Das Problem der geschlossenen Türen

Die Leerstandskampagne der IG Kultur Wien

Der Wunsch, Leerstand zu einem politischen Thema zu machen, über das in der Öffentlichkeit gesprochen wird, wurde ab 2008 zu einem Schwerpunkt in der Arbeit der IG Kultur Wien. 2010 schließlich startete die Leerstandskampagne. In deren Zentrum stand die dreiteilige Studie Perspektive Leerstand, die in Kooperation mit der TU Wien erarbeitet und von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begleitet wurde. Die Studie diente zum einen dazu, einen eigenständigen Blick auf das Thema zu entwickeln und ein kollektiv nutzbares Wissen zu generieren, und zum anderen dazu, den politischen Verantwortlichen Empfehlungen an die Hand zu geben.

Dadurch schärfte sich die inhaltliche Ausrichtung der IG und ihrer Mitglieder. Bedürfnisse, Fragestellungen und Strategien wurden in den Open IGKW Treffen – einer von der IG Kultur Wien entwickelten Diskussionsschnittstelle – besprochen, und Texte wurden publiziert, um den Stand der Auseinandersetzung zu kommunizieren. Klar geworden ist, dass ein Fokus auf Zwischennutzungen verkürzt und nur für wenige Menschen sinnvoll ist. Eine Stadtentwicklung, die eine gesamtstädtische, nachhaltige Perspektive einnehmen will, muss ein Leerstandsmanagement entwickeln, das am Bedarf orientiert ist.

Fehlende Informationen, fehlende Transparenz

Die Stadt tut wenig in diesem Sinne. So gibt es zum Beispiel für die Entwicklung der „Agentur für Zwischennutzung“ (festgeschrieben im rot-grünen Regierungsabkommen) an der Expertise von möglichen Nutzer_innen kein Interesse. Die MA7, Kulturressort, vor allem Kulturstadtrat Mailath-Pokorny, verhinderten einen ernst gemeinten Informationsaustausch: Gesprächstermine wurden verschoben, eine Einladung zur Podiumsdiskussion kurzfristig abgesagt. Auf der politischen Ebene bekam die IGKW keinen Fuß in die Tür. Dass die Stadt vor fast einem Jahr überhaupt das entsprechende Arbeitsgremium eingerichtet hat, erfuhr die IG zufällig auf einer Diskussionsveranstaltung. Vertreter_innen aus dem kulturellen oder sozialen Bereich waren und sind nicht eingeladen, Fragen der Migrations- und Geschlechter(kultur)politik werden schon gar nicht explizit einbezogen. Außer den Magistraten ist nur departure dabei, die städtische Kreativagentur. Das lässt ahnen, wohin der Zug rollt. Anstatt kostengünstigen Raum zugänglich zu machen, steht wohl im Fokus, Grätzel mit Hilfe der kurzzeitigen Anwesenheit von „Kreativen“ aufzuwerten.

Fehlende Transparenz ist im Umgang mit Leerstand ein Hauptproblem. So liegen keinerlei Zahlen für Leerstand für Wien vor, obwohl zumindest bei städtischen Immobilien eine Aufstellung keine Probleme bereiten sollte. Wie die Studie zeigte, gelingt das anderen Städten besser, in Basel werden die Zahlen jährlich veröffentlicht. Das brachte die IG Kultur Wien dazu, den interaktiven Leerstandsmelder (1), nach dem Vorbild von Hamburg, für Wien zu initiieren. Dort können Leerstände von Stadtbewohner_innen einfach eingetragen werden. Durch die grafische Darstellung auf der Stadtkarte, werden die Problematik und deren mangelnde Sichtbarkeit verbildlicht und greifbarer. Der zweite Teil der Studie und der frisch aktivierte Leerstandsmelder wurden auf einer Pressekonferenz im November 2012 vorgestellt. Die „Selbsthilfe“ sorgte für plötzliche Stressreaktionen aus dem Kulturressort und die Gesprächsbereitschaft stieg.

In welcher Stadt wollen wir leben?

Neben der politischen Lobbyarbeit war die Vernetzung von aktiven Gruppen und Interessierten die andere zentrale Säule der Kampagne. Ein sehr gut besuchter Workshop im März 2013 führte zu der Initiierung eines Recht auf Stadt-Netzwerkes. Das Thema Leerstand ist ein Anknüpfungspunkt für viele Themen der Stadtentwicklung, die sich im Endeffekt alle mit der Frage beschäftigen: In welcher Stadt wollen wir leben? Die vielen Diskussionen führten zu der wichtigen Erkenntnis, dass Leerstand nicht isoliert und auch nicht ausschließlich aus der Perspektive Kulturschaffender zu betrachten ist, sondern in einen politischen Kontext gestellt werden muss. Damit Zwischen- und Nachnutzungen und Kunst- und Kulturschaffende / Nutzer_innen nicht unbemerkt und unbewusst als Aufwertungs- und Gentrifizierungsinstrumente benutzt werden und so eine problematische Entwicklung vorantreiben, bedarf es einer klaren Positionierung (siehe dazu auch Kulturrisse 12/3 „Pioniere der Gentrifizierung, oder …“).

Als vorläufiger Abschluss der Kampagne wurde im Oktober 2013 deshalb ein Positionspapier veröffentlicht, welches auf der Homepage der IGKW (2) zu finden ist und unterschrieben und unterstützt werden will. Eingefordert wird eine gesamtstädtische Perspektive und keine Grätzelaufwertung, ein nachhaltiges Leerstandsmanagement anstatt der Fokussierung auf Zwischennutzungen, die Veränderung gesetzlicher Rahmenbedingungen und eine Stadtgestaltung von unten, die selbstorganisierte Initiativen zulässt. Es braucht eine faire, sozial orientierte Vermittlung von Räumen und mehr öffentliche Kommunikation. Das Thema Leerstand ist auch im Kontext der zunehmenden Schwierigkeiten zu diskutieren, kostengünstig Raum zu nutzen. Hier muss sich stadtpolitisch dafür eingesetzt werden, dass die Mieten deutlich sinken! Eine viel mutigere Raumpolitik ist notwendig. Der Umgang mit Leerstand kann und muss der Einstiegspunkt sein für einen ganz anderen Weg in der Stadtentwicklung.

Am Kristallisationspunkt Leerstand zeigt sich, dass die Wiener Politik der verschlossenen Türen so gar nicht den Verhandlungsraum schafft, der für eine demokratische Gesellschaft (überlebens-)wichtig ist. Die IG Kultur Wien will mit dem Positionspapier ein Zeichen setzen und zeigen, dass sich viele Menschen für „ihre“ Stadt interessieren und beobachten werden, wohin es etwa in Bezug auf die „Agentur für Zwischennutzung“ geht.

Fußnoten

(1) www.leerstandsmelder.net

(2) leerstand.igkulturwien.net

Anna Hirschmann und Raphael Kiczka sind im Recht auf Stadt-Netzwerk aktiv und kümmern sich bei der IG Kultur Wien um die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Leerstand, damit sich eine „Stadtgestaltung von unten“ auch aktiv Raum im Blätterwald nimmt.

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