FAIR PAY – Der Traum von der fairen Bezahlung

Kulturarbeit ist Arbeit und verdient faire Entlohnung. Eine Kampagne der IG Kultur und der Landesorganisationen für mehr Fairness in der Förderpolitik.

Fair Pay faire Bezahlung

 

„Die natürliche Verteilung ist weder gerecht noch ungerecht … Es handelt sich einfach um natürliche Tatsachen. Gerecht und ungerecht ist der Umgang der Institutionen mit diesen Tatsachen.“
John Rawls, A Theory of Justice

 

Kulturarbeiter*innen und Künstler*innen leisten wertvolle Arbeit, die in den meisten Fällen schlecht bezahlt ist. In Österreich gibt es für viele Tätigkeiten im Bereich der Kultur keinen Mindestlohn und auch keine kollektivvertraglichen Regelungen. Dadurch ist man oft gezwungen, in prekärsten Verhältnissen Kulturarbeit zu leisten. Angetrieben wird das Lohndumping von einer verfestigten unfairen Förderstruktur von Bund, Land und Städten. Wenn beantragte Subventionen nur zu einem Bruchteil genehmigt und jahrzehntelang nicht valorisiert werden, müssen Honorare und Gehälter entsprechend verringert werden, um das Projekt dennoch umsetzen zu können. Voraussetzung für Fair Pay ist daher eine Erhöhung der Kulturbudgets, um die Genehmigungen von Subventionen an den tatsächlichen Bedarf anzupassen. Erst wenn alle Fördergeber*innen den Antragssummen folgen, können im Kulturbereich die Mindesthonorarempfehlungen der Interessenvertretungen eingehalten werden.


Die IG Kultur hat ihre Fair-Pay-Kampagne vor zehn Jahren gestartet. Für Kulturarbeiter*innen wurden Honorar- und Gehaltsempfehlungen entwickelt, die sich im Wesentlichen an den Empfehlungen der GPA für Vereine orientieren. Nach vielen Jahren intensiver Kommunikation und Lobbyarbeit wurde im Regierungsprogramm 2020–2024 endlich die Entwicklung einer Fair-Pay-Strategie durch den Bund gemeinsam mit den Gebietskörperschaften verankert. 
Im Herbst 2020 startete die Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer unter dem Titel „Fairness-Prozess“ die Arbeit an einer Fair-Pay-Strategie. Bis zum Herbst 2021 wurde das Thema bei mehreren Treffen mit Interessenvertretungen angerissen. Zu vertiefenden Arbeitsgruppen wurde bedauerlicherweise nie eingeladen. Sosehr die Interessenvertretungen auch auf Partizipation drängten, über das Stadium der „Anhörung“ ist man nicht hinausgekommen. 
Öffentliche Aufmerksamkeit erlangte das Thema erst durch die engagierte Wortmeldung Alexander Köcks beim Liveauftritt der Band Cari Cari anlässlich der 100-Jahr-Feier des Landes Burgenland im Herbst 2021. In einem Akt der Solidarität thematisierte er auf offener Bühne die niedrigen Gagen der Orchestermusiker*innen. Aber erst der Moderator Alfons Haider und sein Versuch, die Aussage von Alexander Köck zu relativieren, sorgte nachhaltig für einen Skandal. Er entgegnete, die Orchestermusiker*innen wären noch Student*innen und damit keine richtigen Künstler*innen, weshalb eine Abendgage von 30 Euro durchaus angemessen sei. Im Fahrwasser dieser medialen Aufregung gelang es den Interessensvertretungen, ihre Fair-Pay-Position unterzubringen. 

