Es steht und fällt mit dem Geld

Im Frühjahr 2011 erinnerte ein vom Kulturrat Österreich initiierter offener Brief Unterrichtsministerin Claudia Schmied an die aus dem UNESCO-Übereinkommen zu kultureller Vielfalt resultierende Verpflichtung, den internationalen Kulturaustausch durch Erleichterung der Mobilität von KünstlerInnen und Kulturschaffenden zu fördern.

Im Frühjahr 2011 erinnerte ein vom Kulturrat Österreich initiierter offener Brief Unterrichtsministerin Claudia Schmied an die aus dem UNESCO-Übereinkommen zu kultureller Vielfalt resultierende Verpflichtung, den internationalen Kulturaustausch durch Erleichterung der Mobilität von KünstlerInnen und Kulturschaffenden zu fördern. Obgleich Österreich seit 2006 zu den Signatarstaaten des Übereinkommens zählt, wurde Mobilität hierzulande bislang nämlich durch verschärfte Gesetzeslagen und rigidere Durchführungspraxen in fortschreitendem Ausmaß erschwert anstatt gefördert. Die im Rahmen des offenen Briefs artikulierten Fragen an Schmied blieben – selbst im Rahmen eines Antwortschreibens der Ministerin von Ende März dieses Jahres – unbeantwortet. Und auch an der dargestellten Situation hat sich zwischenzeitlich wenig geändert. Ein Anlass, die Rechtsanwältin Doris Einwallner um ein Interview zu bitten, das für die Radiosendung der IG Kultur Bewegungsmelder Kultur von Christine Schörkhuber geführt wurde.

Kulturrisse: Wodurch hat es sich ergeben, dass Sie sich mit dem Thema Mobilität für KünstlerInnen auseinandersetzen?

Doris Einwallner: Das Thema Aufenthaltsrecht beschäftigt mich schon seit mehr als zehn Jahren. Da bin ich irgendwie zufällig dazu gekommen und hab’ gemerkt, dass es mich sehr interessiert, dass ich es gern mache und es mir wichtig ist, das zu machen. Und speziell auf die Künstlerinnen und Künstler und deren Problematik in dem Bereich bin ich durch eine Bekannte gekommen, die selbst auch Künstlerin ist.

Es gab ja einmal Sonderregelungen für KünstlerInnen, die eigentlich recht gut waren – also jetzt unterm Strich, innerhalb des Systems, wenn wir mal das System an sich nicht infrage stellen wollen, sondern sagen: „Okay, es gibt dieses System.“ Es gab also relativ gute Möglichkeiten auch für den dauerhaften Aufenthalt in Österreich, die dann mit der Novelle, die 2006 in Kraft getreten ist, arg zurückgestuft worden sind. Dies geschah in der Form, dass der Aufenthaltstitel, der zum dauerhaften Aufenthalt in Österreich berechtigt hatte, gestrichen wurde und es auch für die, die über einen solchen Titel verfügten, vom Gesetzgeber keine Alternative gab.

Es war nichts vorgesehen für diese Fälle. Da mussten erst Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof geführt werden, die letztlich positiv mit der Entscheidung geendet haben, dass man nicht einfach jemanden auf einen Aufenthaltstitel zurückstufen kann, der nur zu einem vorübergehenden Aufenthalt berechtigt, ohne dass sich in der Lebenssituation dieser Person etwas geändert hat.

Das war ja der Fall: Alle Betroffenen wollten ja, wie bisher, hier weiterleben und hatten nicht vor, ihren Aufenthalt in Österreich aufzugeben. Um das verwirklichen zu können, hatten sie aber nicht mehr den dazugehörigen Aufenthaltstitel.

Also das war ein ziemlicher Einschnitt 2006, der nur durch langjährige Verfahren etwas behoben werden konnte, weil das Problem immer darin besteht, dass der Verwaltungsgerichtshof zwar etwas entscheidet, und in diesen einzelnen Fälle passt das dann auch. Aber diese Information muss sich dann verbreiten und diese Entscheidungen müssen von der erstinstanzlichen Behörde umgesetzt werden. Und wenn das, was oben entschieden wird, unten nicht ankommt, dann hilft das zwar, aber nur bedingt, weil man trotzdem streiten muss. Und teilweise hatten wir dann monatelang noch zu kämpfen, um den richtigen Aufenthaltstitel letztlich zu bekommen.

