Lunch Lecture: Erinnern in Kärnten|Koroška: Bilanz und Ausblick zum Gedenkjahr 2025
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Erinnern bewegt: Bilanz und Ausblick zum Gedenkjahr 2025 in Kärnten/Koroška
In dieser Lunch Lecture werfen Gerti Malle und Nadja Danglmair einen vielschichtigen Blick auf das Erinnerungsjahr 2025 in Kärnten/Koroška – ein Jahr, das von bemerkenswerten Impulsen getragen war.
Nachlese zur Lunch Lecture zum Erinnerungsjahr 2025
Die Referentinnen waren Nadja Dangelmaier und Gerti Malle. Nadja Dangelmaier ist Mitglied des Kärntner Kulturgremiums, wo sie dem Fachbeirat für Wissenschaft vorsitzt. Gert Malle unterstützte das Projekt als Koordinationsperson.
Konzept und Organisation des Erinnerungsjahres
Das Erinnerungsjahr 2025 stand unter dem zentralen Gedenkthema „80 Jahre Befreiung vom NS-Regime“. Ursprünglich sollte es ein Schwerpunktjahr des Fachbeirats für Wissenschaft sein, wurde aber aufgrund der Bedeutung als Querschnittsthema für alle Fachbeiräte des Kulturgremiums angelegt. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus mindestens einer Person jedes Fachbeirats, entwickelte das Konzept bereits 2023.
Ziel war es, das Erinnerungsjahr nicht als reine historische Aufarbeitung zu gestalten, sondern den Umgang mit der NS-Geschichte von 1945 bis heute in den Blick zu nehmen. Dabei sollten Instrumentalisierungen, Leerstellen, Bruchstellen und konfligierende Erinnerungen beleuchtet werden. Als Beispiel für kollidierende Erinnerungen wurde der im November 2025 begangene Vandalismus am Denkmal (Zweintopf) vor dem Museum genannt.
Das Budget für das Schwerpunktjahr betrug 9.900 €. Dieses Geld wurde in transdisziplinäre Projekte und Bildungsangebote aufgeteilt. Der Anspruch war, Akzente in ganz Kärnten/Koroška zu setzen.
Ein zentraler Partner war das kärnten.museum, welches als Akteur in der Erinnerungslandschaft gilt. Die Eröffnung des Erinnerungsjahres am 8. Mai und die Abschlusstagung Ende Oktober fanden in Kooperation mit der Universität Klagenfurt und dem kärnten.museum statt.
Geförderte Projekte
Insgesamt wurden 15 Projekte gefördert, die thematisch sehr vielfältig waren und Bereiche wie Theater, Kunst, Kultur und Wissenschaft abdeckten. Alle Projekte und Abschlussberichte sind auf der Homepage der IG KiKK nachlesbar.
Auswahlverfahren: Es gab keinen Open Call. Aufgrund des knappen Budgets wurden Akteure, Institutionen und Einzelpersonen gezielt zur Einreichung von Konzepten eingeladen. Die Konzepte mussten den Umgang mit der NS-Geschichte danach (nach 1945) thematisieren und transdisziplinär angelegt sein. Die Förderungshöhe reichte von 1.500 € bis maximal 6.000 €.
Beispiele für geförderte Projekte:
- Denkmal in Hermagor: Bernhard Gitschtaler initiierte die Eröffnung eines Denkmals und einer Gedenktafel für vergessene Opfer der NS-Zeit im Gailtal.
- Datenbank der NS-Opfer: Die Pädagogische Hochschule eröffnete am 8. Mai eine Online-Datenbank für neue, unbekannte NS-Opfer für Kärnten/Koroška (u. a. Daniel Wutti und Peter Pirker waren beteiligt).
- Theaterstück Prihodi Odhodi: Die Theatergruppe Rampa inszenierte ein Stück über die Geschichte zweier Frauen und die Trennung durch die Sprache.
- Open Call Wolfsberger Idylle stören: Der Verein Container 25 rief zur Auseinandersetzung mit problematischen NS-Denkmälern und Lobi-Fresken auf.
- Gedenken an Euthanasie-Opfer: Alexander Verdnik setzte mit Schülern ein mobiles Ausstellungsprojekt um, das 67 Lebensgeschichten von Euthanasie-Opfern in Form von gravierten Holzscheiben wieder ins Leben holte.
- Verein Lendhauer: Installation und Filmfestival mit Fokus auf Partisanenwiderstand und die Verfolgung der Kärntner Sloweninnen (u. a. Film von Andrina Matschniker).
