Lin(c)s. Die SP-Klubenquête zur Netzpolitik.

Um das aus den Fugen geratene Gleichgewicht zwischen Urheber_innen, Rezipient_innen und Vertriebsstrukturen wieder herzustellen, wird es eine umfassende Lösung – auf europäischer Ebene – brauchen.

Anfang Januar 2011 fand in Wien die Klubenquête der SPÖ zu Netzpolitik und Urheberrecht statt. Das allein schon ist ein bemerkenswerter Umstand, hat doch die SPÖ in den letzten Jahren konsequent die politische Selbstdemontage mittels Inhaltslosigkeit betrieben. Die Auswahl der beiden key notes – die Politikwissenschaftlerin Jeanette Hofmann und der Jurist Till Kreutzer – machte deutlich, dass es in diesem Fall der Musik- und Filmindustrie nicht gelungen war, ihre Agenda durchzubringen. Kreutzer verwies in seinem Beitrag darauf, dass das aktuelle Urheberrecht weder den geänderten Produktionsrealitäten in einem digitalen Umfeld noch der Heterogenität der Interessen der Urheber_innen Rechnung trägt. Das Urheberrecht zielt allein auf professionelle Verwertung ab, mit dem Ziel, ein Einkommen aus der Verbreitung des Werks zu lukrieren. Weitere Modelle sind dabei nicht berücksichtigt. Kreutzer betonte, dass das Urheberrecht ursprünglich das Verhältnis zwischen Urheber_innen und Verwerter_innen regelte und Konsument_innen damit kaum in Konflikt kommen konnten, es heute jedoch eine Vielzahl von Ausdrucks- und Kommunikationsformen im (halb-)öffentlichen Raum regelt und somit auf eine Vielzahl an Nutzungen angewendet wird, die bei seiner Formulierung nicht existiert haben. Dieses der Zeit und Technologie Hinterherhinken der Rechtsnormen wird von den immer wieder geforderten Verschärfungen des Strafausmaßes bis hin zur Internetsperre von Einzelpersonen nicht behoben werden können, sondern nur durch eine grundlegende Reform des Urheberrechts. Einmal mehr zeigte Kreutzer, dass die Urheber_innen auch von der aktuellen Rechtslage kaum profitieren und auch eine bessere Rechtsdurchsetzung nichts daran ändern würde.

Ähnlich argumentierte auch Jeanette Hofmann: Sie wies in ihrem Vortrag auf die ökonomischen Schwächen des Urheber_innenrechts hin, indem sie sichtbar machte, dass das Urheber_innenrecht zusehends durch die Vergabe von Einzellizenzen abgelöst wird. Statt Eigentumsrechte werden Nutzungsvarianten vergeben, wobei die Anbieter_innen entscheiden können, welche Nutzungsrechte sie anbieten und somit die Nutzung vorgeben. Ausschlussrechte werden dadurch ausgedehnt und damit die ökonomische Ineffizienz vertieft, da es so tendenziell zu einer Unternutzung von digitalen Gütern kommt, die wiederum nicht im Interesse der Urheber_innen liegen kann.

Auf der Suche nach Auswegen

In der Kernaussage waren sich beide Beiträge einig: Das aktuelle Urheber_innenrecht ist überholt, Reformen dringend notwendig. In der hiesigen Debatte dazu fällt auf, dass die juristische Perspektive alles dominiert. Eine Erweiterung der Diskussion um volkswirtschaftliche und soziologische Ansätze ist hoch an der Zeit, geht aber nur schleppend vonstatten. So befinden sich auch Alternativvorschläge – wie die Kulturflatrate, die 2010 von den Grünen in die Diskussion eingebracht, aber ohne Konkretisierung und Begründung ein paar Monate später wieder fallen gelassen wurde – im luftleeren Raum. Es fehlt eine seriöse empirische Grundlage, die die verschiedenen Einkünfte, die über das Urheber_innenrecht lukriert werden können, darstellt und es ermöglicht, diese Einkünfte in Relation zu anderen Einkommensquellen zu setzen. Oder anders formuliert: Wie viel kommt über das Urheber_innenrecht herein, und wie viel geht durch die Rechteabklärung etc. wieder verloren? Nicht zuletzt wären auch die Geldströme, die von den Verwertungsgesellschaften gesteuert und verwaltet werden, von (öffentlichem) Interesse. Die Aufbereitung und Offenlegung dieser Daten ist aber erstaunlicherweise hierzulande kein Thema. Die Unnachweisbarkeit der Aussagen wird damit in Kauf genommen, und die Debatten verbleiben allzu oft im emotionalen Schlagabtausch.

Ein weiteres Problem ist die unklare Position der Urheber_innen selbst: Alle wollen angemessene Einkünfte aus ihrer Arbeit erzielen. Wie dies aber erreicht werden soll, darüber besteht große Uneinigkeit. So gibt es Fraktionen, die für eine Verschärfung des Urheber_innenrechts plädieren, ungeachtet der Erschwernisse und Kosten, die dies für neue Produktionen mit sich bringt. Andere hingegen sind auf die Verfügbarkeit vorhandener Arbeiten angewiesen und verlangen eine Anpassung der Rechtslage an ein digitales Produktionsumfeld. Dazu kommen ein oftmals generationenbedingter digital divide, verschiedene Auffassungen des eigenen Werks und der eigenen Autor_innenschaft sowie Spezifika, die der jeweiligen Arbeitsweise geschuldet sind. Eine umfassende Position, die über kleinteilige Interessenlagen hinausreicht, konnte bisher noch nicht erarbeitet werden.

Zwischenlösung Urheber_innenvertragsrecht

Der kleinste gemeinsame Nenner ist nun die Forderung nach einem Urheber_innenvertragsrecht, das allerdings auch nur als Krücke in einer insgesamt reformbedürftigen Situation gesehen werden kann. Positiv daran wäre, dass die Verhandlungsposition der Urheber_innen so gestärkt werden könnte. Allerdings wird auch die Errichtung eines Urheber_innenvertragsrechts nicht die Folgen der Digitalisierung aufheben, noch neue Geschäftsmodelle anregen können. Um das aus den Fugen geratene Gleichgewicht zwischen Urheber_innen, Rezipient_innen und Vertriebsstrukturen wieder herzustellen, wird es eine umfassende Lösung – auf europäischer Ebene – brauchen. Die SPÖ hat diese Notwendigkeit erkannt und einen breiten Diskussionsprozess in Gang gesetzt. Vielleicht regt das andere politische Akteur_innen auch wieder zur Aktivität an.

 

Elisabeth Mayerhofer

arbeitet als Kulturwissenschaftlerin in Wien und ist Mitglied von FOKUS, der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien.

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