Politische Kulturarbeit: Entstehungsmotivationen und künftige Perspektiven

Politische Kulturarbeit ist ein Begriff aus den 1970er Jahren. Wenn wir uns hier die Frage stellen, welche Relevanz dieses Konzept zu Beginn des zweiten Jahrtausends haben kann, so erscheint es in einem ersten Schritt sinnvoll, die Konnotationen zu bedenken, die der Terminus zur Zeit seiner Entstehung hatte. Was lässt sich nun aus den Entstehungsbedingungen und –motivationen politischer Kulturarbeit für künftige Perspektiven schließen?

1. Rückblick



Politische Kulturarbeit ist ein Begriff aus den 1970er Jahren. Wenn wir uns hier die Frage stellen, welche Relevanz dieses Konzept zu Beginn des zweiten Jahrtausends haben kann, so erscheint es in einem ersten Schritt sinnvoll, die Konnotationen zu bedenken, die der Terminus zur Zeit seiner Entstehung hatte. Diese sind nicht so sehr definitorischer wie strategisch-politischer Art, da das Konzept als politische Forderung und nicht als empirische Beschreibung entstanden ist.

Beginnen wir mit dem Begriff der Arbeit. Dieser Terminus wurde spätestens mit der industriellen Revolution zu einem Schlüsselbegriff gesellschaftlicher Organisation, der von rechter wie von linker Seite gleichermaßen – wenn auch mit unterschiedlichen politischen Konsequenzen - beansprucht wurde. Alternative Bewegungen außerhalb rigider marxistischer Organisationen führten den Begriff in den 1960er und 70er Jahren für Tätigkeiten außerhalb der Lohnarbeit ein, um deren gesellschaftliche Relevanz zu betonen. Reproduktionsarbeit ist ein Beispiel für diese bewusste Begriffsverschiebung, Beziehungsarbeit oder Trauerarbeit sind andere, eher skurrile Verwendungsformen. Zusätzliche Brisanz erlangte die Erweiterung des Arbeitsbegriffs dadurch, dass Arbeit im engen kapitalistischen (oder auch sozialistischen Sinn), also Lohnarbeit, immer weniger selbstverständlich wurde. Wenn aber der Wert des Menschen sich nach innen und nach außen an seiner Arbeit, Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsleistung bemisst, dann bedarf es in dieser Situation der Erweiterung des Arbeitsbegriffs.

Kulturarbeit impliziert also, dass gesellschaftlich Relevantes im Kultursektor geschieht. Doch auch die Bezeichnung "Kultur" für das, was in der politischen Kulturarbeit geschah, stellte in dieser Periode ein politisches Statement dar. Nicht nur die Hochkultur der großen Theater, Museen und Festivals, sondern auch "Kultur von unten", "Regionalkultur", "Alltagskultur" beanspruchten ihren Platz im kulturellen Feld.

Politische Kulturarbeit war eine Kampfansage an etablierte gesellschaftliche Begrifflichkeiten. Das Adjektiv "politisch" stand für den Anspruch der Kulturarbeit, über das kulturelle Feld hinauszugehen und war im übrigen mit fortschrittlich, links oder alternativ zu übersetzen.

Umgesetzt wurden die Ansprüche politischer Kulturarbeit wesentlich in der Forderung nach Räumen und in der Besetzung dieser. Diejenigen, die die Räume forderten und erkämpften, waren auch diejenigen, die sich sie dann nützten – gemeinsam mit anderen, mehr oder weniger Gleichgesinnten. Doch bereits bevor die genauen Inhalte bekannt waren, mit denen die neuen Räume gefüllt werden sollten, stellte allein die Forderung nach diesen und die Behauptung, dass die Nutzung eine kulturelle sein würde, ein politisches Statement dar. Exemplarisch kann hier das "Kulturgelände Nonntal" genannt werden, das für seine Ansprüche bei dem Hochkulturfestival Österreichs, den Salzburger Festspielen, auftrat und dem daraufhin von einem in Panik geratenen Bürgermeister weitgehende Versprechungen gemacht wurden, wenn nur die Belästigung der Festspielgäste ein Ende nehmen würde.

