Lokale PolitikerInnen: Blind für freiwillige Arbeit!

Das Art Center, das einzige Zentrum für KünstlerInnen in Slowenien, sah sich aufgrund einer Kontroverse zwischen seinen GründerInnen – dem Verein Onej einerseits und der Gemeinde Moravske Toplice andererseits – im November 2006 mit der Ausweisung der dort ansässigen KünstlerInnen und der Räumung der zugehörigen Gebäude konfrontiert. Es folgte ein Protest von KünstlerInnen und AktivistInnen vor dem Gemeindeamt in Moravske Toplice sowie die Wiederbesetzung der Räumlichkeiten des Art Centers zwei Tage nach dessen Räumung, die jedoch nicht lange währte, da die Polizei neun Menschen inhaftierte und die Türen des Art Centers versiegelte.

Das Art Center, das einzige Zentrum für KünstlerInnen in Slowenien, sah sich aufgrund einer Kontroverse zwischen seinen GründerInnen – dem Verein Onej einerseits und der Gemeinde Moravske Toplice andererseits – im November 2006 mit der Ausweisung der dort ansässigen KünstlerInnen und der Räumung der zugehörigen Gebäude konfrontiert. Es folgte ein Protest von KünstlerInnen und AktivistInnen vor dem Gemeindeamt in Moravske Toplice sowie die Wiederbesetzung der Räumlichkeiten des Art Centers zwei Tage nach dessen Räumung, die jedoch nicht lange währte, da die Polizei neun Menschen inhaftierte und die Türen des Art Centers versiegelte. So steht dieses seit letztem November leer und bietet im Gegensatz zu früher, als es als belebter und buntgestalteter Treffpunkt für KünstlerInnen und Freiwillige offen stand, die sich von den ehemals jugoslawischen Baracken nahe der ungarischen Grenze inspirieren ließen, ein trauriges Erscheinungsbild.

Gründungsgeschichte und Entstehung des Konflikts

Das Art Center wurde im Jahr 2000 von Onej gegründet, als der Verein der Initiative Prekmurje Mittel und Wege fand, Räumlichkeiten einer einstmals jugoslawischen Wachstube an der ungarischen Grenze in Središče umzuwidmen. Der Verein erhielt im Rahmen des Programms Phare-Credo der Europäischen Union eine Finanzierung von 52.000.- Euro für das Projekt „Gründung eines interregionalen Kunst- und Kulturzentrums“ – eine Idee von Zdravo Pravdič-Pec. Die Gemeinde Moravske Toplice löste die verlassene und baufällige Grenzwachstube vom Verteidigungsministerium ab und investierte 21.000.- Euro. Die Gemeinde Šalovci steuerte 2.000.- Euro bei, die restliche Summe erhielt der Verein Onej aus Spenden. Offiziell hielt der Verein Onej einen Anteil von 66,6% am Art Center, die Gemeinde Moravske Toplice hielt 33,2% und die Gemeinde Šalovci einen Anteil von 0,94%. Laut Onej begannen die Probleme schon bei der Unterzeichnung des Gründungsvertrags, da der Bürgermeister der Gemeinde Moravske Toplice, Franc Cipot, dem Stadtparlament niemals einen Beschluss zur Finanzierung des Art Center vorlegte. Damit hatte die Institution keinerlei Mittel zur Verfügung, um für die Erhaltungskosten aufzukommen. Die KünstlerInnen des Art Center in Središče machen außerdem den Stadtrat Tibor Voroš für das Desaster mitverantwortlich. Angeblich wollten beide, Bürgermeister und Stadtrat, Geld auf ihr eigenes Konto schaffen.

