Kultur bei der EU-Wahl 2019 - Alle Antworten der SpitzenkandidatInnen

Wir haben die österreichischen SpitzenkandidatInnen der EU-Wahl zu ihren Positionen zur europäischen Kulturpolitik befragt: In welche Richtung soll Europa gehen? Welchen Stellenwert hat die Kultur? Was soll mit dem Kulturbudget passieren und wie soll das Programm der Förderschiene Creative Europe ausgerichtet werden? Hier ihre nicht redigierten Antworten - ungekürzt und sortiert nach den Wahlergebnissen bei der letzten EU-Wahl.

EU-Wahl 2019 - die österreichischen SpitzenkandidatInnen

Hier kommt ihr zu den vollständigen Antworten der sieben in Österreich zu EU-Wahl antretenden SpitzenkandidatInnen. Sie wurden leicht redigiert, so sich Tippfehler eingeschlichen haben. Wir mussten die Fragen bei den thematischen Beiträgen kürzen, da manche davon unserer Aufforderung nach "kurzen Antworten" nicht nachgekommen sind. Der Vollständigkeit halber hier die ungekürzten Antworten der zur EU-Wahl antretenden Parteien, sortiert nach den Wahlergebnissen bei der letzten EU-Wahl:


 

Othmar Karas ist der Spitzenkandidat für die ÖVP.

Otthmar Karas

Wohin soll sich die Europäische Union in Zukunft entwickeln?

"Europa muss noch demokratischer werden und den Menschen in den Mittelpunkt des gemeinsamen Europas stellen. Denn die Europäische Union hat nur Zukunft, wenn sie die Bürger zu Beteiligten macht und Antworten auf die globalen Herausforderungen des Kontinents gibt. Dazu müssen wir Europa handlungsfähiger machen. Die EU darf sich nicht von den Vetorechten einzelner Mitgliedstaaten blockieren lassen. Am Einstimmigkeitsprinzip scheitert derzeit zum Beispiel ein effektiver Außengrenzschutz. Nur wenn wir als Kontinent gemeinsam handeln, können wir unseren Wohlstand, unsere Arbeitsplätze, unser Wirtschaftswachstum und ein vielfältiges, freies kulturelles Leben verteidigen."

Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach Kultur für Europa?

"Die Kultur ist das Nervensystem Europas und der Geschichte des Kontinents. Die Vielfältigkeit und Einzigartigkeit der Kulturen Europas hat den Kontinent zu dem geformt, was er heute ist. Wir wollen das immaterielle Erbe Europas und seine vielfältigen Identitäten bewahren und bereichern."

Welche Rolle soll die EU dabei für Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen spielen?

"Europa ist nicht nur ein Raum der Wirtschaft, der Sicherheit und des Rechts, sondern muss auch das gemeinsame kulturelle Erbe bewahren und weiter fördern. Die EU muss sich konsequent für die Freiheit für Kunst und Kultur einsetzen. Den Kunst- und Kulturschaffenden müssen ihre Schöpfungen und die Rechte daran fair und angemessen vergütet werden. Das gilt auch im Internet. Daher haben wir erst unlängst das Urheberrecht für den digitalen Raum auf neue Beine gestellt, damit nicht vor allem die großen Internetplattformen auf Kosten der Kunst- und Kulturschaffenden und an deren geistigen Eigentum verdienen. Schließlich müssen Kunst- und Kulturschaffende und Kultureinrichtungen für ihren Dienst an der Gesellschaft auch ausreichend gefördert werden. Denn manche kreative Arbeit mag noch so inspirierend und wertvoll für das kulturelle Leben in Europa sein und sich dennoch nicht entsprechend finanziell für den Kulturschaffenden lohnen. Bei der Förderung haben an erster Stelle die Mitgliedstaaten eine Rolle."

Das nächste Parlament wird den zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) beschließen. Wie stehen Sie zur Forderung nach einer Verdoppelung des EU-Budgets für Kultur?

"Der Kulturausschuss des Europäischen Parlaments hat gefordert, dass die Mittel für die Kulturförderung im zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen deutlich erhöht werden sollen. Die Mittel für das Programm "Kreatives Europa" sollen auf 2,8 Milliarden Euro für die Zeit von 2021-2027 verdoppelt werden. Zusätzlich fordert das Parlament, dass ein Prozent der Gesamtausgaben für alle EU-Programme in der nächsten Finanzierungsperiode für Kultur gewidmet werden sollen. Wir nennen das eine horizontale Priorität für die Kulturförderung. Wie hoch die Dotierung am Ende sein wird, hängt jetzt an den Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament, die im Herbst stattfinden."

Auch die Ausrichtung des EU-Förderungsprogramms CREATIVE EUROPE ab 2020 wird unter dem neu gewählten Parlament weiterverhandelt. Welche Prioritäten würden Sie setzen?

"Für die inhaltliche Ausrichtung der künftigen europäischen Kulturpolitik setzen wir auf die Zusammenarbeit zur Sicherung und Förderung der kulturellen Vielfalt und des kulturellen Erbes. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit des kulturellen und kreativen Sektors erhöhen und die internationalen Kulturbeziehungen stärken. Auch den audiovisuellen Sektor wollen wir in Europa stärken. Und wir wollen eine vielfältige Medienlandschaft sichern sowie die Medienkompetenz der Bevölkerung fördern, damit Fake-News nicht auf fruchtbaren Boden fallen. Schließlich müssen wir dafür sorgen, dass auch kleinere Kulturorganisationen Zugang zu den EU-Fördertöpfen erhalten."


 

Andreas Schieder ist Spitzenkandidat der SPÖ.

Andreas Schieder, SPÖ, EU-Wahl 2019

Wohin soll sich die Europäische Union in Zukunft entwickeln?  

