Der Praxis nahestehen!

Nachhaltige Kulturarbeit braucht Nachwuchs – doch der Generationenwechsel in Kulturvereinen gestaltet sich oft schwierig. Fehlende finanzielle Mittel, mangelnde Ausbildungsmöglichkeiten und unklare Übergabestrukturen stellen große Hürden dar. Ein neues Ausbildungs- und Beschäftigungsprojekt der IG Kultur Steiermark setzt genau hier an: Es bietet jungen Kulturarbeiter*innen eine praxisnahe Qualifizierung und unterstützt Kulturvereine dabei, sich für die Zukunft zu rüsten.

Sujetbild zum Qualifizierungsprojekt Kulturmanagement © studio BRETT FORM KOPF

 

Nachhaltige Kulturarbeit braucht Nachwuchs, um Kulturinstitutionen weiter am Leben zu erhalten, Innovation zu ermöglichen und Strukturen sowie Netzwerke zu stärken. In den letzten Jahren beobachtet die IG Kultur Steiermark (IG Kultur Stmk) einen ständigen Zuwachs an Kulturvereinen, in denen junge Menschen ihre ersten Versuche in der Kulturarbeit unternehmen. Diese ersten Schritte sind im Sinne eines Generationenwechsels und des damit einhergehenden Bestandes des kulturellen Feldes von enormer Bedeutung, aber zugleich von vielen Hindernissen geprägt. Einerseits ist es schwierig, im bestehenden Fördersystem Fuß zu fassen, anderseits fordert jeder Aufbauprozess viel Wissen und Ressourcen, an denen es jungen Menschen in der Regel mangelt. Demgegenüber stehen zahlreiche kleine und mittelgroße Kulturorganisationen der freien Szene, die meist in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gegründet wurden und weiterhin von den damaligen Gründer*innen geführt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich für einen großen Teil dieser kontinuierlich arbeitenden Kultureinrichtungen aktuell und in den nächsten Jahren die Nachfolgefrage.
 

Das notwendige Übergabemanagement ist aufgrund finanzieller Aspekte sowie fehlender Qualifikationen kaum zu bewältigen. Übergaben von Vereinen sind aus personellen, finanziellen und strukturellen Gründen sehr oft nicht möglich und nur wenige schaffen es, eine erfolgreiche Übergabe zu planen und durchzuführen. Der Aufbau von Wissen über organisatorische Tätigkeiten im Rahmen der Erhaltung und Weiterentwicklung einer Vereinsstruktur braucht viel Zeit und häufig fehlen dafür entsprechende Finanzen. Öffentliche Förderungen aus dem Kulturbudget sind meist an einzelne Projekte gebunden, was bedeutet, dass Personalkosten nur marginal und ausschließlich den geförderten Projekten zugeordnet abgerechnet werden können. Für die Weiterentwicklung der Organisation bzw. für die Nachwuchsarbeit gibt es keine spezielle finanzielle Unterstützung. Insofern ist eine Übergabe von nur schlecht oder gar nicht bezahlten Funktionen an die (über-)nächste Generation häufig nicht möglich und von finanziellen Umbrüchen innerhalb der Organisation begleitet.
 

Hinzu kommt, dass Kulturarbeit in Kulturvereinen eine spezifische Mischung aus Kreativität, Resilienz und Managementfähigkeiten verlangt. Das Angebot der einschlägigen Bildungsinstitutionen ist in den seltensten Fällen an die Bedürfnisse der Kulturvereine angepasst. Ebenso sind solche Angebote für Einzelpersonen und Kulturvereine kaum finanzierbar. Dennoch ist eine gute Ausbildung von neuen Personen ein wichtiges Kriterium für die Weiterentwicklung und die Überlebensfähigkeit der Kunst- und Kulturinitiativen. Mit einer gezielten Weiterbildung können sowohl diese als auch ihre Mitarbeitenden eine höhere Stufe der unmittelbaren Professionalisierung erreichen und somit auch eine erfolgreiche Übergabe sicherstellen.

 

Ausbildungs- und Beschäftigungsprojekt der IG Kultur Steiermark

Um alle diese Herausforderungen entgegenzuwirken, realisiert die IG Kultur Steiermark in Kooperation mit den Zentren für Ausbildungsmanagement (zam Steiermark), dem Institut für Kulturkonzepte und mit der finanziellen Unterstützung des Landes Steiermark (Soziales, Arbeit und Integration) sowie des AMS Steiermark1 ein Ausbildungs- und Beschäftigungsprojekt im Kulturbereich. Das Projekt dient dem Aufbau qualifizierten Personals in der steirischen freien Kunst- und Kulturszene und ist in dieser Form österreichweit einzigartig. Zwanzig Personen wird im Rahmen des Projekts die Möglichkeit geboten, an einem neunmonatigen Kulturmanagement-Lehrgang teilzunehmen. Die theoretische Ausbildung geht dabei Hand in Hand mit einer praktischen Ausbildung, die in einem in der Steiermark tätigen, gemeinnützigen Kulturverein absolviert wird. Das Projekt schafft auf diese Weise eine Win-win-Situation: einerseits für Einzelpersonen, die einen Professionalisierungsschritt im Kulturbereich machen wollen, andererseits für gemeinnützige Kulturvereine, die beispielsweise vor einem Generationenwechsel stehen und qualifizierten Personals bedürfen. Durch die Kooperation mit dem AMS Steiermark strebt das Projekt einen nachhaltigen Aufbau und Erhalt der neu geschaffenen Arbeitsplätze an – auch nach Beendigung der Ausbildung.
 

