Der Wert von Kunst und Kultur in der Kulturförderung
Die zweite Ausgabe der IG Kultur Steiermark Veranstaltungsreihe „Zukunftsdialoge“ hat sich in zwei Teilen mit dem Thema „Wert von Kunst und Kultur in der Kulturförderung“ beschäftigt.
Die zweite Ausgabe der IG Kultur Steiermark Veranstaltungsreihe „Zukunftsdialoge“ hat sich in zwei Teilen mit dem Thema „Wert von Kunst und Kultur in der Kulturförderung“ beschäftigt.
Zur vertiefenden Einführung fand, moderiert von Lidija Krienzer-Radojevic, am 22.03.2018 ein offener Lesekreis statt, bei dem der Text „Auditing culture: the subsidised cultural sector in the New Public Management“ von Eleonora Belfiore diskutiert wurde.
In ihrem Text untersucht Belfiore, welche Auswirkungen die Praktiken des New Public Managements auf Subventionen im Kultursektor in Großbritannien haben. Die Einführung des New Public Managements in der öffentlichen Verwaltung ist für die Autorin der Hauptfaktor für den „instrumental turn“ in der britischen Kulturförderung zwischen den frühen 1980er Jahren und heute. Instrumentell bedeutet, dass kulturelle Investitionen als Mittel eingesetzt werden, um Ziele in anderen als dem kulturellen Feld zu erreichen. Kultur wird also nur als ein Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck subventioniert. So soll Kultur beispielsweise zur Schaffung neuer Jobs, zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung oder zur Stadtentwicklung beitragen. Belfiore erklärt den „instrumental turn“ durch die neoliberale Zurückdrängung des Staates und die Reduktion der Staatsausgaben in der Thatcher-Ära und durch die nachfolgenden Labour-Regierungen sowie durch den Einzug des Kulturrelativismus in den kulturellen Diskurs, der bisherige Prinzipien wie Qualität und Exzellenz für kulturpolitische Entscheidungen in Frage gestellt hat. Mit der Einführung des vermeintlich politisch neutralen New Public Managements mussten in der öffentlichen Verwaltung klare Ziele definiert und diese anschließend evaluiert werden. Den kulturellen Sektor stellt dieser Paradigmenwechsel in der öffentlichen Verwaltung vor die Schwierigkeit, wie sich die Auswirkungen des kulturellen Feldes auf die Gesellschaft messen lassen.
In der Diskussion wurde sichtbar, dass sich auch in der lokalen Kulturpolitik ein „instrumental turn“ abzeichnet. Dieser vollzieht sich auf zwei Arten: Einerseits ist eine „Eventisierung“ der Kulturproduktion zu beobachten, indem „Leuchtturmprojekte“ stark gefördert werden mit dem Anspruch so einen Mehrwert im internationalen Städtewettbewerb zu liefern und andererseits durch die Vorgabe thematischer Schwerpunkte bei Calls für Kulturförderungen. Im Kulturjahr 2020 der Stadt Graz soll die Kultur Antworten auf Integrationsprobleme, das Auseinanderdriften der Gesellschaft und den technologiebedingten Wandel in der Lebens- und Arbeitswelt liefern. Ebenso musste für die mehrjährigen Förderverträge der Stadt Graz zu den Themen: friedvolles Zusammenleben in Diversität, Digitalisierung und die damit verbundenen Herausforderungen sowie Urbanisierung Stellung genommen werden.
