Pressemitteilung, Kulturrat Österreich, vom 27.10.2025
Sehr geehrter Bundeskanzler Christian Stocker,
sehr geehrte Herr Minister für Kunst und Kultur Andreas Babler,
sehr geehrte Frau Ministerin für Soziales Korinna Schumann,
sehr geehrte Abgeordnete zum Nationalrat im Kultur- wie Sozialausschuss,
Arbeitslosigkeit wird schnell zur Armutsfalle. Bislang ist ein geringfügiger Zuverdienst zu Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe möglich. Damit soll ab 2026 Schluss sein. Begründung: Eine geringfügige Beschäftigung sei „in vielen Fällen hinderlich“ für die Wiederaufnahme einer vollversicherten Beschäftigung. Das Gegenteil ist in Kunst und Kultur der Fall. Zudem sind (kurzfristige) geringfügige Jobs berufsspezifisch typisch – gleichgültig, ob neben einer vollversicherten Tätigkeit oder in einer Phase der Arbeitslosigkeit: ein Drehtag, ein Artists Talk, eine Lehrveranstaltung.
Das bedeutet für die Zukunft: Wer Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, muss sich entscheiden: Entweder einen geringfügigen Job annehmen und Arbeitslosengeld verlieren. Oder absagen, weil das Arbeitslosengeld unverzichtbar ist, um über die Runden zu kommen. Nur 100% arbeitslos ist möglich, wenn diese Gesetzesänderung mit 1.1.2026 in Kraft tritt. Das eröffnet neue Armutsfallen. Und es ist kontraproduktiv für die Arbeitssuche – gerade in Branchen wie Kunst und Kultur, wo berufliche Aktivität und Präsenz essenziell für Folgebeschäftigungen sind. Die vorgesehenen Ausnahmen, wo Zuverdienst doch möglich sein soll, sind unzureichend.
Gleichzeitig hat sich diese Regierung vorgenommen, die soziale Absicherung in Kunst und Kultur zu verbessern. Aus Ihrem Regierungsprogramm: "Dabei müssen die besonderen Erwerbsrealitäten und die damit einhergehenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden." Wir halten fest: Wenn die beschlossene Abschaffung der Zuverdienstregelung bleibt wie beschlossen, wird die soziale Absicherung von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen dagegen angegriffen und nachhaltig beschädigt – noch bevor die im Regierungsprogramm hierzu angekündigte interministerielle Arbeitsgruppe überhaupt eingerichtet ist.
Noch gibt es die Chance, diese Maßnahme rückgängig zu machen. Wir fordern ein:
- Zurück zum Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) wie es noch gilt: Ein Gesetz, das alle Änderungen im AlVG aus dem Budgetbegleitgesetz zurücknimmt. Aktuell sollen Arbeitsgruppen im BMWKMS zur Verbesserung der arbeits- und sozialen Absicherung von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen beginnen. Deren Ergebnisse sind abzuwarten.
- Zumindest Regelungen, die alle vorübergehenden geringfügigen Beschäftigungen (unselbstständig) und Aufträge (selbstständig) als gesetzliche Ausnahme definiert.
- Zumindest Regelungen, damit selbstständige Einnahmen AUSSERHALB eines Arbeitslosengeldbezugs kein Problem für die Arbeitslosigkeit und bezogene Geldleistungen darstellen. Eine Abgrenzung von selbstständigen Einkünften muss möglich sein, um rückwirkende Ausschlüsse und Rückforderungen von Arbeitslosengeld zu verhindern.
- Zumindest eine Erweiterung der Möglichkeit der Ruhendmeldung für alle neuen Selbstständigen
Weitere Informationen:
Text Gesetzesänderung (Artikel 45; unverändert beschlossen)
Kulturrat Österreich zur Gesetzesnovelle, mit der Zuverdienst zum AMS weitgehend abgeschafft wird
Ergebnisse der Stimmungsabfrage IG Freie Theaterarbeit: AMS-Bezug und geringfügiger Zuverdienst von Künstler:innen (Presseaussendung IGFT vom 12.6.2025)

Der Kulturrat Österreich ist der Zusammenschluss von Interessenvertretungen in Kunst, Kultur und Freien Medien. Gemeinsam vertreten diese IGs rund 5.500 Einzelmitglieder sowie 70 Mitgliedsverbände mit deren 360.000 Mitgliedern, über 1.000 Kulturinitiativen und 16 freien Rundfunkstationen.
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