Einschätzungen zum Regierungsprogramm. Stimmen aus Kultur, Soziales, Frauen, Antirassismus und Medien

Das Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS hat 211 Seiten. Für den Kulturbetrieb ist jedoch nicht nur das Kapitel Kunst und Kultur relevant. Weichenstellungen in anderer Ressorts beeinflussen ebenso die Entwicklung des Sektors wie das gesamtgesellschaftliche Klima. Um das Programm und die zu erwartenden Entwicklungen besser einschätzen zu können, haben wir bei Vertreter*innen aus den Bereichen Kulturpolitik, Antirassismuspolitik, Medienpolitik, Frauenpolitik und Sozialpolitik nachgefragt.

Neon-Kaktus in Türkis, Rosa und Rot

Welche ersten Signale sendet das neue Regierungsprogramm aus, und welche Auswirkungen sind in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu erwarten? 

 

Wir haben dazu Vertreter:innen aus verschiedenen Sektoren befragt: 

Caroline Schmüser von ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, den Sozialexperten Mag. Martin Schenk, Brigitte Theißl vom feministischen Magazin An.Schläge, Dr. Helga Schwarzwald vom Verband Freier Rundfunk Österreich und Yvonne Gimpel, die auch unsere eigene Perspektive mit einbringt.

 

Interview mit Yvonne Gimpel

Foto von Yvonne GimpelYvonne Gimpel
IG Kultur Österreich

 

IG Kultur: Wie liest sich das neue Programm in Bezug auf Kunst und Kultur?

 

Yvonne Gimpel: Betrachtet man das Kunst- und Kulturprogramm der neuen Bundesregierung isoliert, so ist das unseres Erachtens durchwegs ambitioniert und spannt eine sehr breite Themenpalette auf. Von Bildung und Kultur über niederschwelligen Zugang, faire Bezahlung, soziale Absicherung, mehr Geschlechtergerechtigkeit, digitale Transformation, Vereinfachung der Förderabwicklung etc. Also hier werden sehr, sehr viele Themen aufgegriffen, die auch wirklich in der alltäglichen Praxis Herausforderungen darstellen. Inhaltlich wird damit aber eigentlich auf Kontinuität gesetzt. Also sehr viele der gewählten Schwerpunkte sind durchwegs eine Fortführung und Weiterentwicklung. der bisherigen Politik und der bisherigen Legislaturperiode. Das trifft übrigens genauso auf die Verknüpfung von Kultur und Bildung zu, die ja vielfach hervorgehoben wird. Auch die fand sich bereits bei der letzten Regierung teils sogar wortwörtlich. Dennoch lassen sich auch neue Akzente identifizieren, etwa dass erstmals die Bedeutung von Jugend- und Clubkultur explizit hervorgehoben wird oder oder die Bedeutung von regionalen Kulturinitiativen als kulturelle Nahversorger in den Regionen betont wird. Oder auch, ganz Neues ist, dass die Problematik der Raumfrage, also Stichwort Leerstand und Zwischennutzung, tatsächlich im Regierungsübereinkommen aufgegriffen wird und hier etwas getan werden soll.

 

IG Kultur: Das klingt in der Theorie einmal recht positiv, sind aber wie erwähnt auch bereits in früheren Programmen als Ziel formuliert gewesen. Gibt das Programm auch Aufschluss, wie all diese Vorhaben umgesetzt werden sollen?

 

Yvonne Gimpel: Insgesamt, abgesehen von dieser breiten Themenpalette und dieser starken Fussierung der Kontinuität mit einzelnen neuen Akzenten, Finde ich schon auffallend, dass es ein relativ technisches und sehr realpolitisch orientiertes Programm ist, das etwa durchwegs auch die notwendige Kooperation immer wieder explizit hervorhebt. Also auch das ist positiv, wenn auch nicht besonders sexy, wenn man so möchte. Denn die besten Absichten, etwa die soziale Lage von Künstlerinnen und Kulturarbeitenden zu verbessern, bringt nichts, wenn nicht auch das Sozial- und Arbeitsministerium mittut. Und hier ist wieder die interministerielle Zusammenarbeit explizit geplant, um die notwendigen Erbesserungen, die in der Realität auch die Erwerbsrealitäten abbilden und auffangen, zu verbessern. Das Gleiche gilt natürlich für die Bildungsvorhaben. Auch da muss das federführende Bildungsrersort mitspielen. Oder wenn das Förderwesen vereinfacht werden soll, dann müssen alle relevanten Player zusammenarbeiten. Und das ist in diesem Fall natürlich nicht nur der Bund, sondern auch die Bundesländer und Gemeinden.

