Betroffen sind zentral jene Personen, die mit zwei oder mehr geringfügigen Beschäftigungen im Kalendermonat insgesamt mehr als die Geringfügigkeitsgrenze verdienen (2025: 551,10 Euro). In geringerem Ausmaß betrifft es allerdings auch jene mit einem geringfügigen Zuverdienst zu einer anderen unselbstständigen Beschäftigung. Wer mehr als geringfügig aus unselbstständigen Beschäftigungen in einem Kalendermonat verdient, ist seit Anfang April 2024 nicht mehr (nachträglich) nur kranken- und pensionsversichert, sondern auch arbeitslosenversichert. Das ist grundsätzlich sehr gut. Praktisch geregelt sind die Folgen in mittlerweile drei nicht öffentlichen Durchführungsweisungen seitens des Ministeriums für Arbeit und Wirtschaft (BMAW). Die aktuellste davon wurde vor kurzem erlassen: Infolge einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH; Rechtssatz) vom Dezember 2024, in der einige Kernpunkte der bis dahin geltenden Regelungen für rechtswidrig erklärt wurden.
Zu Hintergrund dieser Entwicklung und Vermutungen über den Umgang des AMS mit Betroffenen der rechtswidrigen Anordnungen des BMAW siehe unten.
Konkrete Änderungen
Personen mit zwei oder mehr geringfügigen Beschäftigungen, die damit im Kalendermonat zusammen mehr als die Geringfügigkeitsgrenze verdienen (2025: 551,10 Euro), sind jetzt auch arbeitslosenversichert. Das ist an sich eine großartige Nachricht. Schließlich war der Zugang zur Arbeitslosenversicherung für diese Gruppe seit 2017 (seit Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze) versperrt.
Damit ändern sich aber zahlreiche Regeln im Zusammenspiel von geringfügigen Jobs und Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Wer bisher in bestimmten Konstellationen Anspruch hatte, bekommt jetzt nichts mehr (erwirbt dafür Versicherungszeiten, aber auch eine andere Berechnungsgrundlage). Und: Es kann auch zu Rückforderungen kommen.
Praktisch gibt es zwei Wege in diese Arbeitslosenversicherung:
- (a) Abwarten der quartalsweisen Abrechnung durch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Stellt die ÖGK ein Überschreiten der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze fest, folgt eine rückwirkende Einbeziehung in die Kranken- und Pensionsversicherung und neuerdings nun auch in die Arbeitslosenversicherung (ALV). Die Einbeziehung in die Sozialversicherung (nunmehr auch ALV) erfolgt grundsätzlich immer ab dem ersten geringfügigen Beschäftigungstag im Monat bis zum Monatsende.
- (b) Antrag auf Beitragsvorauszahlung (die sogenannte „Formalversicherung“): Wer sicher weiß, dass die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird, kann die Beitragsvorauszahlung beantragen. Diese enthält seit 1.4.2024 auch die Arbeitslosenversicherung. Die Formalversicherung gilt ab dem Zeitpunkt für den erstmals Beiträge bezahlt wurden (bis dahin gilt die Variante (a)). Sie gilt auch dann, wenn letztlich doch kein Einkommen über der Geringfügigkeit erzielt wurde, d.h. ein Arbeitslosengeldanspruch ist derzeit parallel zur Formalversicherung ausgeschlossen.
In beiden Fällen gilt: Diese besondere Form der Sozialversicherung (ASVG § 471f ff) gilt nur für unselbstständige geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, und nur in Zeiträumen, in denen nicht ohnedies eine Vollversicherung besteht. Es ist jedoch eine Pflichtversicherung. Wer einen geringfügigen Job zusätzlich zu einer vollversicherten unselbstständigen Beschäftigung (über Geringfügigkeit) ausübt, ist für parallel Zeiträume nach ASVG §10 und §11 in die Sozialversicherung einbezogen. Diese sind nun nicht mehr von aktuellen Regelungen betroffen. Achtet jedoch auf den Abschnitt -> Spezialität.
Das Problem: In beiden Fällen überschneiden sich Beschäftigungstage und arbeitslosenversicherte Zeiträume nicht mehr unbedingt. Es kann Zeiträume geben, in denen zwar eine Arbeitslosenversicherung aber keine Beschäftigung vorliegt. Hier bezieht sich das AMS seit 1.4.2024 auf die Pflichtversicherungsklausel in AlVG §12 (1) 2, nach der eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung der Arbeitslosigkeit entgegen steht.
Auch wenn das nicht neu ist heißt das nun: Arbeitslosenversicherte ZEITRÄUME stehen einem Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe entgegen. Eine Anrechnung nach AlVG §21a für vorübergehende Beschäftigungen gibt es nur mehr für Zeiträume ohne diese Pflichtversicherung. Und: Wenn sich der Sachverhalt erst rückwirkend präsentiert, wird das AMS auch rückfordern.
GUT ZU WISSEN: Bis zu einem monatlichen Einkommen von 2074,- Euro (Wert 2025) entstehen für die Arbeitslosenversicherung keine zusätzlichen Kosten für Versicherungsbeiträge.
