re:form strike 3. Ein Kommentar

<p><i>Am 14. Mai fand die erste öffentliche Diskussion des re:form-Papiers statt. Nach einer Präsentation des Papiers wurden auf wechselnden Podien folgende Gäste um eine Stellungnahme ersucht: Marie Ringler (Kultursprecherin der Grünen), Bernhard Denscher (MA 7), Marie Zimmermann (Theaterkuratorin der Wiener Festwochen), Peter Marboe (Stadtrat der ÖVP), Airan Berg (Regisseur und Co-Leiter des Schaupielhaus), Milli Bitterli (Choreografin), Sebastian Prantl (Tanzatelier

Am 14. Mai fand die erste öffentliche Diskussion des re:form-Papiers statt. Nach einer Präsentation des Papiers wurden auf wechselnden Podien folgende Gäste um eine Stellungnahme ersucht: Marie Ringler (Kultursprecherin der Grünen), Bernhard Denscher (MA 7), Marie Zimmermann (Theaterkuratorin der Wiener Festwochen), Peter Marboe (Stadtrat der ÖVP), Airan Berg (Regisseur und Co-Leiter des Schaupielhaus), Milli Bitterli (Choreografin), Sebastian Prantl (Tanzatelier Wien), Josef Szeiler (Regisseur), Johanna Tomek (Theater mbh), sowie Juliane Alton (IG Theater) und Boris Marte (Die Erste Bank)


re:form hat ihren dritten Streich vollzogen und, gar nicht überraschend, dabei viele gewichtige ProtagonistInnen der Kulturpolitik, des Tanzes, des Theaters und der Performance-Kunst angezogen. Zur Erinnerung: das mancherorts als radikal bezeichnete re:form-Papier ist unter üblichen (und auch wieder nicht üblichen) Produktionsweisen entstanden. Üblich daran ist die Freiheit der Produktion, frei von Finanzierung, in unserer Freizeit, denn die Gedanken sind frei, wie es so schön heißt, unüblich die Intensität, die Dauer und auch unter den angegebenen Umständen die relative Präzision und Dichte in puncto struktureller Vorschläge.

Der Verlauf der Diskussion, die den eigenen Vorschlägen folgend in einer dezentralen Architektur stattgefunden hat und darauf abzielte, Kommentare und Reaktionen aneinanderzureihen und zu sammeln, um sie dann in eine Diskussion münden zu lassen, weist einige interessante Brüche bzw. Beschreibungen der Bruchlinien auf. Ein, wie ich meine grundsätzlicher, wichtiger Kommentar kam von Marie Zimmermann, Kuratorin der Wiener Festwochen, zum Verhältnis des bürgerlichen Theaters und dem offenen Begriff der performativen Künste.

Während das eine geprägt ist von Repräsentation und Darstellung, entziehen sich derselben mehr und mehr aktuelle Arbeiten und schlagen sich auf die Seite der Wahrnehmung, korrespondierend mit sozialen Bewegungen, politischen wie auch philosophischen Diskursen. In der Wiener Tanz- und Performanceszene finden sich immer mehr KünstlerInnen, die anfangen, diese Auseinandersetzung mit und in ihren Arbeiten zu suchen. Alle KünstlerInnen, die sich an dieser Schule der Wahrnehmung beteiligen, müssen aber auch gleichzeitig an einer Öffentlichkeit für diese arbeiten, gegen eine 300 Jahre alte Tradition der Darstellung.

Was auffällt, ist aber nicht nur die Frage, gibt es ein Publikum für diese Schule der Wahrnehmung, sondern gibt es allgemeiner eine kulturelle Landschaft, die diese Arbeit an der Öffentlichkeit mitträgt. Dazu braucht es nicht nur die KünstlerInnen, sondern auch KritikerInnen, TheoretikerInnen und PolitikerInnen, die selbst ein Verständnis entwickelt haben und auch weiterhin entwickeln, um Arbeiten und Visionen zu unterstützen und/oder zu kritisieren und zu beurteilen. Einen Beitrag dazu leistet sicher auch das Tanzquartier, aber es kann nicht angehen, dass wiederum ein repräsentatives Haus zentral diese Arbeit erledigen sollte.