 

IG Kultur: Neben diesen Rahmenbedingungen ist ein ganz zentrales Stichwort bislang noch nicht gefallen – die Frage des Budgets...

 

Yvonne Gimpel: Bei all diesen Vorhaben bleibt aber natürlich auch eine gewisse Skepsis, und zwar nicht nur die Frage, wo werden denn jetzt wirklich in der Realität die Prioritäten gesetzt, sondern vor allem wird das künftige Kunst- und Kulturbudget die Umsetzung all dieser geplanten Ziele auch tatsächlich hergeben. Denn wenn all die Förderschienen und Maßnahmen weitergeführt werden sollen, wenn alle Bauvorhaben, und da gibt es momentan zahlreiche, fortgeführt werden, plus noch neue Anreize geschaffen werden sollen, so kostet das natürlich. Und zwar mehr als bisher. Von der Konsequenz, die es nach sich zieht, wenn man für P als verbindliches Förderkriterium, als Förderbedienung etabliert, und auch das findet sich im Regierungsübereinkommen, ohne begleitend die erforderlichen Budgeterhöhungen vorzunehmen, ganz zu schweigen. Und genau das ist eigentlich die bedeutendste Stelle des Kunst- und Kulturprogramms oder eher die bedeutendste Leerstelle. Denn zur budgetären Ausstattung, zur Wertsicherung der Finanzierungszuschüsse für die Freiheitsszene, dazu schweigt das Programm gänzlich.

 

IG Kultur: Das heißt, es ist mit Kürzungen im Budget zu rechnen.  Lässt sich abschätzen, wie diese ausfallen werden?

 

Yvonne Gimpel: Es ist bekannt, dass gerade vor dem Hintergrund der angekündigten Einsparungsmaßnahmen, bei denen es zu einer sogenannten Redimensionierung von Förderung oder einer Reduktion der Fördersätze kommen soll, erfüllt uns das wirklich mit großer Sorge, insbesondere nachdem sich Kulturförderungen ja bekanntermaßen auf der Liste, die nach Brüssel übermittelt wurden, befanden, dort wo gekürzt werden soll. Schließlich kann man nur hoffen, weil momentan ist das Budget noch nicht beschlossen und wir müssen es abwarten, aber dass die neue Regierung ihre eigene Ansage, die ebenfalls im Regierungsübereinkommen ist, ernst nimmt, in der sie sagt, Kunst und Kultur zählen zu jenen Bereichen, die besonders zur nachhaltigen und inklusiven Entwicklung beitragen und sind entsprechend in der Förderpolitik zu priorisieren.

Interview mit ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit

Logo ZARA

Caroline Schmüser
ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit
www.zara.or.at

 

IG Kultur: Wie wird Rassismus im neuen Regierungsprogramm thematisiert? 

 

Caroline Schmüser: Rassismus wird allerdings nur am Rande thematisiert. Strukturelle Maßnahmen fehlen völlig. Das Wort Rassismus kommt im gesamten Programm nur zweimal vor. Und Maßnahmen zu dessen Bekämpfung oder ein nationaler Aktionsplan gegen Rassismus fehlen komplett. Stattdessen finden sich rassistische Narrative und menschenverachtende Rhetoriken, insbesondere gegenüber Asylsuchenden, Migrant:innen und Muslim:innen.

 

IG Kultur: Wie zeigt sich dies konkret, woran macht ihr diese Analyse fest?