Exkurs: Grundsätzlich gilt in der Sozialversicherung in Österreich, dass jedes Einkommen bis zur Höchstbeitragsgrundlage der Sozialversicherung unterliegt. Die Ausnahme ist die Geringfügigkeitsgrenze. Einkommen bis zur Geringfügigkeitsgrenze werden nach Sozialversicherungen getrennt bewertet, in kurz: Mit einem unselbstständigen Einkommen über dieser Grenze und einem selbstständigen geringfügigen Zuverdienst wird für letzteres kein Sozialversicherungsbeitrag fällig (und umgekehrt). Einkommen über der Versicherungsgrenze in einem Versicherungszweig führen jedoch immer zur Einbeziehung aller Einkommensbestandteile in die Pflichtversicherung – im Zweifel nachzuzahlen durch die versicherte Person.
Einfache Beispiele
- Person A hat einen laufenden geringfügigen Job (geringfügiges Dienstverhältnis 1/ gDV1) und bekommt für 25.-27.5. einen zusätzlichen geringfügigen Job (geringfügiges Dienstverhältnis 2/ gDV2). Im Mai ist mit beiden zusammen die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Da gDV1 am 1.5. bereits aufrecht ist, gibt es den ganzen Monat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe.
- Person B hat im Mai zwei geringfügige Beschäftigungen (gDV1 7.-9.5.; gDV2 27.5.-30.5.). Beide zusammen überschreiten die Geringfügigkeit. Entsprechend folgt die rückwirkende Einbeziehung in die Sozialversicherung vom 7.5. (erster Tag des ersten geringfügigen DVs) bis zum 31.5.
- Person C hat einen unselbstständigen Job (vollversichert) und zusätzlich eine geringfügige Beschäftigung. Sollte C den vollversicherten Job verlieren, gelten nunmehr die normalen Regelungen im AlVG, d.h. der geringfügige Job ist zwar parallel zum Job in die Sozialversicherung einbezogen, aber nur bis zur Beendigung des vollversicherten Jobs (auch untermonatlich). ACHTUNG: nach wie vor gilt auch, dass eine unmittelbare Reduzierung eines Jobs auf Geringfügigkeit keine Arbeitslosigkeit ergibt – hier gilt eine Mindestpause von einem Monat.
Spezialität: Tägliche Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung (2025: 215,- Euro)
Anders als die tägliche Geringfügigkeitsgrenze (abgeschafft 2017) gibt es die tägliche Höchstbeitragsgrundlage nach wie vor – das heißt, Beschäftigungszeiträume bis zu zwei Tagen (2x tgl. Höchstbeitragsgrundlage 2025 = 430,- Euro) sind immer geringfügig, völlig unabhängig vom Einkommen, auch wenn dieses wesentlich höher ausfällt. Das AMS folgt dem Versicherungsstatus der Sozialversicherung, nicht aber bei der Anrechnung des Einkommens nach §21a, sollte eine solche noch erfolgen …
Beispiele:
- Person D hat im Mai zwei Drehtage, an denen sie jeweils 500,- verdient (tageweise Anstellung). Durch die tgl. Höchstbeitragsgrundlage gilt in der Sozialversicherung jeweils nur das tgl. Einkommen bis 215,- als relevantes Einkommen, d.h. zusammen 430,-. Solange also kein weiteres unselbstständiges Einkommen im gleichen Monat dazukommt, liegt das unter der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze und zieht keine rückwirkende Einbeziehung in die Sozialversicherung nach sich. Für die Höhe des Arbeitslosengeldes (Berechnung nach §21a) zieht das AMS allerdings schon die 1.000,- Einkommen aus vorübergehender Beschäftigung heran. Ein etwaiges Arbeitslosengeld an den Tagen ohne Beschäftigung wird entsprechend kleiner oder ganz ausfallen.
- Person E hat im Mai drei Drehtage, an denen sie jeweils 500.- verdient (tageweise Anstellung). Dreimal die tgl. Höchstbeitragsgrundlage ergibt jedenfalls ein Einkommen über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze. Person E ist also jedenfalls ab dem ersten Drehtag im Mai bis zum Monatsende sozialversichert und gilt nur in den Tagen vor dem ersten Drehtag als arbeitslos.
ACHTUNG: Für jene, die in der Formalversicherung sind, gelten hier nicht die tatsächlichen Drehtage/ Einkommen, sondern generell die Regeln aus der Formalversicherung: Durchgehende Sozialversicherung und jeweils den ganzen Monat KEINE Leistungen aus dem AMS.
Anrechnung Arbeitslosenzeiträume und Einkommen
Grundsätzlich ist jedes arbeitslosenversicherte Beschäftigungsverhältnis relevant für Anwartszeiten und in der Höhe des zustehenden Arbeitslosengeldes/ der Notstandshilfe. Geringfügige Beschäftigungen, die weiterhin nicht der Arbeitslosenversicherung unterliegen, sind in beiden Punkten weiterhin nicht relevant.
