Fakten statt Behauptungen! - Zur momentanen kulturpolitischen Lage in der Steiermark
Der Regierungswechsel unter der Führung der steirischen FPÖ hat bei den steirischen Kunst- und Kulturtätigen viele Unsicherheiten ausgelöst. Grund dafür sind unter anderem diverse Behauptungen, die die FPÖ in ihrem Wahlprogramm aufgestellt hat. Um für mehr Klarheit zu sorgen, hat die IG Kultur Steiermark die aktuellen Kernfragen und Fakten zusammengefasst.
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Die FPÖ plant bei der nächsten Landtagssitzung am 18. Dezember einen Regierungsantrag vorzulegen. Die Koalitionsgespräche sollen am Freitag, den 13. Dezember abgeschlossen sein, danach soll noch die Ressortverteilung ausgehandelt werden. Angeblich soll der Kulturbereich wieder aufgesplittet werden: in Volkskultur und Kultur. Es könnte sein, dass auch weitere grobe Eckpunkte des zukünftigen Koalitionsübereinkommens schon vor der Landtagssitzung an die Öffentlichkeit kommuniziert werden, dennoch liegen uns bis dato keine verlässlichen Informationen dazu vor.
Was wir aber zur Zeit sicher wissen ist, dass die erwartete Ausschreibung der mehrjährigen Fördervereinbarungen für die nächste Förderperiode 2026-28 nicht erfolgt ist. Weiters sind die Entscheidungen über die Jahresförderungen 2025 den Kulturvereinen bis dato nicht bekanntgegeben worden. Das Land Steiermark schreibt bereits seit 2003 regelmäßig die Vergabe der mehrjährigen Fördervereinbarungen aus. Wie im jeweiligen Landesbudget festgeschrieben ist, hat diese Maßnahme das Ziel, die „vielfältige, steirische (freie) Kulturszene“ zu sichern. Zu einem Ausbleiben dieses Calls ist es in den letzten 20 Jahren nie gekommen. Wir befürchten, dass der diesjährige Stopp mit dem zukünftigen Kulturbudget zu tun hat, da dieses auch aus Mitteln der ORF-Landesabgabe (etwa 25 Mio. €) besteht. Schon im Vorfeld haben die Freiheitlichen die ORF-Landesabgabe kritisiert und gemeinsam mit den Neos und Grünen die Landesabgabe vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gebracht. Dieser wies den Antrag jedoch ab. Die Abschaffung dieser Abgabe war auch ein Wahlversprechen der FPÖ. Bei einer Umsetzung dieses Versprechens wird die Schließung des hinterlassenen Budgetlochs für die neue Koalition zu einer zentralen Herausforderung im Bereich Kultur.
Zum Kulturbudget des Landes Steiermark
Dass das steirische Kulturbudget eine schiefe Lage aufweist, ist schon länger bekannt. Das von der FPÖ angesprochene „Missverhältnis bei Kulturförderungen“ muss aber genauer eingeordnet werden. Von Seiten der FPÖ wird oft beklagt, dass die Volkskultur zu wenig Förderungen erhält bzw. bei der Budgetverteilung benachteiligt wird. Ein Blick in die Kulturförderungsberichte des Landes schafft hier Klarheit und hebt die Debatte auf eine sachliche Ebene.
Im Jahr 2022 wurden die Bereiche Kultur und Volkskultur durch eine institutionelle Reform zusammengelegt. Aus zwei Förderreferaten wurde eines und somit wurden auch die Budgets nunmehr von einer einzigen Stelle verwaltet sowie verteilt. Es macht also Sinn, die Zahlen aus dem Kulturförderungsbericht 2021 mit den darauffolgenden Jahren zu vergleichen.
Im Jahr 2021 wurden 2.153.094,10 € für Förderungen im Bereich kulturelles Erbe und Volkskultur, 9.541.993,40 € für allgemeine Kunst- und Kulturförderungen und 58.442.292,30 € für die Landeskultureinrichtungen ausgegeben. Sowohl im Jahr 2021 als auch in anderen Jahren beinhalten die allgemeinen Kunst- und Kulturförderungen dabei keinesfalls nur die Förderungen der s.g. „freien Szene“. Unter dieser Kategorie finden sich auch die Förderung für Investitionen des Grazer Altstadterhaltungsfonds, Kunstankäufe sowie die Förderungen zahlreicher Gemeinden, die damit ihre Kulturprogramme vor Ort finanzieren.
Die Zahlen aus dem Jahr 2023, also nach der Zusammenlegung, ergeben folgendes Bild: Die Förderungen im Bereich Kunst, kulturelles Erbe und Volkskultur betragen in Summe 13.892.281,80 €, während 68.322.378,67 € an die Landeskultureinrichtungen gingen. Zu diesen gehören sowohl das Universalmuseum Joanneum, die Bühnen Graz als auch die Steirischer Herbst Festival GmbH sowie die Volkskultur GmbH. Diese erhielt im Jahr 2021 eine Finanzierung von in Summe 521.915,00 €, welche im Jahr 2022 auf 900.000 € angehoben wurde und sich im Jahr 2023 nochmals auf 978.000,00 € erhöht hat (es kam also beinahe zu einer Verdoppelung des Budgets).