 

Caroline Schmüser: Asylsuchende Personen werden pauschal als Bedrohung dargestellt. Ihre Kriminalisierung basiert auf rassistischen und Stereotypenbildern. Solche Narrative haben reale Folgen. Sie schaffen eine gesellschaftliche Stimmung, in der Rassismus und Diskriminierung legitim erscheinen und rassistische Maßnahmen quasi als notwendig verkauft werden. Ein Beispiel dafür aus dem Programm ist das geplante Kopftuchverbot für Mädchen. Offiziell wird es mit Selbstbestimmung oder dem Schutz vor Segregation und Unterdrückung begründet. Das ist allerdings ein Widerspruch in sich. Ein staatlich verordnetes Verbot ist das Gegenteil von Selbstbestimmung. Es nimmt Mädchen die Entscheidungsfreiheit und schränkt gleichzeitig die Religionsfreiheit ein. Statt also für Gleichberechtigung zu sorgen, passiert genau das Gegenteil. Betroffene ziehen sich zurück, sie meiden öffentliche Räume, sie fühlen sich ausgegrenzt. Das Verbot sendet eine klare Botschaft der Ausgrenzung. Ein weiteres Beispiel ist die Einstellung der Familienzusammenführung für Geflüchtete. Es bedeutet, dass Menschen, die bereits alles verloren haben, auch von ihren engsten Angehörigen, ihren PartnerInnen, ihren Kindern und ihren Eltern getrennt bleiben müssen. Das ist nicht nur menschenverachtend, sondern auch rechtswidrig.

 

IG Kultur: Gibt es auch positive Aspekte im Programm?

 

Caroline Schmüser: Wir begrüßen beispielsweise, dass ein Aktionsplan gegen Hate Crime und auch Rechtsextremismus ins Regierungsprogramm aufgenommen wurde. Auch im Bereich Hass im Netz gibt es positive Ansätze. Wie die Strafbarkeit unerwünschter Dickpics oder eine geplante Informationskampagne gegen Sexting. Wir befürchten allerdings, dass diese Maßnahmen nicht umfassend genug sind. Statt wirklich alle Formen von Hasskriminalität zu erfassen und zu bekämpfen, also auch antischwarzer Rassismus, antimuslimischer Rassismus oder Romnja- und Sintize-Feindlichkeit, könnte sich der Fokus auf bestimmte Gruppen oder Themen verengen. 
Beispielsweise zeigt sich, dass in der geplanten wissenschaftlichen Erhebung der Fokus ausschließlich auf sogenannte religiös motivierte Homo- und Transphobie und Antisemitismus gelegt wird. Besonders problematisch ist allerdings, dass Antisemitismus und Queer-Feindlichkeit fast ausschließlich als Probleme migrantischer Communities dargestellt werden. Eine solche Verkürzung wird keine echten Lösungen bringen. Sie spielt Verschiedene marginalisierte Communities gegeneinander aus, spaltet und lenkt von strukturellem Rassismus und Diskriminierung in der Gesellschaft ab. Wir fordern deshalb weiterhin strukturelle Maßnahmen gegen Rassismus.

 

IG Kultur: Du sprichst aus Perspektive von Zara. ZARA steht für Antirassismus- und Zivilcourage-Arbeit. Was kann man sich darunter konkret vorstellen?  

 

Caroline Schmüser: Der Verein ZARA bietet allen Betroffenen von Rassismus und Betroffenen und Zeuginnen von Hass im Netz kostenlose juristische und psychosoziale Beratung an. Außerdem werden alle Meldungen systematisch dokumentiert. und in jährlichen Reports veröffentlicht. Mittels aktiver Öffentlichkeits-, Bildungs- und Projektarbeit leistet ZARA einen Beitrag zur Prävention von Rassismus und Hass im Netz, ebenso wie zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit.

Interview mit Mag. Martin Schenk

Foto Mag. Martin Schenk

Mag. Martin Schenk
Sozialexperte, Menschenrechtsaktivist und stellvertretender Direktor der Diakonie Österreich

 

IG Kultur: Was kann man von dem neuen Regierungsprogramm im Bereich Soziales erwarten?

