Die Themenpalette, die sich die neue Bundesregierung im Kunst- und Kulturbereich vornimmt, ist umfangreich. Die Zielsetzungen reichen von einer stärkeren Verschränkung der Kultur- und Bildungsarbeit, über ein niederschwellig gestaltetes Kunst- und Kulturleben, mehr Geschlechtergerechtigkeit und besserer Vereinbarkeit, fairer Bezahlung und sozialer Absicherung, digitalen Transformation, Vereinfachung der Förderabwicklung und höherer Planungssicherheit bis zur Stärkung von Kunst und Kultur in den Regionen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Inhaltlich wird vor allem auf Kontinuität gesetzt. Schwerpunkte der vorangegangenen Legislaturperiode sollen fortgeführt und weiterentwickelt werden. Dies trifft ebenso auf die vielfach hervorgehobene stärkere Verknüpfung von Kunst, Kultur und Bildung zu. Auch diese fand sich bereits im letzten Regierungsprogramm, teils fast wortgleich – etwa die Weiterentwicklung der Musikschulen und stärkere Verschränkung und Kooperation zwischen Kulturinstitutionen und Regelschulwesen. Angesichts der durch Krisen stark geprägten letzten Jahre ist diese Kontinuität durchwegs zu begrüßen.
Dennoch lassen sich auch neue Akzente identifizieren: So wird erstmals die Bedeutung von Jugend- und Clubkultur als eigene kulturelle Ausdrucksform hervorgehoben, auf deren Fortbestand durch geeignete Rahmenbedingungen hinzuwirken ist. Ferner wird als eigenes Thema die Stärkung von Kunst und Kultur in den Regionen gesetzt („Stärkung … regionaler Kulturinitiativen als kulturelle Nachversorger in den Regionen“) und die in der Praxis virulente Raumfrage oder eher das Fehlen von leistbaren Räumen für Kulturarbeit – Stichwort Leerstand und Zwischennutzung – aufgegriffen.
Auffallend ist die Betonung der realpolitisch notwendigen Kooperation über Ressortzuständigkeiten und Gebietskörperschaften hinweg. Dies mag zwar im Detail technisch und überschießend für ein Regierungsübereinkommen wirken, die Erfahrung belegt jedoch die Notwendigkeit dies festzuhalten. Nicht nur einmal sind in der Vergangenheit die besten Absichten des Kulturressorts daran gescheitert, dass das federführend zuständige Ressort die Vorhaben nicht aktiv unterstützte. So soll zur Verbesserung der „arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung von Künstlerinnen, Künstlern und Kulturarbeitenden“ eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Nachdem neben Kunst und Kultur auch die Arbeits- und Sozialagenden, als auch das Finanzressort(!), von der SPÖ geleitet werden, erwarten wir eine zügige Vorbereitung konkreter Maßnahmen. Eine weitere Sammlung von Problemstellungen, die bereits zur Genüge vorliegen, wäre nicht akzeptabel. Enttäuschend ist in dem Zusammenhang, dass die Leistungen des Künstler-Sozialversicherungsfonds lediglich abgesichert, anstatt weiterentwickelt werden sollen.
Im Förderwesen ist eine Überarbeitung angekündigt, die Förderungen „transparent, vereinfacht und nachvollziehbarer“ gestalten soll. Welche Änderungen dies in der Praxis konkret bedeutet, bleibt abzuwarten. Wird dies als Selbstbindung für die Förderpraxis und -entscheidungen verstanden, so ist es definitiv zu begrüßen. Die Schaffung höherer Planungssicherheit durch Forcierung mehrjähriger Förderungen sowie Bürokratieabbau für Kleinprojekt-Förderungen sind ebenso zu begrüßen, wenn auch als nicht-bindende Vorhaben formuliert („Prüfung“, „Hinwirken“). Irritierend ist jedoch, dass in diesem Zusammenhang die Einrichtung eines Satellitenkontos Kultur erwähnt wird, „um eine valide Förderdatengrundlage im Kulturbereich“ zu schaffen.
