir eine Mehrheit der Bevölkerung überzeugt haben. Man muss ja studieren, um diese Zusammenhänge verstehen zu können, Treibhausgase und Co sind abstrakte Konstrukte, sich also vorzustellen, dass es 2050 ganze acht Grad mehr in Wien hat, ist nicht einfach. Wie wird das aussehen? Wie geht es mir dann? Was bedeutet das? Wie ist das in Pakistan, wo es jetzt schon viele Überflutungen gibt. Da kann man nicht einfach sagen, 60% aller Österreicherinnen müssen es verstehen, und dann Klimamaßnahmen fordern oder aufhören Auto zu fahren oder Fleisch zu essen und selbst beginnen, Gebäude besser zu dämmen. Das wird nicht passieren. Die Leute, die in der Verantwortung sind, müssen es der Bevölkerung erklären und handeln.
Wie war dein Weg zum Klimaaktivismus?
Also bei mir hat das im Teenageralter schon begonnen. Damals hat es noch gar kein Bewusstsein dafür gegeben. Dann habe ich Agrarwissenschaften studiert und in der Demeter Landwirtschaft gearbeitet. Ich habe aber gemerkt, dass das nicht funktioniert. Es ist ein Nischendasein, die Leute opfern sich völlig auf, ökologisch verträgliche Landwirtschaft zu machen. Sie bekommen die doppelten Margen, machen eigene Läden und es geht sich trotzdem nicht aus.
Dann bin ich in den Demokratie Aktivismus gekommen. Seit 2015 bin ich in diesem Bereich aktiv und habe Initiativen, Petitionen und Volksbegehren gestartet. Die Politik hat oft sehr trotzig reagiert, Ernst Nevrivy, Bezirksvorsteher der Donaustadt, hat in beim Parteitag der SPÖ Wien die ganze Wissenschaft, die Grünen und die Ökologiebewegung als „Heisln“ bezeichnet, von denen er sich nichts sagen lasse. Da habe ich beschlossen, wir können uns das so nicht mehr gefallen lassen, wir müssen gegen diese Zerstörung der Lebensgrundlagen und gegen diese Verantwortungslosigkeit Widerstand leisten.
Was kann man selbst beitragen?
Es wäre wichtig, sich zu informieren und auch die Angst einmal zuzulassen. Es ist wichtig, das Thema dann nicht gleich wieder wegzuschieben, sondern sich zu fragen: Was bedeutet das für mich persönlich? Dann kommt man glaub ich schnell darauf, was man tun will. Es müssen sich jetzt nicht alle an eine Straße kleben. Man kann am Land zur Bürgermeisterin gehen und Bürger-Energiegenossenschaft einführen, Solaranlage bauen oder einen Bus organisieren, damit die Leute besser zum Bahnhof kommen. Wenn 5-10% der Menschen aus einem Bewusstsein der Krise heraus aktiv wird solche Dinge macht und dann über ihre Sorgen spricht und der Politik sagt, dass sie ihrer Verantwortung nicht gerecht wird, dann wird der Ball ins Rollen kommen.
Ich hoffe, dass bei Kunst- und Kulturschaffenden eine Lust entstehen kann, an der Gestaltung der Transformation mitzuwirken. Das ist ein riesiger Möglichkeitsraum, der in der Zukunft liegt. Alles muss neu gedacht werden. Da braucht es eine Pluralität von verschiedenen Imaginationen, von verschiedenen Möglichkeiten und Richtungen, in die man das entwickeln kann.
Florian Wager hat Agrarwissenschaften studiert und setzt sich für Demokratiebewegungen ein. Er ist Initiator der Initiative für komplementäre Demokratie, Mitarbeiter bei EuropeanPublicSphere, engagiert sich für die European Credit Initiative und für die Klimaschutzgruppe Letzte Generation.