 

Mag. Martin Schenk: Das Regierungsprogramm weist in einigen Bereichen Widersprüche nach Gefahren auf. Zum Beispiel bei der Verschlechterung der Sozialhilfe. Da soll nicht nur die Familienbeihilfe angerechnet, also gekürzt werden. So sollen auch die Kinder auf Familien, auf die schlechteren Familienzuschläge der Arbeitslosungsversicherung, das sind dann 0,97 Euro pro Tag, verwiesen werden. Das wären massive Kürzungen. Gleichzeitig ist im anderen Kapitel... von einer Kindergrundsicherung die Rede und von der Halbierung der Kinderarmut. Beides geht nicht zusammen. Jedenfalls muss man beides zusammen konzipieren und auch jungtimieren, damit nicht am Schluss eine Kindergrundsicherung eingeführt wird, die mehr Armut statt weniger erzeugt. Das zweite, was nicht so super ist, ist die Abschaffung des Klimabonus, der besonders für Leute mit kleinen Einkommen in Stadt und Land die höchsten Belastungen durch die CO2-Steuer ausgleichen soll und am Land verliert eine Familie mit zwei Kindern bis zu 800 Euro, auch in der Stadt zu 200, 300, 400 Euro, da wäre es besser gewesen und gerechter, den Klimabonuseinkommens abhängig zu gestalten, anstatt den Ersatz loszustreichen. 

 

IG Kultur: Stichwort Einsparungen bzw. Kürzungen um das Budget zu sanieren, wie werden sich weitere Maßnahmen direkt oder indirekt auch auf die soziale Lage auswirken?

 

Mag. Martin Schenk: Problematisch sind auch die über eine Milliarde Kürzungen der sogenannten Sachaufwendungen in Ministerien. Das klingt jetzt irgendwie so fein, die Ministerien sparen bei sich selber. Das betrifft aber keineswegs hauptsächlich Inserat. wie behauptet, sondern Maßnahmen für den sozialen Ausgleich und benachteiligte Bevölkerungsgruppen in Schulen gegen Wohnungsnot, Schuldenregulierung, Bewährungshilfe, Erwachsenenvertretung. Also wir werden sehen, was da herauskommt. Was positiv ist, sind Maßnahmen für Kinder und Jugendliche, beispielsweise Verbesserungen der Therapieangebote oder die kostenlose Jause im Kindergarten oder der Chancenbonus für... benachteiligte Schulen. Das steht unter einem Budgetvorbehalt. Also die Maßnahmen sind gut, wenn sie auch kommen und wenn man auch Geld dafür hat. An sich sind das ja nicht nur Kosten, sondern auch Investitionen. Also 17 Milliarden Euro kostet uns allen in Österreich pro Jahr Kinderarmut. 1,1 Milliarden kostet uns allen Schulabbrecher und Schulabbrecherinnen. Also Kinderarmut ist doch teuer und Investitionen rechnen sich. Das ist vielleicht auch wichtig zu beachten. soziale Ausgaben geht. Was noch interessant ist, sind Bereiche wie Projekte wie Social Prescribing, also die Verbindung zwischen Gesundheit und Sozialen. Da könnte es vielleicht Pilotprojekte geben und auch wäre es gut, die frühen Hilfen, die besonders Kinder und ihre Eltern, Mama, Papa am Anfang unterstützen, die jetzt von 0 bis 3 gehen, vielleicht auf 3 bis 6 Jahre auszubauen. Das wäre ganz wichtig für niederschwellige Gesundheits- und Sozialversorgung.

Interview mit Dr. Helge Schwarzwald

Foto von Dr. Helga Schwarzwald © Ian Ehm

Dr. Helga Schwarzwald
Verband freier Rundfunk Österreich
www.freier-rundfunk.at/

 

IG Kultur: Was hält das Regierungsprogramm im Zug auf die freien Medien und generell die Medienpolitik für uns bereit? 

