Müssen KünstlerInnen Hasen mästen, um gleiche Arbeitslosenrechte wie LandwirtInnen zu erhalten?

<p><b>Nationalrat beschließt heute und morgen künstlerInnenrelevante Gesetze.</b></p> <p>Zwei Novellen, die direkt oder indirekt auf die soziale Lage der Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden verweisen, werden heute und morgen dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorgelegt: Das KünstlerInnen-Sozialversicherungsfondsgesetz (KSVFG) wird zum wiederholten Mal nachgebesserte und der Zuschuss zu Sozialversicherungsbeiträgen nun 13 Jahre nach dessen Einführung endlich für

Nationalrat beschließt heute und morgen künstlerInnenrelevante Gesetze.

Zwei Novellen, die direkt oder indirekt auf die soziale Lage der Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden verweisen, werden heute und morgen dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorgelegt: Das KünstlerInnen-Sozialversicherungsfondsgesetz (KSVFG) wird zum wiederholten Mal nachgebesserte und der Zuschuss zu Sozialversicherungsbeiträgen nun 13 Jahre nach dessen Einführung endlich für eine größere Anzahl von KünstlerInnen zugänglich. Die AlVG-Novelle wiederum bringt eine kleine Verbesserung des Zugangs zum Arbeitslosengeld (ALG) für Personen in Mehrfachbeschäftigung, allerdings beschränkt auf die Berufsgruppe der LandwirtInnen.

Arbeitslosenversicherungsgesetz: Verbesserung für Bauern und Bäuerinnen

Nach einer Höchstgerichtsentscheidung im Sommer 2014 war klar: Für NebenerwerbslandwirtInnen ist – wie für alle selbstständig Tätigen – bei Jobverlust kein Bezug von Arbeitslosengeld möglich, wenn nicht zugleich auch die selbstständige Tätigkeit als LandwirtIn aufgegeben wird. In erstaunlicher Geschwindigkeit erfolgt nun die Reparatur: Die sogenannte Pflichtversicherungsklausel, nach der nicht als arbeitslos gilt, wer in der Pensionsversicherung pflichtversichert ist, soll nur für LandwirtInnen gelten, deren Landwirtschaft einen bestimmten Einheitswert übersteigt. Das ist sinnvoll und bringt mehr Sicherheit und Planbarkeit für viele Nebenerwerbsbauern und -bäuerinnen. In den meisten Fällen ist der Grenzwert auch deutlich großzügiger bemessen als die Geringfügigkeitsgrenze, die für alle anderen Selbstständigen gilt. Gut so, aber bitte für alle!

Pflichtversicherungsklausel als Falle für KünstlerInnen und andere Neue Selbstständige

Mit 1.1.2009 wurde die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige eingeführt. Das brachte auch eine Erweiterung der gesetzlichen Definition von Arbeitslosigkeit: Arbeitslos ist, wer keiner Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt. Der Haken an der Sache: Selbst wenn Selbstständige während eines vorübergehenden Bezugs von Arbeitslosengeld (z. B. auch aufgrund eines Anspruchs aus einer Anstellung) in diesem Zeitraum gar nicht selbstständig tätig sind oder bloß bis zur erlaubten Geringfügigkeitsgrenze selbstständige Einkünfte erzielen, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht später doch noch mit einer Rückforderung des Arbeitslosengeldes konfrontiert sein können. Von Sicherheit und Planbarkeit also keine Rede.

Wie wäre das Problem zu lösen?

Eine schnelle Möglichkeit bietet die Streichung der Pflichtversicherungsklausel – anstatt sie nur um einen Satz für Bauern und Bäuerinnen zu ergänzen. Die Zuverdienstgrenze, die für alle Arbeitslosen einen Zuverdienst bis zur monatlichen Geringfügigkeitsgrenze erlaubt, gilt ohnehin dessen ungeachtet. Helfen würde auch eine allgemeine Ausnahme zugunsten all jener Selbstständigen, die ihre Selbstständigkeit nicht ruhend melden können – oder eine generelle Möglichkeit der Ruhendmeldung für alle Neuen Selbstständigen, unabhängig von ihrer konkreten Tätigkeit. Derzeit steht diese Möglichkeit ja nur wenigen KünstlerInnen sowie Gewerbetreibenden offen.

KünstlerInnen-Sozialversicherungsfondsgesetz

Die Regierungsvorlage der Novelle des KünstlerInnen-Sozialversicherungsfondsgesetzes (KSVFG) hingegen greift mehrere langjährige Kritikpunkte des Kulturrat Österreich auf und versucht sie zu lösen – wenn auch nicht mit aller Konsequenz. Der erkennbare Paradigmenwechsel hin zur Erweiterung des Zugangs ist sehr zu begrüßen, alarmierend ist jedoch die Fortschreibung der Abgabenreduktion für SAT- und Kabelrundfunk an den KSVF bis Ende 2020. Die finanzielle Ausstattung des KSVF wird dadurch kontinuierlich schrumpfen und in absehbarer Zeit nicht mehr zur Deckung der Zuschüsse ausreichen. Mit den vorhandenen 28 Millionen an KSVF-Reserven (Stand 31.12.2013) lässt sich dieser Zeitpunkt lediglich ein paar Jahre hinauszögern. Fakt ist jedoch schon heute, dass die KSVF-Einnahmen weit unter den Ausgaben liegen, und dieses Minus wird gemäß den Prognosen der GesetzgeberIn zukünftig bei knapp vier Millionen Euro jährlich liegen. Auch lässt diese erneute Novelle des KSVF-Gesetzes weiterhin viele dringende Forderungen des Kulturrat Österreich außer Acht: Abschaffung von Rückforderungen – vor allem bei Nichterreichung der Einkommens-Untergrenze –, keine Mindesteinkommensgrenze als Zuschussvoraussetzung, Erweiterung des EinzahlerInnenkreises in den KSVF u. a. m.

Einmal mehr muss es also heißen: Nach der Novelle ist vor der Novelle. Wir bleiben dran.




Info und Links:

KSVFG

Bauern und Bäuerinnen

Zum Einlesen in die Details, z.B. der Ruhendmeldung für KünstlerInnen:

Zu LandwirtInnen und ihrem Anspruch auf Arbeitslosenversicherung, wenn sie Ansprüche aus Nebenerwerbstätigkeiten erworben haben:

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