Die Inhalte, mit denen die erkämpften Räume gefüllt wurden, hatten den gemeinsamen Nenner ihrer Widerständigkeit gegen den gesellschaftlichen Mainstream, waren ansonsten aber in jeder Hinsicht disparat. Alternative Musiklabels und politisches Theater hatten ebenso ihren Platz wie Fahrradwerkstätten, Kindergruppen, die sich gegen die pädagogischen Konzepte etablierter Kindergärten und Schulen wandten, und SeniorInnengruppen, die in ähnlicher Weise gegen die Stigmatisierung alter Menschen in der Gesellschaft ankämpften. Der weite Kulturbegriff war also nicht nur Kampfansage, sondern auch Programm. Exemplarisch zeigt das Werkstätten- und Kulturhaus (WUK) schon im Namen die Ablehnung als künstlich erkannter und dekonstruierter Grenzen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Feldern, auf denen politischer Kampf als notwendig erachtet wurde.

Waren inhaltliche Verbindungen lose, wenn auch zweifellos vorhanden und grundlegend durch Solidarität geprägt, so fanden sich engere Verknüpfungen im organisatorischen Bereich. Der Anspruch auf Basisdemokratie war – wenn auch unterschiedlich interpretiert – stets wesentlicher Teil politischer Kulturarbeit. Gesamtversammlungen, Quotierungen und Rotationsprinzip sowie insbesondere ein erheblicher Zeitaufwand für konsensuale Abstimmungsprozesse prägten den Tagesablauf in allen Organisationen dieses Bereichs, die sich auf diese Weise sowohl von hierarchischen kapitalistischen Managementverhältnissen als auch vom Konzept der marxistischen Kaderpartei distanzierten.

Die Formen politischer Kulturarbeit, wie sie hier skizziert wurden, scheinen in vielerlei Hinsicht überholt. Denn sowohl der Politikbegriff als auch der Kulturbegriff, die in diesem Kontext verwendet wurden, sind in eine Krise geraten.

Der Politikbegriff der politischen Kulturarbeit war einer, der Politik als öffentliche Angelegenheit verstand, die also öffentlich (im Gegensatz zu klandestin) und von der Öffentlichkeit (im Unterschied zum BerufspolitikerInnentum) zu verhandeln ist. Prämisse dieses Politikbegriffs ist, dass es eine politische Öffentlichkeit gibt, d. h. dass Menschen sich für das Allgemeine der Gesellschaft interessieren, und dass es diese geben sollte, d.h. dass das Politische nicht auflösbar ist in Ökonomie, Kultur oder professioneller Verwaltung. Beide Prämissen – das Menschenbild eines mindestens potentiellen homo politicus und das Gesellschaftsbild einer politisch zu erstreitenden Welt – sind vom Neoliberalismus marginalisiert worden. Der Homo oeconomicus vertritt auf rationale Art seinen Eigennutz, beschäftigt sich also nicht mit dem Allgemeinen, und der freie Markt als "invisible hand" führt wunderbarerweise dazu, dass die Summe des individuellen Eigennutzes dem Gesamten zugute kommt. Kurz gesagt: Niemand interessiert sich für Politik und das ist auch gut so.

Betrachten wir die alten Zentren der politischen Kulturarbeit und ihre Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, so bestätigt sich deutlich der Satz von Gilles Deleuze, der als Motto über einer Konferenz vor etwas mehr als einer Woche stand: "Das letzte Wort der Macht lautet, dass der Widerstand primär ist." Zunehmend verabschiedet sich Politik im eigentlichen Sinn, verstanden als das öffentliche Verhandeln dessen, was Gesellschaft ist und sein soll, aus dem was sich einst politische Kulturarbeit nannte. Unternehmensberatungen übernehmen die Aufgaben basisdemokratischer Kollektive, und Marktfähigkeit und Publikumszahlen erscheinen nicht länger als ideologische Kriterien des Hegemons, sondern als objektive Erfolgskriterien. Überspitzt ließe sich also konstatieren, dass der Beginn der politischen Kulturarbeit wenig mehr war als eine Radikalisierung der damals hegemonialen sozialdemokratischen Gesellschaftsmodelle, während ihre Weiterentwicklung eine Verwässerung neoliberaler Modelle darstellt. (Wobei im Folgenden noch festzustellen ist, ob es hier wirklich um eine Verwässerung, eine Art "Marktwirtschaft light" geht oder vielmehr um eine Zuspitzung im Sinne des herrschenden Systems.) Der Diskurs des Widerstands kann sich nicht vom Diskurs der Macht lösen; er findet zumindest in großen Teilen innerhalb des hegemonialen Feldes statt (So wie umgekehrt die Macht auf den Widerstand angewiesen und daher ständig durch diesen gefährdet ist, was ja das Deleuze-Zitat auch aussagt).