Anfang 2001 erhielt das Art Center von Štefan Smej eine Prämie von 42.000.- Euro für das beste slowenische Regionalprojekt. Im Mai 2001 zogen der Programmleiter Zdravko Pravdič und der Stellvertreter des Managers, Goran Miloševič, in das Gebäude. Damit begann eine Periode ununterbrochener Aktivität. Das Art Center steigerte seine Aktivitäten in tagelanger Arbeit und kam so langsam an weitere nationale und europäische Subventionen: Es wurde in die Liste slowenischer Jugendherbergen aufgenommen, startete ein Projekt im Rahmen des European Voluntary Service und setzte durch das Kulturministerium finanzierte Projekte um. KünsterlerInnen aus aller Welt besuchten das Art Center. Der erste stellvertretende Manager Goran Miloševič trat wegen Familiengründung nach zwei Jahren ehrenamtlicher Vereinsarbeit von seinem Posten zurück. Der Programmleiter Zdravko Pravdič, Initiator und Leiter des gründungsstiftenden EU-Projekts, arbeitete von diesem Zeitpunkt an alleine; an manchen Tagen unterstützten ihn Freiwillige bei seiner Arbeit. Zwei Personen waren mit der Öffentlichkeitsarbeit betraut. In den Jahren 2002 und 2003 blieben die Einnahmen unter 20.000.- Euro; das Art Center kämpfte um seine Erhaltung. Während dieser Zeit wurde die Elektrizität zweimal abgeschaltet, und während einer Periode von sechs Monaten hatte das Art Center keinen Telefonanschluss. Im Februar 2003 verlautbarte Tibor Voroš in der wichtigen Informationssendung Dnevnik im slowenischen Fernsehen, dass Obdachlose im Art Center Unterschlupf gefunden hatten. Eine Gruppe von Menschen im Umfeld des Art Center ergatterten in Summe 20.000.- Euro bei diversen Ausschreibungen verschiedener EU-Programme (ECF – Europäische Kulturstiftung, DG Erweiterung, Jugendprogramm). Ausländische KünstlerInnen besuchten regelmässig die Institution; es wurden verschiedene Bildungsworkshops sowie nationale Projekte und Programme realisiert. Der deutsche Schacht AXT & KELLE unterstützte den Bau eines Wohngebäudes bis zur dritten Ausführungsphase. Auch der Wohnteil mit acht Zimmern und einem Büro wurde bezogen. Aus einer kleinen Hütte war ein Zentrum mit großen Studios, einer Bibliothek, einer Küche, einem Computerzimmer und einem Raum für KünstlerInnen entstanden; drei Schlafräume befanden sich in Fertigstellung.

Eskalation des Konflikts und Räumung

Als das Projekt des Zentrums endgültig ins Laufen kam, beriefen VertreterInnen der Gemeinden Moravske Toplice und Šalovci eine ungültige Generalversammlung ein (die Zusammenkunft entsprach nicht den in den Statuten vorgeschriebenen Regeln: die Einladungen waren nicht unterschrieben, und der Einladung wurde kein Arbeitsmaterial für die Sitzung beigelegt). In dieser Versammlung wurde Simona Zadravec zur stellvertretenden Managerin gewählt, die jedoch drei Tage später von diesem Amt wieder zurücktrat. Die Gemeinde Moravske Toplice heuerte den Anwalt Dejan Rituper an, der Anzeige gegen den Verein Onej erstattete und eine einstweilige Verfügung bewirkte. Terezija Cipot, die Richterin am Bezirksgericht Murska Sobota, verfügte Ende April 2006 das Urteil, dass das Team des Art Center, die Vereinsmitglieder von Onej, die dort lebten und arbeiteten, die Interessen der Institution gefährdeten und daher das Gelände des Art Centers verlassen müssen. Kurz zuvor wurde Petra Pika Pevec, Ehefrau eines Anwalts, die noch nie im Art Center gewesen war und keine der Bedingungen für die Funktion der Managerin erfüllte, zur neuen stellvertretenden Managerin gewählt. Sie stellte ihre Effizienz vor allem dadurch unter Beweis, dass sie die Bankkonten des Art Center sperren und die Telefonleitungen kappen ließ sowie dafür sorgte, dass die Mitglieder des Art Center des Geländes verwiesen wurden. Es kursieren Schätzungen innerhalb der Gründungsmitglieder des Art Center, dass Petra Pika Pevec seit dem 9. März 2006 einen Schaden von 80.000.- Euro verursachte. Sie führte diesen Schaden vorsätzlich herbei, da sie die laufenden Kosten nicht bezahlte, die aus dem Projekt erwachsenen Verpflichtungen nicht erfüllte und die VertragspartnerInnen ignorierte, was dazu führte, dass – wie bereits angeführt – die Telefon- und Faxleitungen gekappt und der Internetzugang gesperrt wurde. Außerdem wurden Anträge für folgende Projekte verschlampt: ein Projekt des Kulturministeriums und der Europäischen Stiftung für regionale Entwicklung von Multimedia Zentren in allen statistischen Regionen Sloweniens; ein Projekt des Ministeriums der Kultur für audiovisuelle Künste; „Enlarge the Funny side of Europe“, ein Projekt der DG Erweiterung der EU sowie ein Projekt der Europäischen Kulturstiftung (ECF) für KünstlerInnen im Rahmen eines EU-Jugendprogramms.

Am 30. November 2006 marschierte die Polizei mit dem Gerichtsexekutor auf, um das Art Center zu räumen. Als die KünstlerInnen von der Polizei die Vorlage des Gerichtsbeschlusses einforderten, berief sich die Polizei auf die Autorisierung durch die EigentümerInnen. Dies mutet eigenartig an, wenn man berücksichtigt, dass der Mehrheitseigentümer der Institution Art Center der Verein Onej ist, dessen Mitglieder vom Gelände verwiesen worden waren. Auf die Nachfrage, wer die EigentümerInnen des Art Centers vertrete, stellte sich Tibor Voroš vor, der – obwohl er ein Vorstandsmitglied war – keine Autorisierung seitens der Umgestalter des Art Center bzw. des Institutsvorstandes vorlegte. Am Tag nach dem Protest vor dem Gemeindeamt kehrten einige AktivistInnen zurück, um das Zentrum zu befreien. Daraufhin verhaftete die Polizei neun AktivistInnen und brachte sie in die Murska Sobota Polizeistation. Tibor Voroš blieb nach der Inhaftierung in den Räumen des Art Center, wo er einen für seine neue Bar geeigneten Platz suchte.

