VorRisse

Quasi „implodiert“ ist vor kurzem eines der Prestigeprojekte der EU, ohne das auch „Bologna“ nicht denkbar wäre: Das im Jahr 2000 auf einer Sondertagung des Europäischen Rats in Lissabon beschlossene Vorhaben, die Union bis 2010 „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“, ist gescheitert. Daran konnte auch das „Europäische Jahr der Kreativität und Innovation 2009“ wenig ändern, mit dem die EU sozusagen „im Endspurt“ noch Ränge gut zu machen versuchte.

Geht es nach den Vorstellungen der AktivistInnen, dann wird der Bologna-Prozess demnächst zur Explosion gebracht: „Gipfel sprengen!“ lautet jedenfalls das Motto der Gegenaktivitäten zu den geplanten Festlichkeiten anlässlich seines zehnjährigen Bestehens Mitte März in Wien und Budapest, was im Rahmen der vorliegenden Kulturrisse-Ausgabe ausführlich erläutert wird. Quasi „implodiert“ ist vor kurzem hingegen eines der Prestigeprojekte der EU, ohne das auch „Bologna“ nicht denkbar wäre: Das im Jahr 2000 auf einer Sondertagung des Europäischen Rats in Lissabon beschlossene Vorhaben, die Union bis 2010 „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“, ist gescheitert. Daran konnte auch das „Europäische Jahr der Kreativität und Innovation 2009“ wenig ändern, mit dem die EU sozusagen „im Endspurt“ noch Ränge gut zu machen versuchte.

Nichts ändern wird sich allen Anzeichen nach auch an der von ihr verfolgten Wachstumsstrategie, was an der derzeit laufenden Reformulierung der EU-Ziele für 2020 deutlich wird: „Creating value by basing growth on knowledge“ lautet auch weiterhin die zentrale Stoßrichtung und verweist damit auf die zunehmende Herausbildung so genannter Wissensökonomien. Dass diese Entwicklungen im Wissenschafts- und Bildungsbereich einige strukturelle Parallelen zu den Creative Industries aufweisen, manifestiert sich nicht nur in Engführungen wie jener zwischen Kreativitätsimperativ und lifelong learning. Auch die voranschreitende Privatisierung, die zugeschriebene Rolle als „Motor“ im globalen Wettbewerb sowie die damit verbundene Exzellenzcluster- und Elitenbildung bei gleichzeitiger Prekarisierung vieler der involvierten AkteurInnen weisen darauf hin.

Die vorliegende Ausgabe, die in Kooperation mit dem eipcp-Projekt Creating Worlds (creatingworlds.eipcp.net) entstanden ist, nimmt dies zum Ausgangspunkt, um einmal mehr die (Wissens-) Ökonomien derCreative City im so genannten kognitiven Kapitalismus kritisch unter die Lupe zu nehmen. Armin Medosch schlägt in seinem einleitenden Artikel zum Heftschwerpunkt dabei vor, Kultur als systemische Eigenschaft des heute vorherrschenden Akkumulationsregimes in der wissensbasierten Ökonomie zu lesen. Wie sehr die Europäischen Kulturhauptstädte Teil dessen sind, gleichzeitig aber nach wie vor in die Konstruktion von Image und Identität investieren, zeigt Monika Mokres Text. Der Ökonomisierung „kultureller Vielfalt“ in der Creative City widmen sich Onur Suzan Kömürcü – die auf eine damit einhergehende Entpolitisierung von Antirassismus und empowerment hinweist – am Beispiel Berlins sowie Elisabeth Mayerhofer – die eine aktuelle Studie zur türkischen, chinesischen und südasiatischen Kreativwirtschaft bespricht – am Beispiel Wiens. Den Abschluss des Schwerpunkts bildet ein Beitrag von Maurizio Lazzarato, der den kognitiven Kapitalismus und die Massenkulturindustrien als Systeme einer „Antiproduktion“ fasst, die zu gesellschaftlicher Verarmung der Subjektivität und dem Verlust von Zeit führen. Letzteres wird von Gerald Raunig – gleich wie Lazzarato ausgehend vom Beispiel der Intermittents in Frankreich – fortgeführt, um neue Ansätze für Fluchtlinien zu entwickeln, wenn es nicht mehr möglich ist, „die alten Widerstandsformen und Forderungen aus den gekerbten Räumen und Zeiten der Industrialisierung anzuwenden“.

Eine „Fluchtlinie“, nämlich aus der Kulturrisse-Redaktion, hat mit Martin Wassermair kürzlich auch das „(zweit-)dienstälteste“ Redaktionsmitglied gezogen. Wir bedanken uns an dieser Stelle für sein mehr als zehn Jahre währendes, die Zeitschrift in vielerlei Hinsicht prägendes Engagement – und freuen uns, dass er uns zumindest als Autor auch weiterhin erhalten bleiben wird.

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