Während sich also der Politikbegriff der politischen Kulturarbeit zunehmend verengt hat und um seine Daseinsberechtigung kämpft, wurde der erweiterte Kulturbegriff immer williger von hegemonialer Seite aufgegriffen, sodass ihm die völlige Belang- und Inhaltslosigkeit droht. Niemand würde noch ernsthaft bestreiten wollen, dass Kultur mehr ist als Hochkultur – öffentlich finanzierte Stadtfeste bezeugen diese Gesinnung ebenso wie die über lange Jahre angekündigte Kulturmeile am Gürtel, die fast ausschließlich aus Restaurants und Kneipen, also RepräsentantInnen der kulinarischen Kultur besteht. Damit wird dem einstmals eminent politischen Anspruch auf Aufnahme in das kulturelle Feld jede Spitze genommen.

Besonders brisant erscheint die historische Entwicklung des Arbeitsbegriffs im Terminus "politische Kulturarbeit". Wiederum erscheint hier rückblickend die linke Opposition der KulturarbeiterInnen einiges zum Druckausgleich des bekämpften Systems beigetragen zu haben. Denn parallel zur stetig abnehmenden Bedeutung gesicherter langjähriger Arbeitsplätze im Bereich der Produktion gewinnen Kulturarbeiterinnen geradezu paradigmatische Bedeutung für die Arbeit im dritten Jahrtausend. Motivation durch Arbeitsbegeisterung statt durch Arbeitslohn, Entrepreneurship statt sozialer Sicherheit, die. Übernahme und Pervertierung der Idee nicht entfremdeter Arbeit als Aufhebung der Trennung von Beruflichem und Privatem zu Ein-Personen-Unternehmen, die ihren Lebensunterhalt aufgrund der Unterstützung von Familie und FreundInnen verdienen – dies sind prägende Merkmale der Berufsgruppe "KulturarbeiterInnen", die über den Umweg der "cultural industries" als zukunftsweisendes Ideal der Arbeit gehyped werden.

Ist also denjenigen aus der radikalen Linken Recht zu geben, die von jeher meinten, dass die Verschiebung des politischen Kampfes in den Kulturbereich eine Form der Anpassung an bestehende Verhältnisse ist, dass die realen – ökonomischen – Konflikte zugunsten symbolischer (im Sinne von "scheinbarer") Konflikte vernachlässigt werden? Das Gegenargument dazu lautet, dass die Besetzung des Symbolischen eine wesentlicher Teil des politischen Kampfes ist und diese Besetzung findet eben wesentlich (wenn auch nicht ausschließlich) im kulturellen Feld statt. Daneben gab es aber sicherlich ein zweites wichtiges Argument dafür, politische Arbeit im kulturellen Feld durchzuführen, nämlich dass viele der politische Aktiven genau in diesem Feld beschäftigt waren. Und bekanntlich kann auch aus klassischer marxistischer Sicht der Klassenkampf nur von denjenigen geführt werden, die Teil der Klasse sind. (Die aus diesem Dilemma logisch folgenden - wenigen – Versuche, die StudentInnen in die Fabriken zu bringen, scheiterten als gesamtgesellschaftliche Strategie und sind in Hinblick auf ihre Auswirkungen auf individuelle Lebenswege als selten zynisches Experiment zu beurteilen.)

Wir finden also in der Auseinandersetzung zwischen klassischen Parteien der extremen Linken und den ProponentInnen politischer Kulturarbeit einen Konflikt vor, der sich - etwas vereinfacht – als Auffassungsunterschied zwischen dem traditionell-marxistischen Argument, "der ökonomische Unterbau bestimmt den ideologischen Überbau", und einem Hegemonieverständnis in der Tradition von Gramsci verstehen lässt. Im Rückblick über drei Jahrzehnte und in postmoderner Unentschiedenheit ist beiden Seiten partiell Recht zu geben. Die Fixierung der extremen Linken auf die heimische ArbeiterInnenklasse und ihre Vernachlässigung neuer sozialer Bewegungen machen die Beschränkungen einer ökonomistischen Weltsicht deutlich und mit Recht ließe sich aus der Sicht der damals geschmähten KulturarbeiterInnen sagen, dass ihre gesellschaftliche Relevanz immerhin noch weit höher lag, als die der radikal-marxistischen Linken. Doch nachdem sich mittlerweile der Hegemon zahlreiche Konzepte der politischen Kulturarbeit von damals angeeignet hat, würde es gelten, auf andere Art wiederum gesellschaftliche Relevanz zu erlangen.

