Freund und Helfer? Polizeigewalt und Rassismus in Österreich.

Walter Scott, Sandra Bland, Eric Garner, Trayvon Martin, Mya Hall, George Floyd - Das sind Namen von Menschen, die bei Amtshandlungen der Polizei in den USA durch rassistisch motivierte Gewalt ums Leben gekommen sind. Der Tod George Floyds hat aber auch in vielen anderen Ländern massive Proteste ausgelöst. Auch in Österreich waren über 50.000 Menschen auf der Straßn. Die haben aber nicht gegen Polizeigewalt in den USA protestiert. Auch in Österreich zeigt sich das Problem ganz ähnlich.

Ahmed F., Marcus Omufuma, Richard Ibekwe, Cheibani Wague, Bakary J., Mike Brennan – das sind die Namen, die in Österreich mit rassistischer Polizeigewalt verbunden werden.  Marcus Omufuma wurde 1999 bei seiner Abschiebung umgebracht. Die Beamten hatten ihm den Mund so zugeklebt, dass er nicht mehr atmen konnte. Omufuma hat in Wien ein Denkmal bekommen, das regelmäßig rassistisch beschmiert wird. Ein anderer bekannter Fall war jener des amerikanischen Lehrers Mike Brennan. Dieser wurde in der U4 von Polizisten verprügelt, weil sie ihn für einen Drogendealer halten. Sie brachen dem Lehrer der Vienna International School zwei Lenendwirbelfortsätze, er erlitt Rippen- und Schädelprellung. 
Es handelt sich nicht um Einzelfälle, ein strukturelles Problem zeigt sich: Racial Profiling. Das heißt, dass die Polizei Menschen auf äußerlichen Stereotypen basierend einschätzt. So wird ein Lehrer aufgrund seiner Hautfarbe wie ein gefährlicher Drogendealer behandelt. Das andere Problem ist rassistische Gewalt, denn es wird bei Menschen mit dunkler Hautfarbe physisch wesentlich brutaler vorgegangen. Trotz dieser zahlreichen Fälle in den letzten zwanzig Jahren hat sich bei der Polizei auch in Österreich wenig geändert. Ähnlich wie in den USA geht es auch hier für die Beamten meist glimpflich aus. Sogar Innenminister stellten sich schützend vor sie, wenn sich mal medialer Druck aufbäumt. Am Problem hat sich also auch deshalb nichts geändert, weil die Politik sich weigert, überhaupt eines zu sehen. 

Der Tiroler David Prieth ist Kulturarbeiter, Künstler und Veranstalter, Geschäftsführer der pmk in Innsbruck und im Vorstand der Tiroler Kulturinitiativen und der IG Kultur und Sohn einer Österreicherin und eines Kongolesen. Wie viele Menschen, die in einer rassistischen Atmosphäre zwischen zwei Kulturen aufwachsen, war die Auseinandersetzung mit seinen Wurzeln für ihn nicht einfach. Wenn man wie jedes andere Tiroler Mittelschichtkind aufwächst, steht vorerst im Vordergrund, die Zugehörigkeit zu dem Ort, an dem man aufgewachsen ist, zu beanspruchen und für sich zu verteidigen. Er hat über die Jahre zu einer Auseinandersetzung mit seinen Wurzeln gefunden und begrüßt die breite Auseinandersetzung mit dem Thema: „Ich finde es gut, dass das Thema Rassismus gerade auf breiter Basis diskutiert wird und auch das Thema Polizeigewalt. Das ist nicht nur in den fernen USA relevant.“ Auch Prieth selbst hat unangenehme Erfahrungen mit der Polizei gemacht: „Da hilft mir auch mein Magistertitel nicht, das sind Sachen, die bleiben an einem kleben.“ Er denkt, dass trotz der breiten Aufmerksamkeit noch weit von einer Lösung entfernt sind. Die alten Reflexe funktionieren noch zu gut: „Auch nach der Tötung von Omufuma wurde versucht, die Verantwortung an diesem rassistischen Mord zu legitimieren.“

Es gibt in Österreich Stellen an die sich Betroffene nach Übergriffen wenden können. Zara ist ein Verein für Antirassismus und Zivilcourage, der auch psychosoziale und juristische Beratung anbietet und systematische Dokumentation von Übergriffen leistet. Die Juristin Dilber Dikme leitet die Zara Beratungsstellen und gibt uns eine Einschätzung der Lage: „Vor allem antimuslimer Rassismus und Rassismus gegenüber Geflohenen ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen.“ Laut Definition von Zara findet eine rassistische Diskriminierung statt, wenn eine Einzelperson oder eine Gruppe aufgrund der Herkunft, Hautfarbe, Sprache oder Religion irgendeine Art der Schlechterbehandlung oder Benachteiligung erfährt. Zara betreut Einzelpersonen, genauso wichtig ist aber auch die Öffentlichkeitsarbeit, um die gesellschaftlichen Grundlagen von Rassismus ändern zu können. Denn Rassismus findet auf individueller Ebene, struktureller und struktureller Ebene statt. Und man muss auf allen Ebenen gleichzeitig ansetzen.

