Wo brennt’s?

Die Transformation von Linz zu Linz 09 begann im Jahr 2005 mit der Bestellung einer Intendanz, alles mögliche an Neuigkeiten wurde versprochen: „Verbindungen“, „Perspektiven“, „Visionen“. Ein „friedvoller Ausnahmezustand“ bis hin zum Jahr des Ereignisses selbst, wenn sich die Stadt nach allerlei Vorgeplänkel als „Gastgeberin für Europa“ verstehen darf, danach der auf „Nachhaltigkeit“ bedachte Rückbau.

Das Kulturhauptstadtevent Linz 09 steht vor der Tür: Nicht nur Baustellen und Absperrungen in der Stadt zeugen davon. Des Öfteren ist auf den Baustellenbeschilderungen der Spruch „Hier wird Linz zu Linz 09“ zu lesen. Die Transformation von Linz zu Linz 09 begann im Jahr 2005 mit der Bestellung einer Intendanz, alles mögliche an Neuigkeiten wurde versprochen: „Verbindungen“, „Perspektiven“, „Visionen“. Ein „friedvoller Ausnahmezustand“ bis hin zum Jahr des Ereignisses selbst, wenn sich die Stadt nach allerlei Vorgeplänkel als „Gastgeberin für Europa“ verstehen darf, danach der auf „Nachhaltigkeit“ bedachte Rückbau. (Alle Begriffe in Anführungszeichen entstammen – wie wohl nicht anders zu erwarten - dem Mission Statement der Linz 2009 GmbH.) Die weitere Entwicklung folgte einer für Großevents typischen Logik, die Tourismus-, Wirtschafts- und Hochkulturkompatibilität des Gesamtkonzepts argumentiert und die auch in den Kulturrissen immer wieder thematisieret wurde. Die freie Szene, in Oberösterreich traditionell stark und nach am Geschehen, die sich zu Beginn durchaus als konstruktiver Teil eines hoffentlich nicht allzu „friedvollen Ausnahmezustands“ gewähnt hatte, musste feststellen, dass der ihr zugewiesene Platz eher einer Art intellektuellem Hamsterrad glich, in dem man sich allzu große Partizipationswünsche mit wechselweisem Impulse geben und Kritik üben abtrainieren kann.

Über die Auswirkungen dieser Transformationen auf die Freie Szene Linz und die Verweigerungtaktiken von KulturpolitikerInnen sprachen die Kulturrisse mit Stefan Haslinger, Teil der Geschäftsführung der KUPF, Vorstand IG Kultur Österreich und Vorstand KV waschaecht, Wels.

Kulturrisse:
Zu Beginn der Diskussion um Linz 09 sah es noch so aus, als wäre die Freie Szene Linz ein wichtiger Bestandteil des geplanten Ereignisses – denken wir z.B. an die Bewerbung, wo ausdrücklich auf die Freie Szene hingewiesen wurde oder auch an die anfänglichen Statements seitens der Intendanz. Wie schaut diese Entwicklung aus der jetzigen Sicht aus?

St. H.: Linz und auch Linz 09 brauchen die Freie Szene. Aber sie benutzen Sie als „Arbeitskräfte“ und – wie es Intendant Martin Heller sinngemäß formulierte – als Reibefläche. Die formulierte Kritik an Linz 09 wird – im präventiven Abfedern – oft als Legitimation hergenommen, auf dem richtigen Weg zu sein. Die Kritik wird zum Qualitätskriterium erhoben, die Friktionen als Notwendigkeit. Wenn sie formuliert wird, braucht es quasi keine weitere Auseinandersetzung mehr. Es ist das eingetreten, was im Trend liegt. Schnelllebiges, Herzeigbares wird forciert und für „gut“ befunden. Jene Sachen, die Auseinandersetzung erfordern, die damit arbeiten, Prozesse sichtbar zu machen, werden abgekanzelt. Diese Systematik betrifft nicht ausschließlich die freie Szene und ist in dieser Pauschalität auch nicht auf das gesamte bekannte Programm umlegbar, aber gerade die Prozesshaftigkeit freier Kulturarbeit steht im Widerspruch zum touristisch verwert- und vermarktbaren Konzept von Linz 09.

Kulturrisse:
Hat sich die Freie Szene Linz von Beginn an als Teil von Linz 09 gesehen? Gab es Tendenzen der Verweigerung?

St. H.: Es bestand, ab der Bestellung der Intendanz im Jahr 2005 die Hoffnung, dass die Freie Szene ein Teil von Linz 09 sein werde. Diese Hoffnung wurde sukzessive geringer, obwohl die endgültige Erkenntnis, dass die Freie Szene kein Schwerpunkt für Linz 09 ist, erst relativ spät eingesetzt hat. Die Freie Szene hat schon sehr früh die kulturpolitische Auseinandersetzung mit der Kulturhauptstadt Linz 09 gesucht, was unter anderem das Positionspapier „Hülle ohne Inhalt“ aus dem Jahr 2004 zeigt. Aber die Kulturpolitik ist darauf nicht eingegangen, wohl aus (berechtigter) Sorge, dass dann (zu) viele Fragen aufgeworfen werden würden, die unangenehm sind. Verweigerung seitens der Freien Szene wurde als Methode diskutiert, und es gibt Initiativen der Freien Szene die sich bewusst heraus halten. Wirklich verweigert haben sich aber die regierenden KulturpolitikerInnen.