Denn das Ausprobieren alternativer Lebens- und Produktionsformen bietet im Kapitalismus des beginnenden zweiten Jahrtausends keinen wirklichen gemeinsamen Nenner für unterschiedliche alternative Initiativen. Neue Produktionskonzepte und Managementformen greifen Ideen alternativer ProduzentInnen auf und wenden sie im Sinne der Profitmaximierung. Fahrradwerkstätten etwa, die in den 1970ern gegründet wurden, stellen heutzutage äußerst lukrative spezialisierte Unternehmen dar. Anderen Initiativen aus der gleichen Zeit ist der Übergang in den For-Profit-Bereich nicht möglich; die Szene splittert sich also auf.
 


Die anderen Formen der Organisation schließlich, die Demokratisierung der Verhältnisse im Arbeitsbereich, ist in weiten Teilen der politischen Kulturarbeit bereits dem höheren Verwertungsdruck zum Opfer gefallen. Denn zweifellos stellt basisdemokratische Organisation eine der zeitaufwendigsten und ineffizientesten Organisationsstrukturen dar, die auch durch die Einführung inoffizieller Machtstrukturen demokratietheoretisch nicht unbedenklich ist. Doch ist es andererseits sicherlich ein Zeichen für das Ermüden der hier beschriebenen Szene, dass diesen Problemen nicht durch die Entwicklung neuer Konzepte, sondern durch die Übernahme von Managementformen neoliberaler Prägung begegnet wurde.

Gibt es vor diesem Hintergrund noch Möglichkeiten, die Grundprinzipien politischer Kulturarbeit entsprechend der veränderten Rahmenbedingungen zu transferieren? Zur Bearbeitung dieser Frage wollen wir noch einmal zu den Grundvoraussetzungen politischer Kulturarbeit zurückkehren.

Die politische Kulturarbeit der späten 1970er und frühen 1980er Jahre ging von den je individuellen – oder häufiger kollektiven – Interessen der Betroffen und Aktiven aus, transzendierte diese allerdings in Hinblick auf ein gemeinsames Interesse, das im Widerspruch zum hegemonialen System stand. Der gemeinsame Nenner hinter Kindergruppen, Fahrradwerkstätten und Punkkonzerten war der Widerspruch gegen die Zurichtung der Kinder für die kapitalistische Produktion, die Zerstörung der Umwelt für den Individualverkehr und eine Kunstproduktion und –distribution im Sinne der Reichen. Insofern stand hinter diesen Aktivitäten zwar nicht ein gemeinsames ideologisches Gebäude, wie etwa das des Kommunismus, wohl aber ein gemeinsames Unrechtsbewusstsein. (Wobei der Ordnung halber hinzuzufügen ist, dass die Ziele dieser Aktivitäten eher evolutionär als revolutionär waren. In den Worten von Rolf Schwendter handelte es sich um Drehpunktpersonen, die innovative Dynamiken aus dem Bereich der Subkulturen mit der Majorität in Verbindung brachten.)

Auch wenn politische KulturarbeiterInnen der 1970er und 1980er mit dem stalinistischen Kommunismusbegriff der Sowjetunion und ihrer Vasallenstaaten kaum etwas zu tun hatte, kam ihnen wie auch allen anderen Linken mit 1989 die Zielorientierung abhanden. Damit haben aber auch alle genannten Initiativen und Aktivitäten ihren gemeinsamen Nenner verloren und Solidarität beruht nicht mehr auf geteilten Interessen, sondern auf emotionaler Nähe oder einem gemeinsamen Feind.

Zumindest ist dies eine mögliche Erklärung für die beschriebene Entwicklung. Eine andere könnte in der Eigendynamik der Initiativen liegen: Drehpunktpersonen werden zu Drehpunktinstitutionen, zu Lobbies, die nach Teiletablierung ihrer Ideen und Vorstellungen auch nach persönlicher Etablierung im hegemonialen Feld suchen.

Zusammenfassend lässt sich also aus dem bisher Gesagten eine außerordentlich pessimistische Bilanz für politische Kulturarbeit am Beginn des dritten Jahrtausends ziehen. Politik ist marginalisiert, Kultur und Kulturarbeit sind hegemonial vereinnahmt und weit und breit ist kein effektiver Widerstand gegen diese Verhältnisse in Sicht.