Auf individueller Ebene arbeitet Zara aber nicht nur mit Betroffenen von Übergriffen. Es ist wichtig alle Menschen zu sensibilisieren und ihnen das Wissen mitzugeben, wie sie in bestimmten Situationen sinnvoll agieren können. „Zivilcourage ist Mut in einer unangenehmen Situation in der Öffentlichkeit einzugreifen. Es bedeutet aber nicht blindlings einzuschreiten und die Situation komplett zu lösen. Es kann auch bedeuten, die Situation zu beobachten, die Polizei zu alarmieren und danach als Zeuge oder Zeugin zur Verfügung zu stehen. Viele Menschen leiden auch sehr darunter, den Eindruck zu haben, dass andere Menschen desinteressiert vorbeilaufen. Es ist schon eine große Erleichterung für Betroffene, wenn man danach auf sie zugeht und sich als Zeuge oder Zeugin anzubietet“ so Dikme. 
Karin Bischof ist Trainerin bei Zara. Sie führt Menschen, die ein Zivilcourage-Training besuchen durch die vier Schritte der Zivilcourage, damit sie lernen, ihre soziale Verantwortung auch mutig zeigen zu können. Der erste Schritt ist überhaupt die Wahrnehmung. Man muss sich erst dessen gewahr werden, was da gerade passiert. Der nächste Schritt ist die richtige Einschätzung der Lage, um sinnvoll agieren zu können auch ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Der dritte Schritt ist die Übernahme von Verantwortung, also eine bewusste Entscheidung für Wertüberzeugungen, die man in ein Handeln übersetzen möchte. Und beim letzten Schritt des Handelns benötigt man entsprechendes Wissen, beispielsweise wie man Notsignale in den öffentlichen Verkehrsmitteln setzen kann, Notrufnummern parat zu haben oder wie man konkret in Notsituationen eingreifen kann. Interventionen können unterschiedlich aussehen. Manchmal reicht es schon abzulenken, Lärm zu machen, wie zum Beispiel mit Trillerpfeifen, wie sie Zara anbietet. Es kann auch hilfreich sein, andere dazu zu holen, um die Handlungskompetenzen zu addieren. 

Erst mit dem Handlungswissen und der Übung des Agierens kann dieses auch in Handeln übersetzt werden. Es braucht den Mut, etwas tun zu wollen und das Bewusstsein, dass es an einem selbst liegt, etwas zu tun, weil es sonst niemand anders machen wird. Vielen Menschen fehlt genau dieses Bewusstsein, um eingreifen zu können. Danach benötigen sie noch die Wissenskomponente, um ihren Willen auch sicher und sinnvoll in Taten münden zu lassen. Das lässt sich allerdings erlernen.

 

Ähnliche Artikel

Was können Kulturvereine tun, insbesondere jene die Clubs und Lokale betreiben, um das Ziel der Nicht-Diskriminierung umzusetzen? Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat in Kooperation mit ZARA, Black Voices und dem Klagsverband, basierend auf der langjährigen Beratungserfahrung und Community-Arbeit dieser Organisationen, eine Empfehlung gegen Rassismus und Diskriminierung in Lokalen erarbeitet. Neben konkreten Empfehlungen für Maßnahmen beinhaltet das PFD auch eine Musterhausordnung.
Für soziale Sicherheit und Einbeziehung aller, die hier leben | Gegen jeden Antisemitismus Pressemitteilung des Kulturrat vom 26.01.2024
Herausforderungen Kultur Künstliche Intelligenz, schlechte Kulturstrategien, mangelnde Partizipation, geringe Einbindung der Jugend, Verschwinden des Publikums, Klimakatastrophe, steigender Rassismus, Rechtsextremismus im Aufwind und die humanitäre Krise im Mittelmeer - Herausforderungen gibt es genug. Während die Kulturpolitik weitgehend an den Realitäten des Kulturbetriebs vorbei agiert, scheint auch die Kultur teilweise an der Vielzahl drängender gesellschaftlicher Probleme vorbeizugehen. Sind wir mit der Vielzahl an Herausforderungen überfordert?