Satellitenkonten dienen dazu, die ökonomischen Effekte bzw. den Beitrag eines Sektors zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung anhand relevanter ökonomischer Kennzahlen umfassend darzustellen. Es besteht definitiv Bedarf, diese Kennzahlen für den Kunst- und Kulturbereich in Österreich regelmäßig systematisch darzustellen. Sollen diese jedoch als Datengrundlage der Förderpolitik herangezogen werden, würde dies einen gefährlichen Systembruch darstellen, der droht die öffentliche Kunst- und Kulturfinanzierung auf eine Wirtschaftsförderung zu reduzieren. Nachdem das Regierungsübereinkommen einen gewissen Auslegungsspielraum zulässt, ist keineswegs gesagt, dass dies auch tatsächlich in dieser Lesart geplant ist. Wir werden jedenfalls die Entwicklungen genau verfolgen.
Bei den vielfältigen, durchwegs ambitionierten Vorhaben bleibt die Frage: Wo werden Prioritäten gesetzt? Aber vor allem: Wird das künftige Kunst- und Kulturbudget die Umsetzung all der geplanten Vorhaben tatsächlich ermöglichen? Werden alle im Regierungsübereinkommen erwähnten Förderschienen und Maßnahmen weitergeführt, alle Infrastrukturprojekte und Bauvorhaben fortgeführt sowie zusätzlich neue Anreize geschaffen, so kostet dies. Und zwar mehr als bisher. Von den budgetären Konsequenzen, die eine „Weiterentwicklung der Fair Pay-Strategie in Richtung Förderbedingung“ hat, ganz zu schweigen. Denn so selbstverständlich es sein muss, dass berufliche Tätigkeit in Kunst und Kultur angemessen entlohnt wird, so selbstverständlich ist auch, dass dies nur bei besserer finanzieller Ausstattung möglich ist. Fair Pay als Förderbedingung zu etablieren ohne gleichzeitig die Budgets entsprechend zu erhöhen, führt in Konsequenz zu einer Ausdünnung des Kulturangebots bzw. -programms. In absehbarer Zeit ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass die Förderbudgets entsprechend steigen werden. Insofern wird die Regierung gut beraten sein, in dieser Frage mit größtmöglicher Sensibilität und Weitsicht vorzugehen.
Leerstelle Budget
Dies ist die bedeutendste Stelle des Kunst- und Kulturprogramms – oder eher die bedeutendste Leerstelle: zur finanziellen Absicherung bzw. zur Wertsicherung der Finanzierungszuschüsse für Aktivitäten und Infrastruktur der freien Szene schweigt das Programm. Lediglich für die Bundeseinrichtungen wird die langfristige finanzielle Absicherung durch mehrjährige Wertanpassung explizit angeführt. Vor dem Hintergrund der angekündigten Einsparungen im Förderwesen, bei denen es zu einer „Redeminisierung von Förderungen“ etwa durch „eine Reduktion der Fördersätze“ kommen soll und perspektivisch im Rahmen einer „Förder-Taskforce“ bis 2027 eine umfassende Reform mit Einsparungseffekten erarbeitet werden soll, ist dies Anlass zur Sorge. Immerhin führt die an die EU-Kommission übermittelte Liste an Sparmaßnahmen zur Budgetkonsolidierung, an deren Umsetzung auch die neue Bundesregierung festhält, explizit Kürzungen des Förderbudgets in Kunst und Kultur an. Wie hoch das Einsparungsziel ist und in welchen Bereichen dieses ansetzten soll, bleibt vorerst offen. Noch ist das Bundesbudget 2025/26 nicht beschlossen.
Es bleibt zu hoffen, dass die neue Regierung ihre eigene Ansage im Regierungsprogramm ernst nimmt: das Kunst und Kultur zu jenen Bereichen zählen, die besonders zur nachhaltigen und inklusiven Entwicklung beitragen und entsprechend in der Förderpolitik zu priorisieren sind.