Denn auch die subjektive Situation der KulturarbeiterInnen scheint nicht geeignet, eine fortschrittliche Dynamik auszulösen. Die Anliegen der 1970er sind soweit eingelöst, dass ein solidarisches Vorgehen einer ganzen Politkulturszene aussichtslos erscheint – geschweige denn, dass eine massen- und medienwirksame Unterstützung politischer Kulturarbeit zu erwarten wäre. Denn immer schon haben RepräsentantInnen der politischen Kulturarbeit die von Rolf Schwendter entwickelte Dreiteilung der Kultur in Repräsentationskultur des Establishments, Alltagskultur der Mehrheit und Subkultur vernachlässigt und sich in der Illusion gewiegt, dass alles, was nicht Repräsentationskultur ist, mehrheitsfähig und zugleich subkulturell ist. Gerhard Pilgram von der Kärntner Kulturinitiative "Unikum" hat dieses Dilemma auf den Punkt gebracht:

"Sind nicht die zeitgenössischen Künstler, wenn sie sich "kritisch" mit ihrem Land, mit ihrer Region auseinandersetzen, die eigentlichen Patrioten? Wenn sie, beispielsweise, mittels künstlerischer Interventionen oder "Experimente" den Blick schärfen wollen für verborgene Reize, für regionale Eigenheiten, für das Besondere im Alltäglichen usw., wenn sie "Identität stiften" wollen durch die Auseinandersetzung mit den kulturellen Wurzeln, wenn sie sich gegen Landschafts- und Ortsbildzerstörung durch sogenannte Verschönerung wenden usf. - sind dann nicht sie, die Künstler, die wahren Traditionspfleger?"

Daraus ergibt sich die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz politischer Kulturarbeit. Heute scheinen viele der unmittelbaren, eigenen Interessen der KulturarbeiterInnen nicht mehr virulent und/ oder nicht mehr für die gesamte Szene gültig. Statt dessen bemüht sich politische Kulturarbeit um andere politische Fragen, von denen die ProtagonistInnen nicht unmittelbar betroffen sind, wie etwa die des Antirassismus, stößt dabei aber zwangsläufig auf den Vorwurf des Paternalismus und ungerechtfertigter Repräsentation. Und der Willkürlichkeit.

 

 

2. Ausblick


Was lässt sich nun aus den Entstehungsbedingungen und –motivationen politischer Kulturarbeit für künftige Perspektiven schließen?

Viele der Inhalte, die in den 1970er Jahren die politische Kulturarbeit bestimmten, sind heutzutage mindestens grundsätzlich unbestritten. Zugleich blieb der grundlegende Anspruch dieser Aktivitäten – der nach einer gerechteren Welt, nach einer anderen Verteilung von finanziellen Mitteln und Macht, nach einer Gesellschaft, die jede/n nach seinen/ihren Bedürfnissen versorgt und nach seinen/ ihren Fähigkeit einsetzt – uneingelöst und wurde durch die Ablösung partikularer Forderungen vom eigentlichen Ziel torpediert.

Doch nicht nur durch die Übernahme widerständiger Praxen durch den Hegemon wurden grundlegende Potentiale politischen Widerstands in Frage gestellt; auf ähnliche Art wirkten auch die anti-essentialistischen Politikdefinitionen postmoderner Prägung. Diese haben zweifellos viel zu einer klareren Analyse politischen Handelns beigetragen, zugleich jedoch wurden die Zielsetzungen politischen Handelns stetig unklarer. Leerformeln wie progressiv und links sollen die klaren politischen Bestimmungen kommunistischer oder auch anarchistischer Prägung ersetzen, können dies aber nicht leisten, wenn nicht klar ist, welche Art von Fortschritt im Terminus "progressiv" angesprochen wird oder gegen welche und für welche Vorstellungen von Gesellschaft "linke" Politik auftritt. Politische Kulturarbeit, wie politische Arbeit im allgemeinen oder auch Politik im Allgemeinen kommt daher nicht umhin, ihre Ziele zu definieren. Im Unterschied zum Marxismus stalinistischer Prägung kann darauf verzichtet werden, diese Ziele mit Ewigkeitswert und wissenschaftlicher Fundierung zu garnieren – doch ohne das pathetische Bekenntnis zu einer gerechten Welt und die Entwicklung konkreter Vorstellungen einer solchen bleibt das Bekenntnis zu progressiver Politik eitle Attitude.