Kulturrisse:
Welche Unterschiede in der Arbeitsweise beziehungsweise welche Schwierigkeiten ergeben sich jetzt angesichts dieses kulturellen Phänomens für die Freie Szene?

St. H.: Die Arbeitsweise der Freien Szene ändert sich nicht, ganz pauschal gesagt. Die Schwierigkeit liegt in der Zukunft begründet. Die Frage, wie es in Linz 2010 und in den folgenden Jahren aussehen wird, welche Einschnitte zu befürchten sind, stellt sich ständig und wird – je näher das Jahr 2009 kommt – immer virulenter. Und es gibt die Befürchtungen, dass die (undefinierten) Qualitätskriterien, die sich hauptsächlich an quantifizierbarem Output messen, zur Regel werden. Wobei sich grundsätzlich die Frage stellt, ob es sich bei Linz 09 um ein kulturelles Phänomen handelt. Sicherlich, wenn ich Kultur als die Summe aller Äußerungen begreife, dann ist auch Linz 09 ein kulturelles Phänomen, wenn ich es aber als wirtschaftlich und touristisch weiter verwertbares Standortentwicklungsprojekt begreife, dann ist die Kultur wieder einmal nur Trägermedium, nur die Verpackung für andere Ziele.

Kulturrisse:
Vor kurzem hat die Freie Szene Linz erneut mit einem kritischen Statement aufhorchen lassen: Die Maschine brennt Interessant ist hierbei, dass sich unter den UnterzeichnerInnen sowohl Organisationen befinden, deren Projekte innerhalb von Linz 09 realisiert werden, als auch welche, die nicht mit Projekten vertreten sind. Was bedeutet das für die Solidarität der Freien Szene Linz, die ja gut vernetzt und aktiv ist. Kommt es dadurch zu neuen Zusammenschlüssen bzw. Neudefinierungen, die außerhalb des Offenen Forums Freie Szene Linz passieren?

St. H.: Es war für das Statement „Maschine brennt!“ strategisch unabdingbar, dass auch „TeilnehmerInnen“ bei Linz 09 unterzeichnen. Es sollte nicht die Lesart entstehen, dass sich hier nur diejenigen echauffieren, die „zu kurz gekommen sind“, weil dann wiederum die Qualtiätsdiskussion überhand genommen hätte. Dieser Umstand ist von der Intendanz in bester „schwarz-blauer“- Diktion aufgegriffen worden, indem diesen Organisationen – die Projekte bei Linz 09 realisieren – via Presse vorgerechnet wurde, wie viel sie aus dem Linz 09 Budget lukrieren. Als ob mit der Förderung gleichzeitig ein Kritikverbot verbunden wäre. Ob es zu neuen Zusammenschlüssen kommt, ist eher zu bezweifeln und auch nicht notwendig. Die freie Szene hat mit „Maschine brennt“ jedenfalls ihre (kultur)politische Rolle wieder bestätigt, und auch postulieren können, dass es nicht gelingen wird, diese Kraft zu zersetzen oder zu zerschlagen.

Kulturrisse:
„Maschine brennt“ nimmt die stillschweigende Implementierungen neoliberaler Kriterien ins Visier, und wie diese über Events wie Linz 09 in den kulturpolitischen Alltag eingewoben werden. Kann darin eine neue Methode erkannt werden, mit der seitens der Politik ein konservatives Kultur- und Kunstverständnis reaktiviert wird?

St. H.: Ich würde es nicht auf einen fortschreitenden Konservativismus reduzieren. Wie schon erwähnt, besteht die Befürchtung, dass jene Kriterien, die der Bewertung von Projekten für Linz 09 zu Grunde liegen, zu allgemeinen Förderbedingungen hoch stilisiert werden. Für die Politik ist es immer dankbar, wenn Umwegrentabilität und nachhaltige Vermarktbarkeit gleich bei der Projektkonzeption mitgedacht werden, weil sie dann weniger nachdenken muss. Mit der Implementierung derartiger Kriterien schreitet die Entpolitisierung der Politik voran. Auseinandersetzungen werden nicht gesucht, Konfliktfeldern wird aus dem Weg gegangen. Das, was Kulturpolitik spannend machen könnte, nämlich das Betreten von Konfliktfeldern und der Kampf um Hegemonie, wird zu Gunsten simpel konsumierbarer Belustigung aufgegeben. Das betrifft aber nicht nur ein konservatives Kulturverständnis, sondern bringt ebenso die Debatte nach creative industries und wirtschaftlicher Tragfähigkeit von Kunst und Kultur ins Spiel.