Im Jahr 2022 hat das Land Steiermark darüber hinaus einen Call zur Erhaltung von Kleindenkmälern ausgeschrieben. Ursprünglich waren 150.000 € für den s.g. „Marterl-Call“ vorgesehen, welcher auch an die ORF-Landesabgabe gebunden ist. Aufgrund der starken „Nachfrage“ wurden die Mittel auf 750.000 € aufgestockt. Der gleiche Call fand im Jahr 2024 statt, diesmal mit einer Summe von 300.000 €. Im November 2021 konnten auch Ansuchen aus dem Förderungsbereich „Allgemeine Volkskultur, Museen, Denkmalpflege und Kulturgüter“ zum ersten Mal bei der Vergabe der mehrjährigen Fördervereinbarungen 2023-25 berücksichtigt werden.
Kleine Bewegungen gab es auch bei der Budgetverteilung zwischen Graz und anderen steirischen Bezirken: 2021 lag das Verhältnis der Verteilung des Budgets für die Kultureinrichtungen bei 76 % für Graz, zu 24 % für andere Bezirke. Im Jahr 2023 betrug das Verhältnis schon 72 % zu 28 %. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass alle Landeskultureinrichtungen (und somit ein Großteil des Kulturbudgets) in Graz angesiedelt sind. Dennoch: Der Aufruf nach mehr Regionalität bei der Vergabe der Förderungen ist angekommen und prägt auch die Inhalte der Kulturstrategie des Landes Steiermark stark.
Im Jahr 2024 wurde das Kulturbudget auf 85 Mio. € angehoben, was einer Steigerung um 8,2 Mio. € gegenüber dem Vorjahr entspricht. Wie diese Gelder verteilt wurden, wissen wir derzeit noch nicht, da uns der Kulturförderungsbericht erst nach dem Rechnungsabschluss vorliegt (voraussichtlich im Juni/Juli 2025). Trotz der kontinuierlichen Erhöhung des Kulturlandesbudgets in den letzten Jahren sind auf Seiten der Fördernehmer:innen, unabhängig davon ob Kultur oder Volkskultur, nur sehr geringe Auswirkungen spürbar.
Täuschende Narrative
Die Erzählung, dass der Volkskulturbereich von der s.g. "freien Szene" budgetär bedroht ist, ist jedenfalls irreführend. Ebenso ist das Narrativ der FPÖ zu den Fair-Pay-Maßnahmen, die in diesem Jahr zum ersten Mal stattgefunden haben, schlichtweg falsch. Zum einen waren die zur Verfügung gestellten, finanziellen Mittel im österreichweiten Vergleich sehr gering (nur 600.000 €), zum anderen wurde die Vergabe sehr gezielt und in Form einer Antragstellung samt genauer Prüfung durchgeführt. Die Erhebungen dazu haben deutlich gezeigt, dass mindestens 1 Mio. € nötig wären, um überhaupt eine spürbare Änderung im Kulturfeld zu erreichen. Wir sind hier also weit entfernt von der Behauptung der FPÖ, dass die Fair-Pay-Maßnahmen zu einem bedingungslosen Grundeinkommen für Künstler:innen führen werden, zumal die Zuschüsse an konkret erbrachte Leistungen bzw. Anstellungen gebunden waren. Dieser massive Angriff auf die Fair-Pay-Maßnahmen von Seiten der steirischen FPÖ verwundert auch im Hinblick darauf, dass die FPÖ in anderen Bundesländern, in denen sie mitregiert, die dortigen Fair-Pay-Maßnahmen mitträgt.
An dieser Stelle ist es ebenso wichtig zu betonen, dass die von der FPÖ vorgenommene Trennung zwischen "freier Szene" sowie "identitätsstiftender und breitenwirksamer Volkskultur" einen manipulativen Charakter aufweist und mit der derzeitigen Praxis wenig zu tun hat. Die Mitglieder der IG Kultur Steiermark, die steirischen Kunst- und Kulturvereine, sind keine Nischenerscheinung und noch weniger gehören sie zu einer s.g. Elite. Vielmehr sind sie ein untrennbarer Teil lokaler Gemeinschaften und ein unverzichtbarer Bestandteil, wenn es um die Lebensqualität und das Wohlbefinden in den Gemeinden sowie Städten geht. Sie sorgen landesweit für kulturelle Vielfalt und unterstützen die Anliegen kulturell interessierter Menschen vor Ort. Somit leisten sie sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum kulturelle Basisarbeit und Nahversorgung. Durch einen niederschwelligen Zugang ermöglichen sie der lokalen Bevölkerung Beteiligung an Kunst und Kultur. Als kulturelle Nahversorger agieren sie breitenwirksam und sind identitätsstiftend, sowohl für den Ort an sich als auch für die Menschen. Außerdem wirken die steirischen Kunst- und Kulturvereine durch die Bespielung diverser Inhalte, Formen und Formate demokratiefördernd und sind ein relevanter Faktor für die Standortattraktivität wie auch die lokale bzw. regionale Wertschöpfung.
Fazit: So wie aus den Zahlen der Kulturförderungsberichte ablesbar, ist das Einsparungspotential im Bereich der Förderung der freien, zeitgenössischen Kunst- und Kulturarbeit, angesichts der gesamten Landesausgaben, sehr gering. Der resultierende Schaden steht in keinem Verhältnis dazu, sowohl für die Bevölkerung als auch für die ganze steirische Kulturlandschaft. Um die kulturpolitische Zukunft des Landes Steiermark nicht zu gefährden, sollten die Diskussionen weniger emotional und wieder mehr faktenbasiert geführt werden. Dementsprechend erwarten wir uns von der kommenden Regierung verantwortungsvolle sowie rationale Entscheidungen in Bezug auf Kunst und Kultur.