"Wir brauchen ein Europa zum Verlieben, eine europäische Werte- und Solidargemeinschaft, mit der sich die Menschen identifizieren können. Dafür muss die EU sozialer und gerechter werden - für die Menschen da sein, nicht für die Konzerne. Hier ein paar Vorschläge, wie wir die EU weiterentwickeln wollen: Die EU sozialer und gerechter machen: Wir wollen eine starke Sozialunion schaffen, die für die Menschen in allen Mitgliedstaaten faire Mindestlöhne und robuste soziale Sicherungssysteme durchsetzt. Eine in Österreich angesiedelte Arbeitsbehörde soll schnell und schlagkräftig Fälle von Lohn- und Sozialdumping durch empfindlichen Strafen ahnden. Mit EU-weiten Mindeststeuersätzen wollen wir dafür sorgen, dass dem schädlichen Steuerdumping ein Riegel vorgeschoben wird und internationale Konzerne endlich ihren gerechten Steueranteil zahlen.

Die EU digital moderner und gerechter machen: Wir wollen einen besseren ArbeitnehmerInnen-schutz für die Menschen in der Digitalwirtschaft durchsetzen. Wir brauchen ein europaweites, modernes – auf Kreative und KonsumentInnen und nicht auf Konzerne ausgerichtetes – Urheberrecht: Ohne Uploadfilter aber mit einer fairen und angemessenen Entlohnung von Kunstschaffenden, damit diese von ihrer künstlerischen Leistung leben können. Netzneutralität, ein Recht auf Remixe und klare Regeln und Sanktionen gegen Hass, Sexismus und Rassismus, sollen sicherstellenstellen, dass sich alle frei und kreativ im Internet bewegen können. Die EU demokratischer machen: Das Europäische Parlament als einzig direkt gewählte Einrichtung soll selber Gesetze vorschlagen und das Abstimmungsverhalten im Ministerrat transparent von allen eingesehen werden können. Wir wollen die Europäische Bürgerinitiative vereinfachen und den Menschen durch EU-weite Sammelklagen die Möglichkeit geben, ihre Forderungen gemeinsam gegen Konzerne durchzusetzen. Die EU umwelt- und klimafreundlicher machen: Wir wollen die EU bis 2030 CO2-neutral machen. Dafür soll sie führend werden bei CO2-armen und energieeffizienten Technologien. In der Agrarwirtschaft wollen wir eine Biowende einleiten. Gefährliche Pestizide wie Glyphosat und Neonicotinoide sollen verboten und unnütze Einwegprodukte aus Plastik aus der Natur und den Geschäften verschwinden."

Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach Kultur für Europa?

"Für das europäische Friedens- und Einigungsprojekt spielt Kultur eine wesentliche Rolle. Kultur leistet einen wichtigen Beitrag zur europäischen Integration. Nicht zuletzt die Reaktionen auf den Brand der Kathedrale Notre-Dame de Paris haben gezeigt, dass es ein gemeinsames europäisches kulturelles Erbe gibt. Wir brauchen daher eine Stärkung des europäischen Kulturraums und Investitionen in das zeitgenössische kreative und künstlerische Schaffen, um das Gemeinsame, das Verbindende der europäischen Staaten noch stärker in den Vordergrund zu stellen. Wichtig wäre dazu auch eine Stärkung und bessere Vernetzung der europäischen Medienlandschaft."

Welche Rolle soll die EU dabei für Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen spielen?

"Die EU soll ein starker Partner für Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen sein. Es ist die zentrale Aufgabe der EU die europäischen Werte zu verteidigen und zu stärken. Wir kämpfen für den Erhalt einer demokratischen, solidarischen und weltoffenen Gesellschaft und für ein Europa, das den Grund- und Menschenrechten verpflichtet bleibt. Dies stellt auch die zentrale Basis für künstlerische Freiheit und Medienfreiheit dar."

Das nächste Parlament wird den zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) beschließen. Wie stehen Sie zur Forderung nach einer Verdoppelung des EU-Budgets für Kultur?

"Wir befürworten eine Stärkung der europäischen Kultur- und Medienlandschaft und höhere Investitionen in diese. Es muss allerdings sichergestellt sein, dass zur Verfügung gestellte Mittel die kulturelle Vielfalt sichern und nicht nur einigen wenigen zugutekommen."  

Auch die Ausrichtung des EU-Förderungsprogramms CREATIVE EUROPE ab 2020 wird unter dem neu gewählten Parlament weiterverhandelt. Welche Prioritäten würden Sie setzen?

"Das derzeitige Programm hat zu einer Fokussierung auf große, kommerzielle Projekte geführt. Wir wollen sicherstellen, dass in Zukunft die kleinteilige österreichische Kulturlandschaft besser Berücksichtigung findet. Dringend erforderlich wären beispielsweise auch Vereinheitlichungen und Vereinfachungen bei den Abrechnungsformalitäten und die Anerkennung von Eigenleistung bei Freiwilligenarbeit. Darüber hinaus existiert ein Problem bei Ko-Finanzierungen: Mitunter werden EU-Förderungen gewährt, eine nationale Ko-Förderung jedoch verweigert, womit das eingereichte Projekt nicht stattfinden kann. Hier muss sichergestellt sein, dass in Zukunft keine EU-Gelder verloren gehen."


 

Harald Vilimsky ist Spitzenkandidat der FPÖ. 

Harald Vilimsky, FPÖ, EU-Wahl 2019

Wohin soll sich die Europäische Union in Zukunft entwickeln?  
 
"Wir wollen eine EU, die abgeht von ihrem derzeitigen Zentralisierungskurs, der darauf ausgerichtet ist, immer mehr Kompetenzen von den Mitgliedsstaaten nach Brüssel zu verlagern. Deshalb setzen wir uns für eine Reform der Union ein, die sich künftig auf weniger Dinge fokussieren soll – insbesondere in jenen Bereichen, wo es um die Einlösung des Versprechens von Frieden, Freiheit und Wohlstand geht." 
 
Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach Kultur für Europa?
 
"Europa ist und war immer ein blühender Kontinent, was die Kultur angeht. Der kulturelle Reichtum und die Schaffenskraft hängen dabei ganz stark auch mit der reichhaltigen Vielfalt Europas zusammen, die sich befruchtend ausgewirkt hat. Wir wünschen uns, dass diese Vielfalt und dieser Reichtum auch in Zukunft erhalten bleiben."
  
Welche Rolle soll die EU dabei für Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen spielen?
 
"Zum einen sollte den Kunst- und Kulturschaffenden entsprechende Fairness für ihre Arbeit entgegengebracht werden. Kunst muss zwar leistbar sein, aber auch entsprechend abgegolten werden, wie das unter anderem auch mit der Copyright-Richtlinie nun der Fall ist. Zudem sollte die angesprochene Rolle auch eine diplomatische und vor allem repräsentative sein."
 
Das nächste Parlament wird den zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) beschließen. Wie stehen Sie zur Forderung nach einer Verdoppelung des EU-Budgets für Kultur?
 
"Wir wollen in allen Bereichen ein schlankeres EU-Budget und stimmen einer möglichen Verdoppelung im kommenden MFR nicht zu. Da der Wegfall der Briten auch im Finanzrahmen ein Loch hinterlässt, sind wir der Meinung, dass derart drastische Erhöhungen nicht angebracht sind."
 
Auch die Ausrichtung des EU-Förderungsprogramms CREATIVE EUROPE ab 2020 wird unter dem neu gewählten Parlament weiterverhandelt. Welche Prioritäten würden Sie setzen?
 
"Grundsätzlich ist ein solches Förderprogramm zu begrüßen, obgleich sich natürlich die Frage stellt, ob solche Förderungen unbedingt auf EU-Ebene erfolgen müssen, wenn man das auch in den Mitgliedsstaaten abbilden kann. Jedenfalls aber muss Kultur in ihrer Wirkung und in ihrer Entstehung frei bleiben. Eine Verknüpfung mit etwaigen politischen oder weltanschaulichen Richtlinien lehnen wir ab. Im Mittelpunkt muss immer Pluralität und Vielfalt stehen, die Europa ausmachen."


 

Werner Kogler ist der Spitzenkandidat der GRÜNEN. 

Werner Kogler, Grüne, EU-Wahl 2019

Wohin soll sich die Europäische Union in Zukunft entwickeln?   

"Die EU muss sich zu einer vollwertigen supranationalen Demokratie weiterentwickeln, in der alle öffentlichen Entscheidungen transparent von gewählten und politisch verantwortlichen Vertreterinnen und Vertretern getroffen werden. Der Widerstand einer Handvoll Mitgliedstaaten sollte nicht verhindern, dass die große Mehrheit vorankommt. Deshalb sollte das Einstimmigkeitserfordernis im Allgemeinen durch das normale Gesetzgebungsverfahren und eine vereinfachte verstärkte Zusammenarbeit ersetzt werden. Das Europäische Parlament muss die Befugnis haben, Rechtsvorschriften zu erlassen und seine Mitentscheidungs- und Kontrollrechte in allen Bereichen auszuüben. Es müssen weitere Schritte in Richtung „einer noch engeren Union“ unternommen werden. Wir unterstützen entweder einen parlamentarischen Konvent, der der Zivilgesellschaft offen steht, oder eine gewählte verfassungsgebende Versammlung, deren Mandat vom Europäischen Parlament und den Vertretern der Mitgliedstaaten mitentschieden wird, die mit qualifizierter Mehrheit handeln. Wir unterstützen eine demokratische Zukunft Europas, in dem regionale und nationale Besonderheiten im allgemeinen Interesse der EU gleichberechtigt vertreten sind. Aus diesem Grund fordern wir ein System, in dem das Europäische Parlament, das die EU-Bürgerinnen und Bürger als Ganzes vertritt und teilweise auf transnationalen Listen gewählt wurde, mit einer Kammer, die die Mitgliedstaaten vertritt, zusammenarbeitet. Die Regionen sind in einem starken Ausschuss der Regionen vertreten."

Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach Kultur für Europa?

"Gerade in Krisenzeiten zeigt/zeigte sich in der EU, dass das Fehlen einer sinnstiftenden gemeinsamen Vision und das offensichtliche Fehlen einer europäischen Identität ein nicht zu unterschätzender Teil der Probleme bzw. ein wichtiger Grund für den Mangel an Solidarität und Bereitschaft zur gemeinsamen Problemlösung sind. Der Weg zu einer solchen europäischen Identität kann und muss über die Kultur bzw. über die Summe ihrer Kulturen führen. Nicht ohne Grund sind die Kultur und die europäische Kulturpolitik fest in den Verträgen der EU verankert. Neben Identität geht es für uns bei Kultur auch um Diskurs, Reflexion, das Hinterfragen der eigenen Kultur und Traditionen. Kunst und Kultur und das Wissen um die der anderen führen zusammen, helfen bei Integration und dem Abbau von Vorurteilen, können so mittelbar gegen plumpen Populismus und Renationalisierungstendenzen wirken und sind unverzichtbarer Teil der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Und Bildung ist zweifellos eine Grundvoraussetzung dafür, dass Bemühungen in diesem Sinne auf fruchtbaren Boden fallen können.

