Typisch österreichische Geschichte
Österreich bekommt ein Haus der Geschichte. Vielleicht. Sicher ist, dass es am 10. Oktober eröffnet wird. Ob es das Haus der Geschichte bleibt und wie lange es existieren wird, das ist fraglich. Das Konzept zum neuen Bundesmuseum wurde bereits vor über zehn Jahren in Auftrag gegeben. Nach viel hin und her laufen einige Dinge kurz vor der Eröffnung immer noch eher holprig. Das würde man sich bei einem Repräsentationsprojekt anders vorstellen. Es passt aber dennoch zu Österreichs Zugang zur eigenen Historie.
„Österreich ist stolz auf seine Geschichte, man erinnert sich nur nicht gerne daran,“ so ähnlich bringt ein Bonmot die Erinnerungskultur in diesem Land auf den Punkt. Genauso wenig konsequent und enthusiastisch, wie die Aufarbeitung der Geschichte in der zweiten Republik vonstattenging, so wenig stringent verläuft eben auch die Geschichte des Hauses. Noch sechzehn Tage vor der Eröffnung war es als „Haus der Geschichte“ geplant, dass in der Hofburg, genauer gesagt in der Nationalbibliothek, seinen Platz finden soll. Doch kurz vor der Eröffnung verlautbarte der Kulturminister Blümel „konsequenterweise“, dass es in Zukunft „Haus der Republik“ heißen und an das Parlament angebunden sein solle. „Neue Regierung, neue Vorstellung von einem Haus der Geschichte – das hat seit mehr als 30 Jahren Tradition“ hieß es dazu im Standard. Konsequent ist immerhin die neuerliche Ankündigung des Kurswechsels.
Der Kulturminister, der mit der schwarzblauen Regierungsbildung ins Amt kam, äußerte sich zum ersten Mal zu seinen Vorstellungen zur Zukunft des Hauses und hat damit in seiner fast einjährigen Amtszeit bis kurz vor der Eröffnung gewartet. Das Haus geht nun erstmal wie geplant am Heldenplatz unter dem Namen „Haus der Geschichte“ in die Eröffnung. Man hatte bereits wenig Zeit gehabt, die Eröffnung und die erste Ausstellung zu stemmen, auch ohne gravierende kurzfristige Kurswechsel von politischer Seite. Oder womöglich gerade wegen ihnen. Die erste Ausstellung musste im Schnellverfahren konzipiert werden, obwohl der Beschluss zur Errichtung des Hauses schon fast 20 Jahre alt ist. Ein Konzept für das Haus der Geschichte wurde von Claudia Haas erstellt, nachdem es immerhin bereits Anfang 2007 vom damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer in Auftrag gegeben wurde. Diskutiert darüber wurde allerdings schon ab 1996 über ein solches Bundesmuseum, als es noch als „Haus der Toleranz“ im Palais Epstein angedacht wurde. Seit 2000, also seit fast zwanzig Jahren, fand sich die Errichtung des Haus der Geschichte in jedem Regierungsprogramm. Blümels Idee zu einem „Haus der Republik“ ist auch nicht neu – und zwar nicht nur wegen der ständigen Neuausrichtungen über Jahrzehnte hinweg. 2014 hatte bereits der rote Kulturminister Ostermayer mit diesem Namen kokettiert. Er hatte es bereits in der neuen Burg angesiedelt. Drei Jahre später preschte die niederösterreichische Landesregierung vor und errichtete kurzerhand sein eigenes Haus der Geschichte in St. Pölten, das im September 2017 eröffnet wurde. Erst ein Jahr zuvor konnte der nur kurz amtierende Kulturminister Drozda (SPÖ) die Finanzierung für ein Haus der Geschichte des Bundes sichern, allerdings nur in reduzierter Form. Einen eigenen Bau hatte er bereits angedacht, bis dieser finanzierbar sei, sollte ein Übergangsstandort das neue Bundesmuseum unterbringen.
Vorstellung des Haus der Geschichte aus dem Jahr 2016:
Dieser Übergangsstandort wurde also in der Hofburg gefunden. Ein symbolisch schlechter Standort, so Gerhard Baumgartner vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Als Standord scheint die ehemalige Residenz der Habsburgermonarchie eine schlechte Wahl für ein Repräsentationsgebäude einer demokratischen Republik. Die Republik hätte sich ein eigenes Haus verdient. Aber das ist nicht das einzige, was die Optik trübt. So wenig Zeit man also für die Errichtung und die erste Ausstellung hatte, so spät ist Österreich damit dran. Und zwar nicht nur, weil die Errichtung bereits seit 2000 ein erklärt politisches Ziel ist und 2018 noch immer jeder Punkt und Komma fraglich scheint. In Bonn wurde das deutsche Haus der Geschichte bereits 1986 gegründet. Die österreichischen Bundesregierungen hätten sich nie besonders gerne der Deutungshoheit über die eigene Geschichte gewidmet, so Baumgartner. Bei der zentralen Deutung der österreichischen Identität, auch international, begnügte man sich lange Zeit mit dem Verweis auf die Neutralität. Mit Orten und Gedenkstätten zur eigenen Geschichte des 20. Jahrhunderts ist Österreich im Vergleich zu England oder Frankreich, wo beispielsweise dem ersten Weltkrieg wesentlich stärker gedacht wird, stark in Verzug.
Der Zugang zum Haus der Geschichte über die Österreichische Nationalbibliothek:
Mittlerweile müsste man ja fragen, ob diese Art des Gedenkens, das sich museal manifestiert, wie sie auch ein Haus der Geschichte darstellt, überhaupt noch zeitgemäß sei, so der wissenschaftliche Leiter des Dokumentationsarchivs. Mit einem guten Konzept könnten Museumsprojekte aber immer noch eine Rolle spielen. Deshalb ist Baumgartner auch gemeinsam mit der Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien, Eva Blimlinger, unter Protest aus dem Beirat des Haus der Geschichte zurückgetreten. Es hätte in zu kurzer Zeit und zu wenig Personal mit zu wenig Erfahrung gearbeitet werden müssen, um so ein Projekt entsprechend zu bewerkstelligen. Für die erste Ausstellung gäbe es kein schlüssiges Narrativ. Ihre Einwände im Beirat waren aber durchaus im Sinne eines Erfolges des Haus der Geschichte vorgebracht worden. Denn nur eine erfolgreiche Ausstellung, so Blimlinger, würde die Legitimation und damit den Fortbestand des Hauses sichern.
Der Kulturminister der schwarzblauen Bundesregierung hat nicht nur die Pläne zum Haus der Geschichte zwei Wochen vor der Eröffnung wieder über den Haufen geworfen, er meinte auch, die Finanzierung sei bis Ende 2019 gesichert. Nur, müsste man hinzufügen. Es hat also lang gedauert, bis das Haus eröffnet werden konnte, gesichert wurde es aber erstmal nur für knapp über ein Jahr. Das wollte man sich also – weiterhin – erst einmal ansehen. Da es theoretisch also nicht sehr viele Versuche geben könnte, sollte die Eröffnungsausstellung schon einschlagen. Der Erfolg sollte aber nicht nur an Besucher*innenzahlen gemessen werden. Denn dann bräuchte Österreich tatsächlich nicht noch ein Haus der Geschichte.
Foto: indigo_veil (CC BY-NC-ND 2.0)
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