Ein gern verwendeter Begriff ist dabei der der Radikalität. Doch dieser verhält sich relativ zu den Kontexten, auf die er angewendet wird. Im Kontext z.B. der Wiener Festwochen und deren Publikum mag manches radikal erscheinen, was anderenorts gar langweilt oder konträr zu künstlerischen Arbeitsweisen steht, wie etwa dezentrale Produktionsweisen. Gerade aber deswegen weiß ich nicht, ob ich die Anmerkung von seiten Peter Marboes, er empfinde das Papier nicht als radikal, als Kompliment an sich selbst betrachten soll. Radikal sind in diesem unserem Kontext auch nicht seine Vorschläge, die eine klare Trennung und Grenzziehung der Verantwortlichkeiten herbei zu sprechen gedenken. Die Stärkung der BeirätInnen einerseits zu fordern und andererseits gleichzeitig von einer die Empfehlung umgehende, wie könnte ich das nennen, "Off-Finanzierung"("off" im doppelten Sinn) Anekdoten zu erzählen, enthüllt die Ambivalenzschluchten, die sich zwischen Sprechen und Handeln auftun. Inwieweit es unverantwortlich ist, im künstlerischen Koma Liegende künstlich am Leben zu erhalten, ist ein Aspekt, der unbeantwortet blieb, das bröckelnde Dogma des "In Wien werden keine Theater geschlossen!" wurde aber brav weiter postuliert.

Aber solche Veranstaltungen könnten und können ja ein bisschen zu einem Mehr der allerorts beschworenen und eh praktizierten Transparenz beitragen. Transparenz, die sich eben nicht nur an den Enden der Kulturpolitik, sprich den Auflistungen der ausgegebenen Geldern abspielen sollte, sondern sich schon in den Entscheidungskriterien, Auswahlverfahren für EntscheidungsträgerInnen, etc. wie ein roter Faden wird durchziehen müssen. Bisweilen fühlt sich so manche/r im Kreis geschickt, wenn sie/er versucht, Verantwortliche auszumachen für Entscheidungen, die gefallen sind.

Um zu meiner eingangs skizzierten kulturellen Landschaft zurückzukommen: die Arbeit, die allen Interessierten bevorsteht, ist, einen Prozess voranzutreiben, der im Sinne einer sich globalisierenden Welt, lokale und doch polyphone Räume, Orte der Diskurse aufmacht. Eine Landschaft also, die durch transversale, transitorische Bearbeitungen ständig in Diskussion bleiben muss. Eine Bewegung, die sich dann auch nicht auf "Kunst" im engen Sinn beschränken lässt, sondern neben Theorien der Kunst, der Philosophie, etc. selbstverständlich auch Politik im weitesten, wie auch im engeren Sinn miteinschließt.


Marty Huber ist Performance Theoretikerin und Dramaturgin.

