one step forward – two steps back oder: mach dich wichtig in einer minute

ich weiß eigentlich gar nicht, was ich sagen soll, um mich interessant zu machen. ich bin 42 jahre alt und will bitte bei euch noch einmal was lernen? uncool. wurscht. es fühlte sich sehr strange an, als niemand mir, bis auf die erste frage nach meiner intention, eine weitere frage stellte.

partielle selbstständigkeit ist ein schwieriges unterfangen. ich bin seit zwei monaten u. a. auch eine firma. ein epu – ein ein-personen-unternehmen oder eine kleinfirma. viel lieber wäre ich künstlerin, und deswegen habe ich mich an der akademie der bildenden künste als studentin beworben. die selektion funktioniert so, dass es in der letzten runde einen großen runden tisch gibt. ich werde aufgerufen, bin sehr nervös und betrete den raum, einige bekannte gesichter. ich weiß eigentlich gar nicht, was ich sagen soll, um mich interessant zu machen. ich bin 42 jahre alt und will bitte bei euch noch einmal was lernen? uncool. wurscht. es fühlte sich sehr strange an, als niemand mir, bis auf die erste frage nach meiner intention, eine weitere frage stellte. danke – wir machen uns ein bild – achten sie auf den aushang. tschüss.

beim fest der ig kultur wien, wo ich als dj für einen kleinen unkostenbeitrag gebucht wurde, der übrigens noch immer nicht auf meinem konto eingelangt ist, zeigte sich, was für ein niemand frau als dj ist. bereits an der tür werde ich – die schweren platten am rücken, fragend, wer denn für mich zuständig ist bzw. ob es einen backstageraum gibt oder getränkebons – selbst gefragt, ob ich denn auch gute musik auflege. danke, gute frage. der abend ist gelaufen. noch mehr gelaufen ist der abend, als mir dann gesagt wurde, dass djs ja keinen backstagebereich benötigen, der ist eigentlich nur für die artists gedacht. danke. das achtel rotwein kaufe ich mir an der bar. ach ja, und es waren plakate im veranstaltungsraum angebracht: man wünsche kein verhalten, das sexistisch, rassistisch, antisemitisch und so weiter sei. beim „und so weiter“ wird mir etwas bange. hm. damit wir nur ja nix vergessen, relativieren besser das, was wir eigentlich sagen wollen. oder schreiben wir einen aushang, weil irgendwer im plenum das gewünscht hat?

ich weiß, ich jammere immer und bin viel zu korrekt, sagen einige meiner freund_innen. aber ich kann eigentlich derzeit gar nicht gut arbeiten, weil ich mich auch täglich ärgern muss. und weil ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. und weil es einfach weitergeht und sich nichts ändert. und weil die leute sich daran gewöhnen. und weil es facebook gibt, wo man teilnehmen kann, ohne dass man hingeht. sogenannte onlinedemonstrationen.

bis auf weiteres keine harmonie! until further notice NO harmony! das fände ich gut als motto im klub. die lokale elektronische szene ist da politisch, wo sie eine bühne findet bzw. beschallt. worum geht’s denn da? electronic resistance – kann sich noch wer erinnern? am ring ja, auf der compilation ja. und sonst? mir reicht es nicht, wenn ein paar jungs laut die bässe wummern lassen und denken, sie seien revolutionär. ich weiß aber jetzt auch nicht genau, was mir reichen würde. auf die straße gehen? am kreativen arbeitsplatz chaos hinterlassen? sicher nicht die anachronistisch anmutenden aktionen des happeningpärchens, das nach langer abstinenz in letzter zeit gerne mit scheiße rumwirft und parolen zum fremdschämen artikuliert. sicher nicht in einem raum, wo es konsens ist, dass es keine konsequenzen hat. aja – und bei einem akademiemeeting sich mit bussi bussi lächeln zu verabschieden, wenn das so stimmen sollte, dafür war die scheiße wohl zu wertvoll. offspaces oder kleine klubs sind – denke ich – nicht ausschließlich die orte für interventionen. auch die pratersauna, der praterdome oder die tba-contemporary würde sich über etwas gold freuen, das könnte man dann auch gut zu geld machen. und davon können wir ja nicht genug haben.

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