Die sehr beschränkten Befugnisse im Kultur- und Bildungsbereich führen allerdings dazu, dass Anspruch und Wirklichkeit in vielen Bereichen der europäischen Bildungs- und Kulturpolitik relativ weit auseinandergehen bzw. die europäische Ebene ohne Unterstützung in den Mitgliedstaaten nicht das leisten kann, was es zu tun gäbe. Wir setzen uns aus all diesen Gründen dafür ein, dass die Bemühungen und Investitionen der EU in diesem Bereich erhöht werden und der Kulturaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten und auf internationaler Ebene noch stärker gefördert werden. Die Kraft der Kultur und eine lebendige Kulturpolitik sind eine wichtige Grundlage zur Weiterentwicklung der Demokratie in Europa - und können unserer Meinung nach auch Strahlkraft weit über die Grenzen der EU hinaus entwickeln. So geht es z.B. auf eine Initiative der Grünen zurück, dass es in den Außenbeziehungen der EU einen neuen Bereich für Kulturdiplomatie und kulturelle Zusammenarbeit gibt. Daneben leistet der Kultursektor auch einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Europas und ist ein relevanter Arbeitgeber!"
  
Welche Rolle soll die EU dabei für Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen spielen?
 
"Kunst- und Kulturschaffende in den Mitgliedstaaten sind natürlich die Schlüsselfiguren und Mittler, die mit ihrer Arbeit und ihrem gesellschaftlichen Engagement helfen, die genannten Ziele umzusetzen. Sind doch sie es, die mit den Konsumenten kultureller Inhalte/Bürgerinnen und Bürgern interagieren und die grenzüberschreitenden Kooperationen aufbauen und den kulturellen Austausch organisieren. Die EU sollte dabei so gut wie möglich unterstützen und daher die Investitionen in Kultur und Kunst deutlich ausweiten und damit den Kulturaustausch noch stärker fördern. Sie muss dabei unterstützen, die kulturelle/sprachliche Vielfalt zu wahren, den kulturellen Reichtum der europäischen Länder und Regionen bekannter zu machen, die künstlerische Freiheit zu schützen, kulturelle Innovation zu wagen und den Zugang zu Kultur möglichst für alle zu gewährleisten."
 
Das nächste Parlament wird den zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) beschließen. Wie stehen Sie zur Forderung nach einer Verdoppelung des EU-Budgets für Kultur?
 
"Aus all den bereits genannten Gründen sind wir natürlich für eine größtmögliche Aufstockung des Kulturbudgets. Gerade in Fragen des Budgets haben die Grünen im Europäischen Parlament schon in der Vergangenheit wichtige Akzente gesetzt und beispielsweise erfolgreich die Erhöhung der EU-Investitionen in die Kreativ- und Kulturwirtschaft durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen und das Programm 'Creative Europe' gefordert."  
 
Auch die Ausrichtung des EU-Förderungsprogramms CREATIVE EUROPE ab 2020 wird unter dem neu gewählten Parlament weiterverhandelt. Welche Prioritäten würden Sie setzen?
 
"Wie schon in der Vergangenheit sollte man auch weiterhin darauf achten, mit den geförderten Projekten eine möglichst große Reichweite zu erzielen, d.h. möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu erreichen und den Zugang zu Kultur zu erleichtern – mit Aktionen, die komplementär sind zu den politischen Initiativen in den Mitgliedstaaten bzw. idealerweise innovativer, visionärer, revolutionärer sind als diese. Außerdem sollten sie so viele künstlerische/kreative Bereiche und Sparten wie möglich umfassen.

Zu den in erster Lesung erreichten positiven Ergebnissen in Bezug auf die Programmschwerpunkte, die wir in den weiteren Verhandlungen verteidigen werden, gehören: Verbesserung des kulturellen Zugangs, der Beteiligung und Einbeziehung des Publikums in ganz Europa, insbesondere in Bezug auf Menschen mit Behinderungen oder anderen benachteiligten Gruppen.
Unterstützung des Beitrags der europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft zu Wohlstand und Innovation, zur Schaffung künstlerischer Werke, zur Generierung und Entwicklung von Schlüsselkompetenzen, Wissen, Fähigkeiten, neuen künstlerischen Praktiken und nachhaltigen Arbeitsplätzen und Wachstum.
Unterstützung von Sektoren zum Schutz des kulturellen Erbes und der Architektur: Mobilität der Akteure, Forschung, Festlegung hoher Qualitätsstandards, Austausch von Fachwissen, Erhaltung und Regeneration des Lebensraums, Förderung der Baukultur, Nachhaltigkeit, Verbreitung und Internationalisierung des kulturellen Erbes und seiner Werte.
Unterstützung eines Netzwerks der europäischen Kinobetreiber*innen, das einen beträchtlichen Teil der nicht-nationalen europäischen Filme zeigt, Beitrag zur Stärkung der Rolle der Kinotheater in der Wertschöpfungskette und Hervorhebung der öffentlichen Vorführungen als soziales Erlebnis.
Unterstützung der Verbreitung und des mehrsprachigen Zugangs zu kulturellen Fernsehinhalten online und offline, auch durch Untertitelung, um den Reichtum und die Vielfalt des europäischen Kulturerbes, zeitgenössische Kreationen und Sprachen.
Verbesserung eines freien, vielfältigen und pluralistischen Medien-, Kunst- und Kulturumfelds, der Berufsethik im Journalismus, des kritischen Denkens und der Medien; Bekämpfung von Desinformationen
Unterstützung hoher Standards in der Medienproduktion durch die Förderung von Zusammenarbeit, digitalen Fähigkeiten, grenzüberschreitendem kollaborativem Journalismus, qualitativ hochwertigen Inhalten und nachhaltigen medienökonomischen Modellen zur Gewährleistung einer professionellen Ethik im Journalismus
Kultur muss Teil der Beziehungen der EU zu Drittländern werden."
 


 

Claudia Gamon ist Spitzenkandidatin der NEOS.

Claudia Gamon, NEOS, EU-Wahl 2019

Wohin soll sich die Europäische Union in Zukunft entwickeln? 
 
"Unsere Vision sind die Vereinigten Staaten von Europa. Sie ermöglichen uns als Europa, souverän und handlungsfähig zu sein. Wir müssen uns den Populisten und Opportunisten in den Weg stellen, um den europäischen Lebensstil zu verteidigen. Kämpfen wir gemeinsam für ein Europa von morgen, in dem Frieden, Freiheit und Fortschritt garantiert sind."
 
Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach Kultur für Europa?
                              
"Kultur spielt für Gesellschaften und Regionen immer eine sehr wichtige Rolle – ohne Kultur geht es nicht. Kultur kann ein wichtiger Beitrag zu einer europäischen Identität und Integration sein. Ein lebendiges kulturelles Umfeld ist ein essenzieller Baustein für eine funktionierende Gesellschaft."

Welche Rolle soll die EU dabei für Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen spielen?

"Die EU soll eine unterstützende Rolle spielen und vor allem durch Umfeld- und Infrastrukturförderungen Freiraum für Kunstschaffende erzeugen. Eine sinnvolle Kulturpolitik ermöglicht kulturelle Vielfalt und künstlerische Freiheit. Europa muss ein Vorreiter an den Schnittstellen zwischen Kunst und Digitalisierung werden und europaweiten Künstlerkollektiven ein unbürokratisches, kreatives Schaffen ermöglichen."

Das nächste Parlament wird den zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) beschließen. Wie stehen Sie zur Forderung nach einer Verdoppelung des EU-Budgets für Kultur?

"Ich finde diese Forderung richtig und wichtig. Es muss jedoch gleichzeitig sichergestellt werden, dass die Förderungen auch wirklich dort ankommen, wo sie sinnvoll eingesetzt werden können."
 
Auch die Ausrichtung des EU-Förderungsprogramms CREATIVE EUROPE ab 2020 wird unter dem neu gewählten Parlament weiterverhandelt. Welche Prioritäten würden Sie setzen?

"Für mich würden vor allem nationenübergreifende Projekte hohe Priorität haben. Dadurch soll es zu einer verstärkten Vernetzung und Internationalisierung der Kultur kommen. Das schließt auch die Mobilität von Kunstschaffenden ein. Wie oben bereits erwähnt würde ich die Umfeld- und Infrastrukturförderung in den Fokus stellen. Freiheit und Freiräume für kulturelle Akteure stehen im Mittelpunkt."


 

Johannes Voggenhuber ist der Spitzenkandidat für die Initiative 1 EUROPA.

Johannes Voggenhuber, Liste JETZT Liste Pilz, Initiative 1 Europa, EU-Wahl 2019

Wohin soll sich die Europäische Union in Zukunft entwickeln? 

"Wir feiern die Republik Europa. Ein gewählter Konvent hat eine gemeinsame Demokratie, eine Sozialunion und eine Friedensordnung geschaffen. Eine europäische Volksabstimmung hat sie angenommen. Ökologische Steuern und Digitalabgaben ersetzen die Steuer auf Arbeit. Die Energiewende hat die Klimaerwärmung gestoppt. Die Überwachung wurde abgebaut. Die Regionen erhielten neue Rechte zur Selbstverwaltung. Afrika ist ein enger Partner. Die Werte Freiheit, Gleichheit und Solidarität gelten weltweit." 

Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach Kultur für Europa? 

"Würdigung des kulturellen Erbes und der Vielfalt Europas. Die EU ist bestrebt, das gemeinsame kulturelle Erbe Europas zu bewahren sowie Kunst und Kreativwirtschaft in Europa zu fördern. Aber auch wie im Vertrag von Lissabon (Art 167) zu Kunst & Kultur ausgeführt.

Andere Faktoren in Europa welche ebenso zur Rolle der Kultur gehören: Kultur der wichtigste Faktor für das Zugehörigkeitsgefühl zur Europäischen Union (Eurobarometerumfrage). Kulturtourismus für 40 % der weltweiten Tourismusausgaben verantwortlich. Kultur- und Kreativsektor: drittgrößter Arbeitgeber in der EU (nach Lebensmittel- und 
Getränkesektor). 
Kultur- und Kreativsektor trägt rund 509 Milliarden € an Mehrwert zum BIP bei, (5,3 
% des gesamten BIP der EU) und stellt 12 Millionen Vollzeitzeitarbeitsplätze (ca. 7,5 
% der europäischen Erwerbsbevölkerung). 
Zugang zu Kultur für die Lebenszufriedenheit und das psychologische Wohlbefinden 
wichtiger als ein Job oder das Einkommen - nur Gesundheit ist wichtiger (Studie ITA). 
Die kulturelle Teilhabe wichtigster Einflussfaktor für das Wohlergehen im Alter 
(Studie UK). 
Die finanziellen Rückflüsse von Creative Europe und Media für Österreich sehr gut: 
für jeden Euro, der ins Kulturprogramm fließt, bis zu 3 Euro retour (Umwegrentabilität)."

Welche Rolle soll die EU dabei für Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen spielen? 

"Spezielle Initiativen wie das „Europäische Jahr des Kulturerbes“ sollen diese lebendige und vielfältige Kultur allen zugänglich machen. Viele Bereiche der EU-Politik, beispielsweise Bildung, Forschung, Sozialpolitik, Regionalentwicklung und Außenbeziehungen, haben kulturelle Komponenten. Kulturschaffen und ‐Förderung in der interaktiven und globalisierten Welt von heute gehen auch mit Medien und digitalen Technologien Hand in Hand. Die EU fördert die kulturpolitische Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regierungen und mit internationalen Organisationen. Mit dem Programm „Kreatives Europa“ unterstützt die EU die europäische Film-, Kunst- und Kreativbranche, um ihr neue internationale Chancen, Märkte und Zielgruppen zu erschließen und so für Arbeitsplätze und Wachstum in Europa zu sorgen. Jedes Jahr werden zwei europäische Städte als „Europas Kulturhauptstädte“ ausgewählt: dies gibt der Wirtschaft vor Ort zusätzliche Impulse und rückt lokale Künstler*innen und den einzigartigen kulturellen Reichtum dieser Städte ins Rampenlicht. Die EU übernimmt auch alljährlich Partnerschaften für Filmfestivals, Kulturveranstaltungen, Konzerte, Konferenzen und Kunstpreise in ganz Europa. 