Am 5. April fand der zweite Teil dieses Zukunftsdialoges im <rotor> statt. Im gut besuchten Ausstellungsraum hielt Malik Scharif einen Vortrag über den Wert von Kunst und die öffentliche Kulturförderung aus der universitären Perspektive. Sharif hat Musikologie und Philosophie in Graz und Halle a. d. Saale studiert und ist seit 2015 der Assistent der Vizerektorin für Forschung an der Kunstuniversität Graz. In dieser Funktion ist er unter anderem für das universitäre Forschungsservice und die strategische Beratung in forschungspolitischen Fragen zuständig. In seinem Vortrag stellte er einen Zusammenhang zwischen Förderungen in Wissenschaft und Forschung und den öffentlichen Kulturförderungen her. Im Programm der türkisblauen Bundesregierung sind Parallelen zu bereits vorhandenen Tendenzen in Wissenschaft und Forschung erkennbar. So wird auf S. 94 angekündigt, die öffentliche Kulturförderung „parallel zum System im Bereich Wissenschaft und Forschung“ umzugestalten. Geplant wird die „Einführung von klaren Qualitätskriterien (Benchmarking), Peer-Reviews und Mitarbeiterreviews beim Einsatz öffentlicher Fördermittel“ sowie die „Durchführung effektiver Kontrolle [sic!], ob die vorgegebenen Wirkungsziele und Qualitätskriterien erreicht wurden; darauf aufbauend echtes Prämiensystem“. Ebenso ist im Regierungsprogramm eine Fokussierung auf die finanzielle Rentabilität öffentlich geförderter Kunst und Kultur vorhanden. Da die öffentliche Finanzierung der Universitäten als Modell für die öffentliche Kulturförderung herangezogen werden soll, ist es für eine unabhängige und handlungsfähige Kulturszene ratsam, sich anzusehen welche Prinzipien und Mechanismen diesen Finanzierungsmodellen in Österreich zu Grunde liegen und welche Auswirkungen dieses Finanzierungssystem auf die Universitäten und die dort stattfindenden Aktivitäten hat. Zumal in Österreich durch die Kunstuniversitäten eine direkte Berührung zwischen beiden Sektoren gegeben ist.
Sharif stellte gleich zu Beginn fest, dass er die Ideologie des Neoliberalismus keinesfalls teilt. Für ihn wäre die neoliberale Agenda „ein direkter Weg in eine von massiver Ungleichheit, sozialer Härte und weitreichender Entmündigung gezeichnete, entsolidarisierte, intellektuell und kulturell verarmte Gesellschaft.“ Vor allem der Wissenschaft und der Kunst sprach er in seinem Vortrag eine wichtige Rolle für eine aufgeklärte und demokratische Gesellschaft zu, die neue Dimensionen im Diskurs eröffnet und unser Leben mit Freude und Lust erfüllt. Deswegen darf diese auch nicht durch von außen herangetragene Rentabilitätserwägungen behindert werden. Ihre Finanzierung liege, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit, in der Verantwortung des Staates. Das dazu notwendige Geld wäre auch vorhanden, würden nicht große Unternehmen und reiche Einzelpersonen systematisch ihre Steuerzahlungen vermeiden.
Nach dieser einleitenden persönlichen Standortbestimmung, beschrieb er die Transformation des Hochschulsektors, die sich seit etwa den 1990er Jahren weltweit in unterschiedlicher Intensität vollzieht. Universitäten sollen nicht mehr primär der wissenschaftlichen Bildung und dem umfassenden wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt als Selbstzweck dienen, sondern die am Arbeitsmarkt benötigten Arbeitskräfte ausbilden und schützbares geistiges Eigentum produzieren, das anschließend verwertet werden kann. Diese veränderte Zwecksetzung führt zu einer Ressourcenverschiebung in vermeintlich oder tatsächlich wirtschaftlich aussichtsreichere Disziplinen wie die Naturwissenschaften. Davon blieben auch die Kunsthochschulen nicht verschont, so werden beispielsweise schon seit einigen Jahren Entrepreneurship (privatwirtschaftliches Unternehmertum) und eine verstärkte Anbindung an die Kreativwirtschaft propagiert. Durch die