Das Projekt richtet sich einerseits an arbeitslose, beim AMS gemeldete Frauen, die eine Ausbildung zur Kulturmanagerin absolvieren möchten (zwölf Plätze), und andererseits an Personen, die bereits in Kulturvereinen beschäftigt sind und eine weitere Qualifizierung anstreben (8 Plätze). Der Lehrgang Kulturmanagement wurde vom Institut für die Kulturkonzepte in enger Abstimmung mit der IG Kultur Steiermark sowie der zam-Stiftung konzipiert. Er dauert neun Monate und umfasst zehn zweitägige Module, innerhalb derer Kernkompetenzen im Bereich Kulturmanagement praxisnah vermittelt werden, Exkursionen und moderierte Peer-Groups, in denen sich die Teilnehmenden selbstständig unterstützen sowie austauschen können. Abgerundet wird der Lehrgang durch die Ausarbeitung einer schriftlichen Arbeit sowie eine mündliche Abschlussprüfung, in der unter anderem die eigene Arbeit präsentiert wird. Darüber hinaus können die Teilnehmenden während der Ausbildungszeit individuelle Coachingstunden zum Thema Karriereplanung in Anspruch nehmen. Im Anschluss an die Qualifizierung erhalten die Teilnehmer*innen ein Zertifikat.

Nach einer Vorauswahl der interessierten Frauen durch die zam-Stiftung konnten diese sich bei den teilnehmenden Kulturvereinen bewerben und bei beiderseitigem Interesse ein ein- bis zweiwöchiges Praktikum absolvieren. Parallel zu diesem Prozess hat die IG Kultur Steiermark die Vergabe der acht Plätze für bereits in Kulturvereinen beschäftigte Personen durchgeführt. Im Zuge der Festlegung der Zielgruppe wurde der Schwerpunkt auf Frauen* gelegt, da diese, wie der Gender Report des BMKÖS2 deutlich zeigt, im Kulturbereich mehrfach diskriminiert sind. Ebenso wurde auf eine regionale Verteilung geachtet, da ein Übergabeprozess im ländlichen Raum aus diversen Gründen nochmals andere Herausforderungen mit sich bringt. Ein Drittel der teilnehmenden Kulturvereine sind dahingehend in den steirischen Regionen angesiedelt. Ebenso wurde sowohl auf die Diversität der Teilnehmenden (z.B. im Hinblick auf Alter und Herkunft) als auch auf die Vielfältigkeit der Kunst- und Kultursparten der Kulturinitiativen geachtet.

Eröffnung Lehrgang Qualifizierungsprojekt Kulturmanagement © Fabian Weissitsch
 Eröffnung Lehrgang Qualifizierungsprojekt Kulturmanagement © Fabian Weissitsch


Aktuell befindet sich das Projekt in der zweiten Phase, in der die tatsächliche theoretische wie praktische Ausbildung stattfindet. Diese ist Anfang Oktober gestartet und wird von der IG Kultur Steiermark, unter anderem in Form von Coachings bzw. Feedbackgesprächen mit den teilnehmenden Personen sowie Kulturinitiativen begleitet, um das Projekt – auch im Hinblick auf mögliche Folgeprojekte – laufend zu evaluieren, sowie neue Erkenntnisse zur Problematik des Generationswechsels zu gewinnen.

 



Detaillierte Informationen zum Projekt finden Sie auf der Webseite der IG Kultur Steiermark: https://www.steiermark.igkultur.at/praxis/qualifizierungsprojekt-kulturmanagement-der-praxis-nahestehen 
 

[1] https://www.zam-steiermark.at; https://kulturkonzepte.at;https://www.verwaltung.steiermark.at/cms/ziel…;   www.ams.at/organisation#steiermark 
[2] https://www.bmkoes.gv.at/kunst-und-kultur/schwerpunkte/fairness-fair-pay/gender-report.html 
 

Lidija Krienzer-Radojevic ist Geschäftsführerin der IG Kultur Steiermark.

 

Coverbild © Studio Brett Form Kopf
 


Cover IG Kultur Magazin Ausgabe 1.25: Übergabe Kultur © Patrick Kwasi, erstellt mit KI-Unterstützung



Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.25 „ÜBERGABE KULTUR“ des Magazins der IG Kultur Österreich - Zentralorgan für Kulturpolitik und Propaganda erschienen.
Das Magazin kann unter office@igkultur.at (5,50 €) bestellt werden. 

 

 

 

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