 

Dr. Helge Schwarzwald: Es ist positiv zu betonen, dass es ja auch gerade angesichts dessen, was wir in den letzten Monaten erleben mussten, nicht selbstverständlich ist, dass eine Regierung sich zu unabhängigen Medien bekennt, wenn es darum geht, diese als unverzichtbare Säule einer demokratischen Öffentlichkeit explizit zu nennen. Dies ist in diesem Regierungsprogramm jedenfalls der Fall. 

 

IG Kultur: Uns was fehlt? 

 

Dr. Helge Schwarzwald: Was mir fehlt, ist die Medienvielfalt. Ist dies gerade in einem Land, das von einer äußerst starken und ausgeprägten Medienkonzentration geprägt ist, sprich viele Medien in der Hand weniger großer Medienhäuser. Das ist mir gerade auch vor dem Hintergrund wichtig. freie Radios und Community-TVs auch vertrete, die gemeinnützig, ohne Profitorientierung und werbefrei Radio und Fernsehen aus der Zivilgesellschaft machen und hier eine Vielzahl von unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen AkteurInnen und auch Themen und Sprachen zu Wort kommt und dies sonst im Rundfunk auf jeden Fall fehlt. Und diese Anerkennung und Wertschätzung der Vielfalt als konstitutiver Teil einer zeitgemäßen Demokratie fehlt im Regierungsprogramm. Andererseits wiederum positiv das klare Bekenntnis zur Fortsetzung der Unterstützung dieser nicht-kommerziellen Rundfunksender im Regierungsprogramm. Die Frage bleibt, was man unter grundlegenden Reichweiten bei einer Erweiterung der Berichtspflicht versteht, zumal Reichweiten eigentlich die Referenzgröße im kommerziellen, profitorientierten, werbefinanzierten Rundfunksektor ist, um einfach Werbung. verkaufen zu können. Das macht im werbefreien Rundfunkbereich sozusagen konzeptuell schon keinen großen Sinn. 

 

IG Kultur: Ein stets zentrales Thema der Medienpolitik ist die Zukunft des Öffentlich-rechtlichen, des ORF. Was ist in diesem Bereich geplant? 

 

Dr. Helge Schwarzwald: Es ist auch die Reform, die Gremienreform des ORF im Regierungsprogramm zu finden. Aus meiner Sicht ist diese eher sozusagen... so ausgefallen, dass sie eher minimal die Minimalerfordernisse erfüllt. Es wird gleichzeitig aber auch eine Umsetzung einer Gremienreform im Rahmen eines breit angelegten Prozesses mit Bürgerbeteiligung, vielfältiger Fachexpertise in Aussicht gestellt. Auf diese ist wirklich... zu pochen, weil so wie die Gremienreform aktuell oder die ORF-Reform aktuell ausschaut, ist die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch nicht ausreichend gestärkt. 

 

IG Kultur: Gibt es weitere Aspekte, die ihr medienpolitisch hervorheben würdet? 

 

Dr. Helge Schwarzwald: Ein positiver Aspekt ist auch, dass die Ausgaben für Informationstätigkeiten, sprich Inserate, aus Bundesministerien transparent in einem eigenen Budgetansatz anzuführen ist. Im Bereich Fake News, Bekämpfung und Medienbildung ist aus meiner Sicht, dass meine Zeitung Abo für junge Menschen zu kurz gegriffen. Es braucht hier sicher weitreichendere... Initiativen und auch die Förderung derselben im Bereich Medienbildung, kritischer Medienkompetenzvermittlung, Diskursbildung, gerade auch in einer Zeit, wo es immer schwieriger erscheint, auch über Differenzen hinweg im Gespräch und in der Debatte zu bleiben. Aber das ist, was eine Demokratie braucht. 

 

IG Kultur: Als Vertretung der nicht-kommerziellen Radios und Community TVs ist es somit ein positiver oder kritischer Blick in die nähere Zukunft? 