Kein Raum für Alternativkultur

Zu diesem Zeitpunkt wohnten verschiedene Personen im Art Center, die dieses auch bespielten: Zdravko Pravdič Pec, kreativer Erfinder und Programmleiter des Art Centers, Vita Žgur, ein Vertreter des Art Centers in M3C, sowie ein ehrenamtlicher Mitarbeiter, Julijan Borčnik (beide gewannen den nationalen Kulturpreis – Prešernova nagrada), ein Gastkünstler, der über das Context Programm finanziert wurde; Alexandra Filiatreau (Frankreich) und Pawel Dziemian sowie Uroš Dimic, der sich als Gast von Ljubljanas Rog im Art Center aufhielt. Für den polnischen Künstler Pawel Dziemian war die Räumung am schwierigsten, da er sich zu diesem Zeitpunkt als Vortragender in Bratislava befand. Als ihm telefonisch mitgeteilt wurde, dass die Polizei das Art Center geräumt hatte, kehrte er zurück und brachte in Erfahrung, dass das Gebäude von Security-Personal bewacht wurde und ihm kein Zugang zu seinen persönlichen Dingen gewährt werden sollte. Dzemian protestierte daraufhin vor dem Gebäude des Kulturministeriums in Ljubljana.

Als dieser Kunststudent Ende Mai 2006 im Rahmen des Projekts „Artist in Context“ nach Slowenien gekommen war, konnte er nicht ahnen, dass er das Kulturministerium sowie andere Institutionen um mehr kulturelle Umgangsformen ersuchen müssen werde. Er wollte sich damals vor allem auf soziale, ökonomische und menschliche Fragen in Verbindung mit Kunst konzentrieren. „Ich kam in die Region Goričko mit dem Wissen, dass ich in eine weniger entwickelte Region mit hoher Arbeitslosigkeit fahren würde. Dies war überhaupt nicht neu für mich, da ich im nordöstlichen Teil Polens lebe, in dem ähnliche Bedingungen herrschen.“ Statt in ein inspirierendes künstlerisches Umfeld zu gelangen, fand er sich mitten in einer Auseinandersetzung zwischen KünstlerInnen und der lokalen Autorität wieder. Er bekam dies zu spüren, als er bemerkte, dass er keinen Zugriff mehr auf das von der französischen Institution aufs Konto des Art Centers überwiesene Geld hatte. Dennoch gelang es ihm, einen Teil des Projekts mittels Spenden von AktivistInnen und KünstlerInnen zu verwirklichen. Mit Unterstützung der polnischen Botschaft versuchte Dziemian seine Sachen zurückzubekommen; trotz stundenlanger Überzeugungsversuche erklärten ihm jedoch die dort Beschäftigten, die Botschaft könne nicht den Schiedsrichter im Fall des Art Center übernehmen, denn dies wäre eine Einmischung in lokale Zuständigkeiten.

Der Bürgermeister von Moravske Toplice, Franc Cipot, beschuldigt den Präsidenten und die Vereinsmitglieder von Onej, sie seien angeblich von Anfang an nicht kommunikationsbereit gewesen. In der Gemeinde erklärten die Verantwortlichen, sie hätten keine Probleme mit dieser Art von Kunst; sie sei aber besser für Großstädte geeignet, die EinwohnerInnen von Goričko seien für derartiges noch nicht bereit. Auch Petra Pika Pevec vertritt eine ähnliche Meinung. In einem von Radio Marš (das StudentInnenradio Maribors) ausgestrahlten Interview stellte sie fest, eine solche Alternativkultur gehöre nicht nach Goričko und sei in Berlin oder am Metelkova in Ljubljana besser aufgehoben.

Die Geschichte des Art Center ist noch immer nicht beendet. Die Räumlichkeiten sind noch immer versiegelt; das Team, das im Art Center gearbeitet hatte, setzt seine Tätigkeiten in Ljubljana fort. Die Gemeinde Moravske Toplice schiebt dem Team die Schuld für diese Situation zu, und sie wird wohl kaum der Tatsache ins Auge sehen, dass die Gemeinde durch ihre einseitigen Aktionen viele Stunden freiwilliger Arbeit ruiniert und das einzige Wohnzentrum für KünstlerInnen in Slowenien geschlossen hat.

Josip Rotar ist Journalist, Medienaktivist und Student; lebt und arbeitet in Maribor.

Übersetzung: Birgit Mennel

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