Rekonzeptualisierung des Hochschulsektors als Markt, müssen Universitäten um finanzielles und symbolisches Kapital konkurrieren. Der Wettbewerb zwischen den Institutionen soll als Instrument für Mittelvergabe dienen. Gesteuert durch die „unsichtbare Hand“ sollen die Mittel dort landen, wo sie die meiste Wirkung entfalten. Allerdings lässt sich das Gegenteil feststellen, wie Sharif in seinem Vortrag ausführte. Es würde stattdessen der sogenannte Matthäus-Effekt eintreten und dort wo bereits viel Kapital vorhanden ist, noch mehr Kapital hinfließen. Institutionen die eine hohe Leistungsfähigkeit haben, weil sie gut finanziert sind, erhalten noch mehr Kapital, während Institutionen, die schlecht abschneiden, weil sie wenig finanzielle Mittel zur Verfügung haben, noch weniger erhalten. Gleichzeitig kommt es zu einer Verringerung der wissenschaftlichen Vielfalt, da nur noch die dominanten Forschungszugänge finanziert werden. Der Matthäus-Effekt führt also zu einer Verarmung und Ausbremsung der wissenschaftlichen Debatte und des wissenschaftlichen Fortschritts. Das Verwaltungssystem des akademischen Kapitalismus ist das New Public Management. Im österreichischen Universitätssystem schlägt sich das New Public Management in Form eines kaskadenartigen Leistungsvereinbarungssystems nieder. Die definierten Ziele müssen messbar sein und basierend auf vergangenen Leistungskennzahlen und Indikatoren werden die Gelder zugeteilt. Unter dem Regime des New Public Managements herrscht allgemeines Misstrauen gegenüber den jeweiligen Auftragnehmern, weshalb ein stark kennzahlengestütztes und arbeitsaufwändiges Vertrags- und Kontrollsystem aufgebaut wird. Jedoch erzeugt dieses Misstrauen erst das unterstellte Verhalten, es wird versucht die Kennzahlen mit möglichst geringen Aufwand zu erreichen.
In einem kurzen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen im universitären Sektor zeigte sich Sharif eher pessimistisch, denn es ist davon auszugehen, dass sich die von ihm beschriebenen Tendenzen des akademischen Kapitalismus in Österreich noch verstärken werden. Mit einem kritischen Widerstand von innen sei immer weniger zu rechnen, weil zukünftige Mitarbeiter_innen bereits in den kapitalistischen Verwertungslogiken sozialisiert wurden. Die im Regierungsprogramm angekündigte Schaffung einer übergreifenden Kunst- und Kulturstrategie, die für alle Verwaltungsebenen und Gebietskörperschaften verbindlich sein soll, lässt eine Übernahme der Ziel- und Leistungsvereinbarungen auf den Kultursektor erwarten. Folge davon wäre eine marktkonforme Verengung der öffentlich geförderten Kunst- und Kultur. Die inhaltliche Transformation würde analog zum Universitätssektor von einer massiven Erhöhung der bürokratischen Belastung durch das New Public Management und das Bemerkbarmachen des Matthäus-Effektes begleitet werden. Um auf die sich andeutenden Entwicklungen reagieren zu können gäbe es für Sahrif folgende Handlungsoptionen: Rückzug, Unterwerfung, fundamentaler Widerstand und dissidente Partizipation. Ein Rückzug sei für ihn einerseits aus moralischen Gründen keine Option und anderseits würden so auch noch die letzten Möglichkeiten der Einflussnahme bei relevanten Stellen und politischen Entscheidungsträgern verloren gehen. Gleichzeitig plädierte er aber auch für fundamentalen Widerstand gegen den Neoliberalismus. Als Kompromissoption sah er die „dissidente Partizipation“, also weiter mitzuspielen, aber von innen heraus Kritik zu betreiben. Dies sei jedoch mit dem Risiko verbunden, dass trotz kritischer Haltung, die eigene künstlerische Arbeit transformiert wird. Abschließend betonte er, dass sowohl die unabhängige Kulturszene als auch die öffentlichen Kunstuniversitäten gemeinsame politische Interessen und Ziele haben und eine verstärkte Zusammenarbeit die politische Schlagkraft stärken würde!