Ähnliche Artikel

Der Vorarlberger Landtag beschloss unter neuer, schwarz-blauer Regierung am 19. Dezember 2024 das Budget für das Jahr 2025. Der bereits im Sommer angekündigte Sparkurs des Landes trifft auch das Kulturbudget, das angesichts prekärer Arbeits- und Lebensumstände Kunstschaffender und einem zarten Start in die Fair Pay-Strategie des Landes mit einer lediglich geringfügigen Erhöhung in das neue Jahr geht. Wie sich die Kultursprecher:innen der Parteien zum Budget und den relevanten Inhalten von Kunst und Kultur äußerten und was Kulturlandesrätin Barbara Schöbi-Fink zu einem Ausblick für die freie Szene sagt, haben wir im Folgenden dokumentiert.
Am 6. November wurde bei der konstituierenden Sitzung im Vorarlberger Landhaus die schwarz-blaue Regierung angelobt. Die bei der Landtagswahl am 13. Oktober stimmenstärkste ÖVP wählte die FPÖ als Regierungspartner und legte unter dem Motto "Der Vorarlberger Weg - mit Mut und Verantwortung für unser Land" ein knapp 100-seitiges Arbeitsprogramm für die nächsten fünf Jahre vor. Welche Inhalte für Kunst und Kultur in dieser Zeit fokussiert und umgesetzt werden sollen, haben wir uns im Detail angesehen.
Dritter Ort Dritte Orte sind Häuser von Kultur und Begegnung, die als Ankerpunkt für kulturelle Vielfalt einen Beitrag der Kultur zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts bieten. Darüber wird am 8. November im Kulturhaus Brotfabrik diskutiert.
rote leere Sessel im Theater Ob auf der Bühne oder hinter den Kulissen: Wer am Theater arbeitet, kommt um das Theaterarbeitsgesetz (TAG) und seine zwingenden Sonderbestimmungen nicht herum. Zuerst muss aber die geeignete Beschäftigungsform her: Ensemblevertrag, Gastvertrag oder doch Werkvertrag? Ein Balanceakt mit Auswirkungen. Ab Herbst 2025 soll eine Gesetzesnovelle die Abgrenzung erleichtern. Für uns ein Anlass, das TAG und die Neuerungen näher zu beleuchten.
Offener Brief der IG Kultur Vorarlberg an Landesrätin Barbara Schöbi-Fink, in Reaktion auf die Kulturdebatte im Vorarlberger Landtag am 6. Juli 2023 und auf Strategien zur Schließung des Fair Pay-Gaps. Update: Eine Reaktion über ein Email der Landesrätin erreichte uns am 21. August. Mehr dazu ganz unten im Artikel.
Zukunft der Kulturarbeit Die Art, wie wir Kunst und Kultur betreiben, hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Es stellen sich Fragen um Professionalisierung und Prekariat, politische und inhaltliche Ausrichtung, Vernetzung oder Anbindung an andere Sektoren. Wie sieht die Zukunft aus? Was ändert sich an der Art, wie wir arbeiten? Was könnten neue Herausforderungen werden? Welche Themen werden uns in den nächsten Jahren beschäftigen? Wir haben mit Kulturarbeiter*innen aus der unterschiedlichsten Schwerpunktsetzung, verschiedenen Generationen und mehreren Bundesländern gesprochen, wie sie die Zukunft sehen.
Kulturbegriffe Freie Szene, autonome Kultur, freie oder partizipative Kultur, Kulturarbeit, Sozio- oder Subkultur? Wie definiert sich die Kultur abseits von öffentlichen Körperschaften und den großen Tankern? Reicht es schon, dass sie eben diese offizielle, repräsentative Kultur nicht sein möchte? Oder drückt sich im verwendeten Begriff auch ein Selbstverständnis jenseits von Abgrenzung aus? Was assoziieren wir mit den verschiedenen Begriffen? Wir haben mit unterschiedlichen Menschen aus dem Sektor aus verschiedenen Teilen Österreichs und verschiedenen Generationen gesprochen.
Publikum Corona Der IG Kultur-Webtalk „Wissen schafft Kultur“ stellt aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft vor und beleuchtet, inwiefern diese für die Kulturarbeit nutzbar sind. In Kooperation mit der Europäischen Theaternacht wurde am 23. Februar 2022 der Fokus auf die Auswirkungen von Covid-19 auf das Publikumsverhalten in der Kultur gelegt. Als kompetenter Gesprächspartner konnte das Londoner Forschungsinstitut „The Audience Agency“ (TAA) gewonnen werden. Diese gemeinnützige Einrichtung zählt zu den profiliertesten Organisationen der Publikumsforschung in Europand wird u.a. vom British Arts Council finanziert. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, Kultureinrichtungen dabei zu helfen, ein besseres Verständnis für ihr aktuelles und potenzielles Publikum zu gewinnen.
Yvonne Gimpel, IG Kultur, im Sonnenpark Lames St. Pölten Unsere Geschäftsführerin Yvonne Gimpel, die sich im letzten Jahr in der Pandemie unermüdlich engagiert über jede Neuerung und Verordnung und in jedes Interview gestürzt hat, um auf die schwierige Lage der Kultur aufmerksam zu machen, ist nun in Babypause. Wir freuen uns mit ihr, vermissen sie aber auch schmerzlich und freuen uns darauf, wenn sie wieder zu uns zurückkehrt. Wir haben mit ihr noch vor dem Mutterschutz ein Interview geführt, über ihr Engagement im Kulturbereich, ihren Weg zur IG Kultur und die Krisen, durch die sie diese gleich mal führen musste und wie sie die Zukunft der freien Kulturarbeit sieht.
Andrea Hummer, Festival der Regionen Andrea Hummer war in den 90er Jahren Geschäftsführerin der IG Kultur. Sie hat die Vertretung der freien Kultur in Österreich damals von Salzburg nach Wien übersiedelt, die IG Kultur aber auch durch eine stürmische Zeit gebracht - die freie Szene war sich nämlich damals alles andere als einig. Gleichzeitig hatte sie mit einem aufkeimenden Rechtspopulismus in Österreich unter Jörg Haider zu tun, der die freie Kultur gezielt ins Visier nahm. Ein Blick 25 Jahre zurück in die stürmische Anfangszeit der IG Kultur und die Entwicklung der freien Kulturarbeit in Österreich.