Anwartszeiten (=arbeitslosenversicherte Zeiträume) sind eine der zentralen Voraussetzungen für Arbeitslosengeld. Mit den Regelungen zur Einbeziehung mehrfach geringfügiger Beschäftigungen in die Arbeitslosenversicherung gibt es nun eine weitere Möglichkeit, die notwendigen Anwartszeiten zu erwirtschaften. Konkret gelten hier alle Arbeitslosenversicherungszeiträume (jeder relevante Zeitraum ab dem ersten Tag der ersten geringfügigen Beschäftigung bis zum Monatsende respektive jeder Zeitraum einer aufrechten Formalversicherung)
Anrechnung des Einkommens für die Höhe des Arbeitslosengeldes/ der Notstandshilfe: Hier legt die Durchführungsweisung fest, dass das Einkommen nur auf die Beschäftigungstage hochgerechnet wird. Personen mit durchgehender geringfügiger Beschäftigung und zusätzlichem Einkommen, also jene, die mit dieser Regelung immer das ganze Monat arbeitslosenversichert beschäftigt sind, werden eine geringe Beitragsgrundlage erwirtschaften. Jene mit kurzen Anstellungszeiträumen werden entsprechend mehr oder wesentlich mehr Arbeitslosengeldanspruch haben.
Anrechnung nach AlVG §21a: Vorübergehende Beschäftigungen innerhalb eines Kalendermonats führen nicht automatisch zum Verlust des Arbeitslosengeldes/ der Notstandshilfe in diesem Monat, auch dann nicht, wenn das Einkommen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt. Geregelt ist dies im AlVG §21a, der kompliziert aber im wesentlichen regelt, dass ein vorübergehendes Einkommen in Bezug auf die Beschäftigungstage auf den Monat hochgerechnet wird und dann erst mit Geringfügigkeitsgrenze abgeglichen wird. Je nach Ergebnis steht dann an den beschäftigungslosen Kalendertagen noch Arbeitslosengeld/ Notstandshilfe zu oder nicht. Neu ist nun, dass diese Regelung nur noch für Zeiträume angewendet wird, die nicht der Arbeitslosenversicherung unterliegen. Und: Das AMS nimmt hier das tatsächliche Einkommen, nicht ein etwaig auf die tägliche Höchstbeitragsgrundlage eingekürztes, als Grundlage – jedenfalls bis auf weiteres.
Hintergrund der aktuellen Änderungen
Hintergrund der aktuellen Änderungen ist eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom März 2023. In aller Kürze entschied der VfGH, dass jene mit mehrfach geringfügigem Einkommen, die damit im Monat über die Geringfügigkeitsgrenze kommen, nicht nur in die Kranken- und Pensionsversicherung einbezogen werden müssen, sondern auch in die Arbeitslosenversicherung. Diese Entscheidung gilt seit 1.4.2024. Aber: Anders als vom VfGH empfohlen wurde diese Änderung nicht durch flankierende gesetzliche Änderungen in das Sozialversicherungssystem implementiert. Das Ministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) hat stattdessen entschieden, solche Regelungen mittels nichtöffentlicher (zunächst vorläufiger) Durchführungsweisung an das AMS zu erlassen. Der ersten vorläufigen Weisung (März 2024) folgte eine erste endgültige (vermutlich Juni 2024) und nach der VwGH-Entscheidung vom Dezember eine korrigierte endgültige Durchführungsweisung. Alle drei sind öffentlich nicht einsehbar. Alle drei gelten im Grunde ab 1.4.2024 – ob es aber zu automatischen Korrekturen der entsprechenden AMS-Entscheidungen aufgrund der Änderungen kommt, kommen wird, oder schon gekommen ist, ist derzeit offen. Ebenfalls offen ist, ob die Regelungen der aktuellen Durchführungsweisung einer gerichtlichen Überprüfung standhalten.
Änderungen seit der VwGH-Entscheidung im Dezember 2024
Ursprünglich hat das BMAW versucht, wesentlich weitreichendere Regelungen durchzusetzen. Insbesondere im Blick waren Kombinationen aus vollversicherten und geringfügigen Beschäftigungen und die Regelung im AlVG, nach der eine Reduktion der Arbeitszeit bei dem_der gleichen Dienstgeber_in nicht zur Arbeitslosigkeit führt. Vorläufig hat das BMAW damit alle Beschäftigungen, die auch nur einen Tag arbeitslosenversichert waren (z. B. aufgrund eines parallelen vollversicherten Beschäftigung) als Widerspruch zur Arbeitslosigkeit festgelegt. Alle diese Beschäftigungen seien zu beenden, bevor wieder Anspruch auf Arbeitslosigkeit besteht. Der VwGH hat dies nun als rechtswidrig zurückgewiesen.
Kulturrat Österreich, Interessenvertretungen in Kunst und Kultur wie auch die Arbeiter_innenkammer (AK) setzen sich seit Jahren für eine faire Lösung ein. Wir empfehlen Künstler_innen, Kultur- und Medienarbeiter_innen sowie allen anderen Betroffenen, sich bei auftretenden Fragen und Problemen an ihre Interessenvertretung zu wenden.