Die o.a. Beschreibungen gehörten allerdings auch in entsprechende Kontexte und zu einer Vergleichbarkeit der Nutzer*innengruppen. Hier bestehen noch immer eklatante Unterschiede (z.B. Museen, welche durch Errichtung eines „zusätzlichen Zweiges“ auch an zusätzliche „Drittmittel“ gelangen, während „kleinere Anwerber*innen“ leer ausgehen)." 

Das nächste Parlament wird den zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen (2021- 2027) beschließen. Wie stehen Sie zur Forderung nach einer Verdoppelung des EU- Budgets für Kultur? 

"JA, u.a. auch aus den sich ergebenden angegebenen Faktoren welche auszugsweise in der Beantwortung der Frage 2 angeführt sind.
 Ferner würden wir auch für eine Harmonisierung und Anpassung sozialer Standards im Kunst & Kulturbereich eintreten um Prekarität und Altersarmut im Bereich Kunst & Kultur eindämmen zu können." 

Auch die Ausrichtung des EU-Förderungsprogramms CREATIVE EUROPE ab 2020 wird unter dem neu gewählten Parlament weiterverhandelt. Welche Prioritäten würden Sie setzen? 

"Das Förderprogramm »Creative Europe« ist ein wichtiges Instrument der europäischen Kulturpolitik, das vor allem von der Kreativwirtschaft und von großen Organisationen im Kulturbereich in Anspruch genommen wird. Künftig sollten auch verstärkt kleinere Organisationen und Netzwerke aus dem Bereich Kunst und Kultur eine Förderung von »Creative Europe« nutzen können. Bei Vergabe von EU Mitteln greifen auch stringente EU Kontrollmechanismen und zu erfüllende Voraussetzungen. Hier müsste ein Mittelweg der diesbezüglichen Adaptierung der kleineren Organisation hin zu den unabdinglichen EU „Requirements“ einerseits und eine Vereinfachung der Anforderungen der EU an die kleineren Organisationen andererseits stattfinden. Die gleichen Herausforderungen bestehen u.a. auch z.B. bei Universitätsprojekten. 

Vorgesehene Prioritäten (Auszug): Verstärkung der Zusammenarbeit im Bereich Kunst und Kultur, 
Verstärkung der Mobilität von Künstlern und Kulturschaffenden, auf europäischer 
Ebene sowie Forderung auch Drittländer gem. UNESCO Konvention, 
Förderung der Zusammenarbeit, der Wettbewerbsfähigkeit und des 
Innovationspotenzials der europäischen audiovisuellen Industrie; 
Unterstützung der Schaffung, Verbreitung & Bekanntmachung europäischer Werke; 
Förderung eines vielfältigen und pluralistischen Medienumfelds und von 
Medienkompetenz. 
Forderung: Vorlage der Kunst & Kulturpläne der Mitgliedsstaaten und Herausarbeitung der Überlappungen und möglicher grenzüberschreitenden regionalen Projekte. 
Forderung: Einführung Sozialstandards und Evaluierungen und gegebenenfalls Anpassungen. 
Ebenfalls anzudenkende Herausforderungen welche Relevanz haben sollten (Auszug): Zunehmender Druck auf die kulturelle Vielfalt und das kulturelle Erbe Europas 
(wachsenden Marktbeherrschung aus Drittländern und USA); 
unzureichende Verbreitung europäischer Werke; 
fragile Wettbewerbsfähigkeit des Kultur- und Kreativsektors; 
fehlende Ausbildungs- und Mobilitätsmöglichkeiten für Künstler/innen und 
Kreative; 
mangelnde internationale Dimension der europäischen Kultur; 
Schwierigkeiten bei Gewährleistung der sozialen Inklusion; 
begrenzte Anpassung bzw. Vorbereitung „digitaler Wandel“. 
Mangel an Kapazitätsaufbau (Fachkräfte und Professionalisierung), 
besondere Herausforderungen audiovisuelle Industrie durch zunehmend 
integrierter digitaler Binnenmarkt (inkl. Rechte & Lizenzen und Uploadfilter 
Thematik), 
sektorspezifische Herausforderungen (Musiksektor, Buch- und Verlagssektor, 
Architektur, Kulturerbe und bildenden Kunst). 


Konkret sollten im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmen neben traditionellen Finanzierungsprogrammen für Kultur auch spezifische Finanzierungsinstrumente und zusätzliche Finanzierungsprogramme bereitgestellt werden. Dies umfasst die Umsetzung der EU-Kulturdiplomatie, eine hervorgehobene Rolle des Kultursektors in den Forschungs- und Entwicklungs-Finanzierungssystemen der EU und in den EU-Struktur- und Kohäsionsfonds nach 2020 sowie ein sektorübergreifender Ansatz, der den Kultur- und Kreativsektor mit den Bildungssystemen und anderen Wirtschaftssektoren verbindet. Augenmerk sollte auch auf Einführung von Sozialstandards gelegt werden. Ebenso sollte eine Nachhaltigkeit der Programmführungen zu einer Stabilität und entsprechenden Kontinuität, trotz bestehendem Ressourcendruck, im Kunst und Kulturbereich erreichbar sein können." 
 


 

Katerina Anastasiou (Listenplatz 1) und Katalin Erdödi (Listenplatz 5) für die Liste KPÖ PLUS - European Left.

Katerina Anastasiou KPÖ plusWohin soll sich die Europäische Union in Zukunft entwickeln?  