Kulturrisse:
Auch Linz 09 wird einmal vorbei seien: Welche Bedingungen sollten erfüllt werden, damit Nachhaltigkeit nicht nur in zig „Kubikmetern Beton“ gemessen wird? Wie lauten die Forderungen der autonomen Kulturszene Linz, damit Linz 20ff nicht nur mit prekären Arbeitsbedingungen und Ausschluss der Freien Szene aufhorchen lässt?

St. H.: Nachhaltigkeit ist auf dem besten Weg zu einem Unwort, einer Floskel zu verkommen. Gerade im Kontext Linz 09 ist es so, dass Nachhaltigkeit viele unterschiedliche Facetten und Sichtweisen eröffnet. Aus Sicht der Freien Szene gibt es einmal die banale Forderung, dass es keine Verschlechterung geben darf, was die Verteilung der budgetären Mittel angeht. Darüber hinaus hat die freie Szene im Papier „Maschine brennt“ auch darauf hingewiesen, dass Strukturfinanzierung vor Projektfinanzierung gehen muss und dass die Dotierung der Fördertöpfe – die in Linz explizit der Freien Szene zugeordnet sind – erhöht werden muss. Das wären sozusagen die real politischen Forderungen. Als Nachhaltigkeit – wobei das weniger einer Forderung, sondern mehr einem Wunsch entspricht – soll und muss es darum gehen, Kultur wieder zum Thema politischer Debatten zu machen und Konflikte auszugetragen, damit Kultur nicht nur als ästhetisch-hedonistische „Volksbelustigung“ verhandelt wird.

Freie Szene

Noch bleibt Linz verwechselbar.

Hand aufs Herz! Wer erinnert sich eigentlich noch an den Linzer Kulturentwicklungsplan? Dabei wurde der KEP, so das trendbewusste Akronym der auf Modernisierung bedachten Stadterwaltung, noch Ende der neunziger Jahre wie ein flotter Muntermacher gehandelt, der dazu angetan sei, auch anderswo rege Nachahmung zu finden. Und tatsächlich folgten weitere Kommunen dem Musterbeispiel eines partizipativen Verfahrens, das es zum gemeinschaftlichen Ziel erklärte, urbane Zukunftsszenarien zu entwerfen und der Kulturpolitik als Navigations- und Steuerungssystem zu neuer Geltung zu verhelfen. Ohne spektakuläre Weichenstellungen kann daraus nichts werden. Das wussten damals alle, die irgendwie daran beteiligt waren – und dazu zählte auch die Freie Szene.

Ein gerechter Anteil des Kuchens wurde den in ihrer Vielfalt schillernden Initiativen und Projekten in Aussicht gestellt, eine finanzielle Gleichstellung mit den Häusern und Institutionen der Traditions- und Repräsentationskultur. Plötzlich war Nachhaltigkeit in aller Munde, nicht zuletzt im Hinblick auf die Bedeutung offener und soziokultureller Räume. Das letztlich aufwändig bedruckte Papier versprach aber auch die Symmetrie der Geschlechter sowie die gesellschaftliche Relevanz neuer Medien. Linz war im Wettbewerb der Städte den anderen fortan mehr als nur eine Nasenlänge voraus.

Ein knappes Jahrzehnt später zeigt die Stahlstadt eine lange Nase und stellt damit vor allem klar, dass von den Weichenstellungen bestenfalls das Spektakel übrig geblieben ist. Wenige Monate vor Auftakt der europäischen Kulturhauptstadt Linz 2009 blickt die Freie Szene in ein Jammertal. Und ja: Die Maschine brennt! Die Dramatik, die mit einem unter diesem Titel bezeichneten Manifest der Freien Kulturszene zum Ausdruck kommt, hat ihre guten Gründe. Die Verheißungen einer gerechten Teilhabe an den Ressourcen der Stadt haben sich in ihr Gegenteil gekehrt, nun werde den einstmals "kritischen, kritikfähigen, innovativen, experimentell erprobten und bewährten Potentialen" ein Mangel an Internationalität und künstlerischer Qualität attestiert. Die Millionen-Show des fürstlich dotierten Intendanten Martin Heller wirft jedenfalls nicht einmal kleinste Krümel für die Freie Szene ab. So weit so verwunderlich?

Die Stadtverantwortlichen führen der Öffentlichkeit nunmehr Realitäten vor Augen, an die im Netzwerk von Stadtwerk, KAPU, Radio FRO und Time's Up manche offensichtlich nicht glauben wollten. Für sie liegen allfällige Auswegmöglichkeiten nicht in der Agonie oder gar Depression. Nach Monaten und Jahren des fruchtlosen Dialogs ist die über die paralysierende Zahl 2009 hinausreichende Konfrontation mit der Stadt unausweichlich. Den Resolutionen und mahnenden Briefen müssen nun intelligente Interventionen und Manöver folgen. Bis dahin bleibt Linz verwechselbar.

Martin Wassermair

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