- Dezentrale Ausstellung: Gudrun Ratzinger konzipierte die Ausstellung „I’m the grass, Let me work“, die an verschiedenen Orten in Kärnten/Koroška gezeigt wurde.
- Verein Erinnern (Villach): Das theatralische Konzept der Gruppe VADA „Villach nach 1945 – eine Erfolgsstory für Wen?“ besuchte und stellte historische Orte in Villach szenisch dar.
- Verein Lila Winkel: Filmpräsentation über die Opfergruppe der Zeugen Jehovas, insbesondere die Familie Wohlfahrt, deren hingerichtete Männer fälschlicherweise auf einem Kriegerdenkmal verewigt waren. Der Film thematisiert die Korrektur dieses Irrtums.
- Partizanke Art: Eine Ausstellung, die im kärnten.museum zu sehen war und zu der ein Buch veröffentlicht wurde.
Viele der geförderten Projekte sind nachhaltig angelegt und werden über das Jahr 2025 hinaus fortgesetzt und sind buchbar.
Bildungsangebote
Die Bildungsangebote wurden in Zusammenarbeit mit der Kärntner Bildungsdirektion beworben. Schulen, die sich zuerst meldeten, konnten die Angebote kostenfrei nutzen, da das Budget die Kosten deckte, insbesondere die oft teuren Fahrtkosten. Das Interesse war sehr groß und das Budget schnell erschöpft.
Besonders nachgefragte Angebote:
- Stolpersteinbegleitungen in Klagenfurt: Hierzu meldeten sich viele Schulen. Die Geschichten wurden von den Jugendlichen als sehr spannend und emotional empfunden, teilweise in Bezug zu eigenen Kriegserfahrungen oder denen der zweiten Generation des Balkankriegs.
- Begleitungen zu den KZ-Gedenkstätten am Loibl ( Nord und Süd): Die Buchung dieser Touren war sehr beliebt.
- Zivilcourage-Trainings: Diese wurden vom Verein Peršman direkt an Schulen oder am Peršmanhof angeboten.
- Stadtspaziergänge gegen das Vergessen: Angebote in Hermagor, Wolfsberg („Null Punkte der Gewalt im Lavantal“) und Villach.
- Lernwanderung: Eine Reise mit Zdravko Haderlap in Bad Eisenkappel unter dem Titel „Auf den Spuren des Engels des Vergessens“.
Koordination: Gerti Malle war die Schnittstelle zwischen den Vereinen, Guides und den Schulen. Die koordinierende Funktion, die Gerti Malle innehatte, besteht in dieser Form nicht mehr; die weitere Vernetzung läuft stark über persönliche Kontakte.
Abschlusstagung: Die Abschlusstagung zum Umgang mit Geschichte nach 1945 wurde außerhalb des Budgets vom Schwerpunktjahr von der Universität Klagenfurt (AG Erinnerungskulturen) in Kooperation mit dem Kärntenmuseum finanziert. Ziel war die Sichtbarkeit der Universität und internationale Perspektiven. Etwa 100 Teilnehmende aus akademischem und allgemeinem Publikum nahmen teil.
Fazit und Forderungen
Der Zuspruch des Publikums und der Erfolg der Sonderausstellung „Hinschauen / Poglejmo“ im Kärntenmuseum zeigten, dass viele Menschen in Kärnten bereit sind, sich kritisch mit den Themen auseinanderzusetzen.
Wichtige Erkenntnisse:
- Die Initiativen müssen sich stärker vernetzen und solidarisieren, um eine stärkere gemeinsame Stimme zu haben.
- Es besteht die Hoffnung, dass die deutschnational geprägte Geschichtsschreibung langsam ihre Deutungshoheit verliert. Vorfälle wie Denkmalschändungen werden als „Rückzugsgefechte“ dieser Positionen interpretiert.
- Es muss weiterhin betont werden, dass Antifaschismus ein nicht verhandelbarer Grundwert ist.
- Die Schändung des Denkmals am Museum zeigt den Versuch der Täter-Opfer-Umkehr (Gleichsetzung von Widerstandskämpfern mit Naziaggressoren), was eine lange Geschichte in Kärnten hat.
Impulse für die Zukunft:
- Politisches Bekenntnis: Ein klareres Bekenntnis der Politik zur neuen Form der Erinnerungskultur.
- Museums-Update: Die Sonderausstellung „Hinschauen / Poglejmo“ soll dauerhaft implementiert werden.
- Widerstandsmuseum: Forderung nach einem Museum des antifaschistischen Widerstandes in Klagenfurt/Celovec
- Bildungsangebote (Finanzierung): Ausweitung der Fahrtkostenzuschüsse und langfristige Sicherung der Finanzierung.