Aber da hat sich zumindest ein bisschen etwas getan. Jetzt hatten wir ja wieder eine Novelle. Da ist leider für Künstlerinnen und Künstler auch nichts Besseres vorgesehen. Insofern haben sie jetzt die Situation, dass sie, wie so viele andere auch, eigentlich nur sehr schwer nach Österreich zuwandern können, wenn sie sich hier dauerhaft aufhalten wollen.

Für den vorübergehenden Aufenthalt gibt es eine Form des Aufenthaltstitels, die aber unterstellt, dass jemand nur kommt, eine Zeit lang dableibt und dann Österreich wieder verlassen wird. Und für den Fall, dass jemand kommt und sagt: „Ich möchte mich hier niederlassen, ich möchte hier bleiben, als Künstler, Künstlerin“, gibt es jetzt eigentlich keinen speziellen Aufenthaltstitel mehr. Es gibt jetzt nur mehr die Rot-Weiß-Rot-Karte für besonders qualifizierte oder gut verdienende Schlüsselkräfte.

Schwierigkeiten gibt es auch im Bereich der kurzfristigen Mobilität, also dort, wo es um Visa geht, um einfach ganz kurz, für drei bis sechs Monate, nach Österreich zu kommen. Nicht nur für Künstler und Künstlerinnen, auch für andere ist es sehr schwierig, Visa zu bekommen, Besuchervisa, Touristenvisa usw. Und eben für Künstler und Künstlerinnen und für die Organisationen, die Leute nach Österreich bringen wollen, für irgendwelche Festivals zum Beispiel, ist es in der praktischen Durchführung einfach auch extrem schwierig.

Und wie wird das nun in der Praxis gehandhabt, wie läuft das Prozedere ab?

An und für sich muss die Person, die eingeladen wird, einen Antrag stellen. Die österreichischen Vertretungsbehörden verlangen den persönlichen Antrag. Das müsste an und für sich gar nicht zwingend sein, nach dem Visakodex der EU könnte auf die persönliche Antragstellung unter bestimmten Voraussetzungen auch verzichtet werden.

Aber in Österreich müssen sie einen Antrag stellen, und sie müssen nachweisen, dass hier ausreichend finanzielle Mittel, eine Krankenversicherung und Unterkunft vorhanden sind, wann sie einreisen, wann sie ausreisen … Also ganz schön viel dafür, dass man noch nicht mal weiß, ob das bewilligt wird – oder rechtzeitig bewilligt wird, das ist ja auch oft das Problem. Und es müsste wer auch immer in Österreich einlädt – ob Privatperson oder Organisation –, die entsprechenden zusätzlichen Unterlagen und Dokumente liefern, was teilweise möglich, teilweise nicht möglich ist. Also gerade die Krankenversicherungskosten sind relativ hoch, das können sich die OrganisatorInnen teilweise nicht leisten und die AntragstellerInnen möglicherweise auch nicht.

Aber sogar in den Fällen, wo alles passt und die finanziellen Mittel da sind, gibt es immer wieder Probleme. Und von daher weiß ich, dass es sehr oft auch zu lange dauert, dass eigentlich schon die Veranstaltung fixiert werden sollte und weder ein Ja noch ein Nein kommt. Hinterher kommt dann häufig ein Nein, oder es kommt gar Nichts mehr, weil die Botschaften natürlich auch wissen, dass das im Nachhinein nicht mehr so interessant ist.

Das macht, glaub’ ich, jetzt viel mehr Schwierigkeiten als die Sache mit den Aufenthaltstiteln.

Da kann man eher die Person, die über den Antrag entscheiden wird, erreichen und besprechen, was noch fehlt, als bei den Visaanträgen, wo das auf den Botschaften und Konsulaten gemacht wird und man einfach nicht die zuständigen Personen ans Telefon oder ein Antwortmail bekommt.

Und meiner Beobachtung nach geben die sich sehr verschlossen und besprechen nicht offen, was nicht passt. Wenn man das besprechen könnte, könnte man leichter versuchen, die Dinge nachzureichen, bei denen offenbar die Botschaft ein Problem sieht.

Wie lange dauert dies normalerweise?

Die Frage nach der Dauer, ist schwer zu beantworten. Denn es gibt eben zeitliche Vorgaben, die leider nicht eingehalten werden. Nach meiner Beobachtung dauert es mehrere Wochen bis Monate, bis überhaupt eine Antwort kommt. Es wäre ja oft auch hilfreich, gleich zu wissen, wenn es negativ wird. Das Hauptproblem sind da die praktischen Vorgänge.

Und was die Aufenthaltstitel betrifft: Welche Möglichkeiten gibt es da überhaupt noch nach aktuellem Stand?