Kurz nach der 100-Jahr-Feier lud das Kulturstaatsekretariat zu einem Fairness-Symposium ein. Auch hier gab es genug Anlass zu Kritik. Fair Pay stand dort nicht auf der Tagesordnung, den am Fairness-Prozess Beteiligten wurde auch keinerlei Mitwirkung auf Programm oder Inhalte zugestanden. Die IG Kultur Österreich war dadurch gezwungen, das soeben fertiggestellte Fair-Pay-Manifest aus dem Publikum heraus zu verteilen und zu thematisieren. Der Kulturrat Österreich verteilte seinen druckfrischen Fair-Pay-Reader vor dem Veranstaltungssaal. Zumindest die Berichterstattung zum Symposium umfasste dann auch unser Fair-Pay-Manifest, unsere Kritik fand breite Aufmerksamkeit. 
Derart unter Druck geraten kündigte das Staatssekretariat am Ende des Symposiums den Start der Fair-Pay-Arbeitsgruppen für Jänner 2022 an und forderte die Kunst- und Kulturschaffenden auf, bis dahin Positionen, Kommentare, Wünsche, Problemaufrisse etc. an das Kulturstaatsekretariat zu senden. Diesem Aufruf folgten der Kulturrat und viele Interessenvertretungen, sie brachten nochmals ihre Punkte ein.
Aus den Arbeitsgruppen im Jänner wurde dann wieder nichts. Stattdessen lud das Staatssekretariat die Interessensvertretungen im März 2022 zu zwei Fokusgruppen ein. In der ersten Fokusgruppe konnten die IGs gegenüber der Fachabteilung ihres Bereiches zum wiederholten Male ihre „Herausforderungen“ im Fair-Pay-Prozess auflisten. Bei der folgenden zweiten Fokusgruppe waren die Settings ähnlich. Jede Interessenvertretung hatte im Rahmen eines Speed-Datings fünf Minuten Zeit, mit Vertreter*innen jeweils eines Bundeslandes die „Herausforderungen“ länderspezifisch durchzugehen. Im April 2022 wurde dann allen Beteiligten schriftlich mitgeteilt, dass das Staatsekretariat sich für die Beteiligung bedankt und demnächst eine Strategie präsentieren wird.
Seit dem ersten Treffen im Herbst 2020 haben die Interessensvertretungen wiederholt und nachdrücklich um einen ernsthaften Austausch und Arbeitsformate gebeten. Es wurde immer wieder erklärt, dass die fördertechnische Umsetzung einer gemeinsamen Planung bedarf, da die bisherige Förderpraxis in ihrer Gesamtheit betroffen ist. Zugeständnisse wurden aber nur auf öffentlichen Druck hin gemacht, und selbst diese Versprechen wurden nie eingehalten. Der Unmut der IGs ist auch deshalb so groß, weil dadurch das gesamte Projekt gefährdet ist.
In Österreich sind Kulturförderungen zwischen zwei oder drei Gebietskörperschaften aufgeteilt. Nur wenn alle Fördergeber*innen ihre bisherigen Praxen gemeinsam reformieren, kann Fair Pay gelingen. 

Das Land Salzburg hat schon 2020 ein Best Practice entwickelt und gemeinsam mit Stakeholdern eine nachhaltige Strategie zur Umsetzung erarbeitet. Seit 2021 werden die Förderungen stufenweise angehoben. Zielvereinbarungen zur Erreichung fairer Bezahlung werden mit den Fördernehmer*innen getroffen. Dabei wird der Fair Pay-Zuschuss des Landes auf Basis des 2021/2022 aktuellen Förderverhältnisses von Land Salzburg, Bund und Stadt/Gemeinde berechnet. 2022 hat auch die Stadt Salzburg beschlossen, ihren Beitrag zu Fair Pay zu leisten.
Diese Strategie baut darauf auf, dass der Bund ebenfalls auf dieser Berechnungsgrundlage nachzieht. Auf Basis gemeinsamer fairer Förderbedingungen könnte somit der Fair-Pay-Gap bei jeder Kultureinrichtung geschlossen werden.
Das Staatssekretariat für Kunst und Kultur des Bundes hat jedoch weder auf die Erkenntnisse aus Salzburg zurückgegriffen noch einen ähnlich transparenten Strategieprozess geführt.
Der Bund verteilt laut seiner Ankündigung 6,5 Millionen Euro für Fair Pay. Er berechnet die Summen ähnlich wie das Land Salzburg aliquot, aber fatalerweise mit einem anderen Verteilungsschlüssel oder mit der Gießkanne – je nachdem, wie die Qualität der Anträge eingeschätzt wird.
Bei der Berechnung des Anteiles des Bundes werden – im Unterschied zu den Berechnungen des Landes Salzburg – auch die wirtschaftlichen Eigenleistungen sowie Sponsorengelder einberechnet. Diese müssten daher ebenfalls entsprechend erhöht werden, was aber kaum möglich ist, da diese aber schon bisher bestmöglich ausgeschöpft wurden und real nicht mehr erhöhbar sind. Dadurch bliebe im Fair-Pay-Anteil des Bundes eine Lücke, die in den Folgejahren wiederum die anderen Gebietsörperschaften ausgleichen müssten.

Noch kurioser erscheint die Bemessung „aufgrund der künstlerischen Qualität“ eines Ansuchens. Konnte man bisher davon ausgegangen, dass nur Anträge gefördert werden, die den „künstlerischen“ Ansprüchen des Fördergebers entsprechen, scheint es in den Beurteilungen so etwas wie „Halbe-Qualität“ oder „Drittel-Qualität“ zu geben.
In spätestens zwei Jahren sind die minimalen Budgeterhöhungen des Bundes in den Preissteigerungen für Energie und Mieten versickert. Wenn das Kunst- und Kulturministerium sich nicht zu einer Reform des Fördersystems entschließen kann, ist Fair-Pay nicht umsetzbar. Dann können die Kulturschaffenden und Künstler*innen nur auf einen Neustart mit einer neuen Regierung hoffen.

 

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