 

Dr. Helge Schwarzwald: Letztendlich sehen wir konstruktiven Diskussionen mit den politischen Verantwortlichen zuversichtlich entgegen und hoffen, dass es ausreichend Zeit und Einlassungsbereitschaft gibt, im komplexen Feld der Medienpolitik und des Medienwandels auch sich auf unterschiedliche Logiken und Expertisen einzulassen, die nicht immer... nur aus der größten oder stärksten oder mächtigsten Lobbyorganisation kommen, sondern eben auch aus der Zivilgesellschaft.

Interview mit Brigitte Theißl

Foto von Brigitte TheislBrigitte Theißl
Feministisches Magazin an.schläge
www.anschlaege.at

 

IG Kultur: Die neue Regierung und ihr Programm. Wie ist eure allgemein Einschätzung der neuen Lage… ? 

 

Brigitte Teißl: Es war überraschend, aber es ist vor allem gut für Österreich, denke ich, dass uns eine Regierung Kickl erspart geblieben ist. Das haben ja nicht zuletzt die geleakten Protokolle aus den Regierungsverhandlungen gezeigt. Insgesamt ist es jetzt aber natürlich eine schwierige Ausgangslage für die Regierung aufgrund des enormen Budgetdefizits. Da hat die ÖVP, denke ich, auch das Glück, sich auf der zugeschriebenen Wirtschaftskompetenz ausruhen zu können. Aber gut, es wird jetzt wenig Spielraum geben in den unterschiedlichen Bereichen. 

 

IG Kultur: Mit Blick spezifisch auf die Frauenpolitik, was erwartet uns, lassen sich Schwerpunkte identifizieren? 

 

Brigitte Teißl: Im Frauenkapitel sieht man ganz klar eine neue Handschrift, also dass Frauenpolitik eine neue Bedeutung bekommt, vor allem der Gewaltschutz. Da sehe ich einen großen Stellenwert mit unterschiedlichen Maßnahmen, auch wichtige Punkte im Familien- und Kindschaftsrecht, die auch darauf abzielen, die Situation von gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern zu verbessern. 

 

IG Kultur: Das klingt grundsätzlich ermutigend. Gibt es weitere Agenden, die aus frauenpolitischer Perspektive ins Auge stechen?

 

Brigitte Teißl: Familiennachzug, der geplante, was ja auch frauenpolitisch relevant ist, denn es trifft hauptsächlich Frauen, ist einer der wenigen sicheren Wege für Frauen als Alternative zur gefährlichen Flucht und untergräbt auch die ja so oft angerufenen Integrationsbemühungen. Also... einfach unsinnig und auch von vielen Expertinnen schon kritisiert, auch aus menschenrechtlicher Perspektive. 

 

IG Kultur: Und wenn Frauenpolitik weiter gedacht wird in Richtung Gender….

 

Brigitte Teißl: Ein Punkt, wo ich auch überhaupt nicht verstehe, warum der es ins Regierungsprogramm geschafft hat, ist unter der Überschrift keine Unterwanderung bzw. Rückschritte bei Frauenrechten, wo mit subtil transfeindlicher Rhetorik gearbeitet wird. Da hoffe ich, dass die Regierung das nicht weiter forciert. Das sieht man jetzt international. Vor allem in den USA, wie Rechte das vorantreiben, was, denke ich, enorm gefährlich ist. 

 

IG Kultur: an.schläge ist ein feministisches Magazin, ihr seid daher natürlich auch medienpolitisch interessiert? Eine Einschätzung dazu? 

 

Brigitte Teißl: medienpolitisch ist es auch positiv, denke ich, das Bekenntnis zum Ausbau der Medienförderung, Qualitätskriterien. Man wird sehen, wie das genau ausschaut. Dem ORF ist auf jeden Fall auch einiges, denke ich, erspart geblieben, nachdem die FPÖ ja ganz klar darauf abzielt, denke ich, den ORF zu zerstören bei der Medienförderung. Hoffen wir auch als feministisches Magazin an.schläge, dass wir vielleicht auch bald ansuchen können. Aktuell fallen wir da nicht in die Kriterien, erhalten keine Medienförderung und sind auch recht prekär gerade aufgestellt. Von dem her sind wir immer sehr dankbar, wenn man uns mit einem Abo unterstützt.

 

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