"Nach Links. Das Europa, das wir wollen, existiert noch nicht. Die Europäische Union hat strukturelle Probleme, die von den etablierten Parteien verschwiegen oder gar oft ausgenützt werden um knallharte, neoliberale und rassistische Politik auf Kosten der Menschen durchzusetzen. Demokratische Entscheidungen werden von einer undurchsichtigen Bürokratie brutal bekämpft, wenn sie es wagen das neoliberale Mantra infrage zu stellen, wie wir am Beispiel Griechenland sehen. Eine europäische Integration von Links würde ganz anders aussehen. Wir wollen ein Europa mit einem voll funktionierenden Parlament, das den sozialen Bewegungen gegenüber Rechenschaft ablegt. Die Bewegung für Seenotrettung, die Friedensbewegung, die Kleinbäuer*innen-Bewegung, der Frauenstreik, der Klimastreik, die Bewegungen gegen die Privatisierung von Wasser, die Arbeiter*innen-Bewegung etc. Ihre Forderungen müssen auf die Europäische Ebene getragen werden, für die wollen wir eine Stimme sein. 

Das Europa, das wir wollen, ist ökologisch, demokratisch, feministisch und sozial: ein politischer Raum wo Menschenrechte oberstes Gebot sind." 

Welche Rolle hat Ihrer Meinung nach Kultur für Europa?

"Kultur spielt eine zentrale Rolle für die europäische Identität: es bildet die kulturelle Vielfalt der Länder, Regionen und Gemeinden Europas ab, es ist ein Bekenntnis zur Diversität und Mehrstimmigkeit. Gleichzeitig ist es auch ein wirksames Instrument der kritischen Reflexion und des gesellschaftlich Imaginären, mit dem einerseits neue Zukunftsvisionen entworfen, andererseits herrschende Vorstellungen europäischer Kultur, z.B. unser Eurozentrismus hinterfragt, und die Geschichte Europas – unter anderem seine imperialistische, koloniale und faschistische Vergangenheit – kritisch untersucht und aufgearbeitet werden kann. 

Unsere Auffassung europäischer Kultur muss radikal neu verhandelt und dekolonialisiert werden, um eine Kultur der Pluralität, der multiplen Perspektiven zu ermöglichen, die indigene, migrantische, sowie weitere minoritäre und oft marginalisierte kulturelle Positionen gleichberechtigt beinhaltet und unterstützt. 

Wir befürworten einen feministischen, antirassistischen und dekolonialen Kulturbegriff für Europa."

Welche Rolle soll die EU dabei für Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen spielen?

Kunst und Kultur sind in den letzten Jahren europaweit vermehrt zum ideologischen Schlachtfeld geworden: in zahlreichen Ländern macht sich ein „Kulturkampf” von rechts breit, der Kunst- und Kulturschaffende unter zunehmenden Druck setzt und die Freiheit der Kunst, sowie die Autonomie des Kulturbereichs, ihrer Institutionen und Förderung gefährdet. Als »KPÖ PLUS – European Left« fordern wir eine europäische Kulturpolitik, die die Kunstfreiheit gewährleistet und sich auf der EU-Ebene deutlich zur öffentlich geförderten Kultur bekennt. Wir treten entschieden dem populistischen Agieren zur Renationalisierung der Kultur, sowie den Angriffen an Kunst- und Kulturschaffende und ihre Einrichtungen entgegen. Dank der neoliberalen Haushaltspolitik nationaler Regierungen, mit Kürzungen und Umschichtungen zulasten von Kultur, sind Kulturarbeit und künstlerische Produktion unter den Branchen, die am meisten von Prekarisierung, irregulären Beschäftigungsverhältnissen und sozialer Unsicherheit betroffen sind. Wir wollen, dass künstlerisches und kulturelles Schaffen als gesellschaftlich notwendige Arbeit anerkannt sowie finanziell und sozial abgesichert wird. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Kulturschaffenden unabhängig davon, ob sie im öffentlichen und frei-gemeinnützigen Kulturbereich oder in der Kultur- und Kreativwirtschaft angestellt oder selbstständig arbeiten, von ihrer Arbeit leben können und fair bezahlt werden.

Kultur ist ein wichtiges Instrument der Demokratieförderung: angesichts der rechten Wende und antidemokratischen Tendenzen auf der nationaler Ebene, soll Kulturförderung auf der EU-Ebene weiterausgebaut und aufgestockt werden, um Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen adäquate Unterstützung, Handlungsraum und Freiheiten zu gewährleisten. Auch wenn Kulturförderung eine hoheitliche Aufgabe der EU-Mitgliedsländer ist, ist die EU-Kulturpolitik einem demokratischen, weltoffenen Dialog in Europa verpflichtet.

Wir sollen aber auch nicht vergessen, dass im Kunst- und Kulturbereich, was Infrastruktur, Fördermöglichkeiten und Arbeitsbedingungen betrifft - ähnlich zu anderen Bereichen – existiert eine große, grundsätzlich strukturelle Ungleichheit zwischen den Mitgliedsländern, die auch auf die transnationale Kooperationsmöglichkeiten Kunst- und Kulturschaffende und ihrer Einrichtungen Auswirkungen hat. Eine europäische Kulturpolitik sollte auch diese soziale sowie kulturelle Ungleichheiten gezielt adressieren und Impulse für den Zugang aller zu Kulturleistungen liefern."

Das nächste Parlament wird den zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) beschließen. Wie stehen Sie zur Forderung nach einer Verdoppelung des EU-Budgets für Kultur?

"Wir unterstützen die Forderung nach einer Verdoppelung des EU-Budgets für Kultur, aus Gründen, die schon oben erwähnt sind. Allerdings mit einer künftigen Aufstockung des Budgets müssen auch die Schwerpunkte und die Strategien der europäischen Kulturpolitik reflektiert werden. Die aktuelle Kulturförderung tendiert die strukturelle Ungleichheit zwischen und innerhalb der Mitgliedsländern zu reproduzieren: als »KPÖ PLUS – European Left« stehen wir für eine Förderpolitik im Sinne der „kulturellen Demokratie“, die z.B. auch kleinere, community-basierte Projekte berücksichtigt und aktiv unterstützt. Um mehr Demokratie in der EU zu fördern, muss sich die EU-Kulturpolitik mit der Forderung nach einer Demokratisierung der kulturellen Produktion und einer Verteilungsgerechtigkeit auseinandersetzen und eine „Kultur für alle und von allen“ ermöglichen. Dabei müssen auch Forderungen nach mehr Diversität in Kultureinrichtungen und Gendergerechtigkeit verhandelt werden, um langfristige, nachhaltige und systemische Änderungen im Kunst- und Kulturbereich zu erwirken.