Na ja, speziell für KünstlerInnen gibt es die Aufenthaltsbewilligung, die immer nur für ein Jahr erteilt wird und jährlich verlängert werden muss. Das unterstellt eigentlich, dass jemand nur vorübergehend nach Österreich kommt und irgendwann – und sei es auch nach ein paar Jahren – wieder das Land verlassen wird. Es wird also nicht davon ausgegangen, dass das jemand ist, der oder die sich dauerhaft in Österreich niederlassen möchte. Wobei es hier aufgrund der europarechtlichen Lage leichte Verbesserungen gibt. Also man könnte meiner Meinung nach nach fünf Jahren einen Umstieg auf einen Daueraufenthalt EG versuchen. Oder man könnte auch versuchen – wenn es mit dem Einkommen gelingt –, eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu bekommen.

Aber das ist doch erst bei einem relativ hohen Einkommen Thema, oder?

Ja, das sind je nach Fall so ca. 2.300 Euro brutto bzw. müssen entsprechende Punkte erreicht werden. Die gibt es dann für das Alter, für den Abschluss, für die Berufserfahrung und für die Sprachkenntnisse, obwohl die nur rudimentär vorhanden sein müssen. Die Punkte sind aber weniger das Problem; das Hauptproblem ist, dass man – mit dem entsprechenden Einkommen – unselbstständig sein soll. Wenn man selbstständig ist, ist es nahezu unmöglich, diese Rot-Weiß-Rot-Karte zu bekommen, weil die Voraussetzungen dazu nicht passen. Die Latte liegt so hoch, das ist kaum zu schaffen. Kapitaltransfer, Schaffung von Arbeitsplätzen – ein/e freischaffende/r KünstlerIn kommt da nicht infrage. Also haben wir zunächst eigentlich nur für den ersten Einstieg in das System in Österreich die Aufenthaltsbewilligung – mit der Möglichkeit, nach einigen Jahren eben einen Umstieg zu versuchen; oder natürlich auch, wenn sich privat etwas ändert.

Aber das hat jetzt nichts mit der Sonderposition von KünstlerInnen zu tun. Die Möglichkeit, auf einen besseren Titel umzusteigen, gilt ja für alle, wenn sich da aus familiären Gründen etwas ergibt. Speziell für KünstlerInnen gibt es nur noch diese Aufenthaltsbewilligung. Aufgrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gibt es in Ausnahmefällen jedoch für sogenannte Altfälle, die schon länger hier leben, die Möglichkeit, auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte oder eigentlich auf die Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus umzusteigen – und zwar, wenn sie über diese Niederlassungsbewilligung verfügten, die es früher gegeben hat, auch wenn diese zwischendurch nur mit Aufenthaltsbewilligungen verlängert wurde.

Also diesen Weg gibt es sozusagen für alle, die das schon hatten. Und für die, die jetzt neu kommen, gibt es auch einen Weg, aber einen sehr schwierigen, mit Hürden, wo man zunächst mal ziemlich lange ausharren muss. Aber ich glaube, die nächste Novelle ist schon in der Pipeline. Die hab’ ich mir noch nicht genau angesehen. Ob da etwas Neues kommt, weiß ich nicht. Es wird ja ständig novelliert.

Bis Juli 2011 hätte es die Möglichkeit gegeben, auch von einer Aufenthaltsbewilligung aus leichter umzusteigen – damals auf eine Aufenthaltsbewilligung-Unbeschränkt, die einer Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus entspricht. Aber diese Möglichkeit wurde mit 1. Juli 2011 wieder gestrichen. Deshalb erwähne ich sie auch nicht mehr, weil es sie leider nicht mehr gibt. Zwischendurch war das auch für Studierende eine gute Möglichkeit, umzusteigen – und mit einer Aufenthaltsbewilligung für KünstlerInnen wäre das auch ein Weg gewesen. Diese Tür wurde, glaube ich, sehr bewusst aufgemacht aber leider auch sehr bewusst wieder geschlossen. Wenn man das Studium in Österreich natürlich abgeschlossen hat, gibt es auch Möglichkeiten, auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte umzusteigen.

Gibt es solche Möglichkeiten auch für Menschen, die nicht 2.300 Euro verdienen?

Nein, eigentlich nicht, zumindest keine, die ich im Kopf habe. Aber es ist immerhin eine Erleichterung vorgesehen, was den Aufenthalt nach einem Studium in Österreich betrifft. Aber es müssen eben auch die sonstigen Voraussetzungen erfüllt werden.

Also es steht und fällt mit dem Geld?

Ja, leider.

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