Auch die Frage steht im Raum, wie diese Erhöhung gestemmt werden kann. Das Europaparlament stimmt das Budget als Ganzes ab und kann nur Empfehlungen bezüglich der Zusammenstellung machen. Auch hier werden die diversen demokratischen Defizite der Europäischen Union sichtbar. Dagegen wollen wir wirken und die Demokratisierung der Struktur und der Entscheidungsprozesse vorantreiben."  

Auch die Ausrichtung des EU-Förderungsprogramms CREATIVE EUROPE ab 2020 wird unter dem neu gewählten Parlament weiterverhandelt. Welche Prioritäten würden Sie setzen?

Eine der Prioritäten wäre das Förderprogramm auch für kleinere Institutionen und Organisationen leichter zugänglich zu machen und damit Kooperationen und Partnerschaften zu ermöglichen, die die oben erwähnten strukturellen Ungleichheiten innerhalb des Kunst- und Kulturbereichs auf einer europäischen Ebene entgegenwirken und eine Verteilungsgerechtigkeit anstreben. In diesem Hinsicht ist es wichtig, auch die Frage des Eigenanteils, das CREATIVE EUROPE in ihren Programmen voraussetzt, zu diskutieren, da dieses für Kunst- und Kulturschaffende sowie Kultureinrichtungen oft ein unüberwindbares Hindernis bedeutet und sie daran verhindert neue Partnerschaften und Kooperationen zu schließen. Vor allem in Ländern, wo durch zunehmende politische Einflussnahme auf nationalen Kulturförderungen, Angriffe auf die Unabhängigkeit und Autonomie der Fördergremien erfolgt haben bzw. erfolgen, wird den Zugang zu öffentlichen Geldern maßgeblich erschwert und dadurch auch die Chancen der Akteur*innen vermindert, das nötige Eigenanteil aufzustellen. Als »KPÖ PLUS – European Left« streben wir die Erarbeitung eines neuen „kulturellen Subsidiaritätsprinzips“ an, das im Fall der bewilligten CREATIVE EUROPE Projekten die Kulturförderung auf der nationalen, regionalen, oder Gemeinde-Ebene zur Ko-finanzierung des Eigenanteils verpflichtet. 

Ebenfalls wichtig wäre die inhaltlichen Schwerpunkte des CREATIVE EUROPE Programms entlang einen erweiterten Kulturbegriff neu zu definieren, der auch indigene, migrantische und weitere minoritäre Positionen berücksichtigt und der mit einer feministischen, antirassistischen und dekolonialen Auffaussung von Kunst und Kultur arbeitet. Wir setzen uns für die Förderung eines künstlerischen und kulturellen Schaffen ein, das das Status Quo und die herrschenden Perspektiven auf die Welt herausfordert und neue, andere Blickwinkel vermittelt.  Um eine solche systemische Demokratisierung der Kulturförderung vollzuziehen, müssen auch die Auswertungskriterien der Einreichungen und der geförderten Tätigkeiten kritisch untersucht werden: wer profitiert von den aktuellen Förderkriterien und Richtlinien, und wie könnten wir Förderinstrumente mehr demokratisch gestalten?

„Europe does not make us dream (Europa weckt in uns keine Träume),“ sagt die feministische Philosophin Rosi Braidotti, die in ihrem Buch „Nomadische Subjekte“ für ein post-nationales Europäisches Projekt und die Notwendigkeit eines neuen gesellschaftlichen Imaginäre für Europa (new European social imaginary) plädiert. Wir wünschen uns eine Kulturpolitik, die uns das Europa träumen lässt, das wir haben wollen." 

 


 

Mehr über die Positionen der KandidatInnen zu Kulturfragen: 

 

Alle Antworten in voller Länge

 

Zur Richtung in die Europa gehen soll und zur Rolle der Kultur

 

Welche Rolle die EU für Kunst- und Kulturschaffende wie Kultureinrichtungen spielen soll

 

Wie das Kulturbudget aussehen soll und wie Creative Europe ausgerichtet werden soll

Ähnliche Artikel

Forcierung der musisch-kreativen Ausbildung von Kindern und Jugendlichen? Verbesserungen in der Visavergabe für Kulturprojekte? Ausweitung der Bezieher*innen beim Künstlersozialversicherungsfonds? Im Zusammenschluss mit anderen Interessenvertretungen fordern wir die Bundesregierung auf, offen gebliebene Versprechungen aus dem Regierungsprogramm jetzt einzulösen.
Pläne rechtsextremer Gruppierungen millionenfacher Abschiebungen auch von Staatsbürger*innen überschreiten eine rote Linie. Die FPÖ unterstützte bislang dort anwesende Gruppierungen. Sie muss sich nun klar von ihnen distanzieren.
Das Kunst- und Kulturbudget des Bundes für das Jahr 2024 ist mit 668,8 Mio. Euro veranschlagt. Gegenüber 2023 (620,2 Mio.) ist das ein Plus von 48,6 Mio. Euro oder 7,8 Prozent. Große Würfe sind hier nicht zu erwarten – allerdings muss hervorgehoben werden, dass Vorgänger*innen von Staatssekretärin Mayer nicht einmal die Inflationsanpassung erkämpfen konnten. Das ist nun gelungen. Spielräume für Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Struktursicherung der freien Szene sind im gegebenen Rahmen jedoch nicht realistisch.