Politische Zielsetzungen im eigentlichen Sinn gehen über individuelle oder auch Gruppeninteressen hinaus und fühlen sich dem "Allgemeinen" verpflichtet. Politik ist mehr als Interessensvertretung. Doch das Überschreiten eigener Interessen ist nicht gleichbedeutend mit der Übernahme der Interessen von anderen. Christliche Nächstenliebe ist etwas grundlegend Anderes als die Idee sozialistischer Solidarität. Wenn nun wahr ist, dass die unmittelbaren Anliegen politischer Kulturarbeit, die konkret auf die Situation politischer KulturarbeiterInnen bezogen waren, in den ersten Jahren des dritten Jahrtausends eine weitaus geringere Rolle spielen als in den 1970ern und 1980ern, dann stellt sich die Frage, worauf zeitgenössische politische Kulturarbeit abzielt. Da sich politische Kulturarbeit immer schon als grenzüberschreitend – auch in Hinblick auf die Grenzen des kulturellen Felds – verstanden hat, lassen sich auf diese Frage zahlreiche Antworten finden. Doch wenn man anerkennt, dass StellvertreterInnen-Politik und Interessensrepräsentation problematische und machtförmige Konzepte von Politik sind , dann werden zahlreiche Aktivitäten im kulturellen Feld zweifelhaft. Mit welchem Recht, mit welcher Legitimation und mit welchem Interesse setzen sich etwa weiße MehrheitsösterreicherInnen für bestimmte Formen der Integration von Nicht-MehrheitsösterreicherInnen ein?

Diese Frage ist auf theoretischer Ebene und noch viel mehr in ihrer praktischen Umsetzung höchst problematisch. Theoretisch wäre vielleicht ein zweistufiger Zugang sinnvoll: Einerseits lässt sich eine gemeinsame Basis in Werthaltungen und Ansprüchen (etwa auf der Grundlage des demokratischen Rechtsstaates oder der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte) finden, andererseits sind auch unterschiedliche Erfahrungshintergründe und Symbolisierungen dieser mitzubedenken. Während die erste Ebene also eine - abstrakte – Gemeinsamkeit herstellt, gilt es eine solche auf der zweiten Ebene erst zu schaffen. Dies wird dann erschwert, wenn – wie im Falle antirassistischer Arbeit – die Erfahrung der einen aufgrund ihrer Nicht-Symbolisierbarkeit in der Kultur der Mehrheitsbevölkerung zu Ohnmacht führt, sodass die Erfahrung der anderen in dieser Beziehung automatisch hegemonial ist. Jedenfalls sind dabei die Position beider PartnerInnen wie auch der Zwischenraum zu berücksichtigen. Im Unterschied zu einer paternalistischen Position des/ der helfenden MehrheitsösterreicherIn, der/ die sich um die Probleme der anderen kümmert, ist also – ebenso wie in den 1970ern - die Frage nach der Selbstbetroffenheit zu stellen. Politische Anliegen müssen nicht aus unserer Stellung im Produktionsprozess abgeleitet sein, aber sie müssen unsere eigenen sein, um im antihegemonialen Kampf, in der Äquivalenzkette des Widerstands in den Worten von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe, wirksam zu werden. Wesentlicher Teil dieser Arbeit ist "die Offenlegung der Betriebssysteme" , die Entlarvung von Ideologien – und zwar sowohl der Ideologien der anderen, als auch der eigenen.

Doch sind für die Wirksamkeit (oder, um im neudeutschen Sprachgebrauch zu bleiben, die Effizienz und Nachhaltigkeit) politischer Kulturarbeit nicht nur Zielsetzungen und Methoden relevant, sondern auch die Reaktion des "Gegners" von erheblicher Bedeutung. Um Glied einer Kette äquivalenter Widerstandsstrategien zu werden, bedarf es der Irritation des Hegemons durch die gesetzten Aktivitäten. Wie weit dies gelingt, hängt indes nicht ausschließlich von den Formen des Widerstands, sondern auch von der Haltung des Hegemons ab. Ein nicht-paranoider Hegemon, der in der Lage ist, verschiedenste Zielsetzungen und Umsetzungen in sein Programm zu integrieren, ist selbstverständlich weitaus weniger leicht zu provozieren als ein paranoider Diktator. Doch die Fähigkeit der Provokation ist wesentlich für die Effektivität von Widerstand.

All das bisher Gesagte führt m. E. zu dem Schluss, das politische Kulturarbeit sich weniger auf das kulturelle Feld konzentrieren und mehr an der Ausarbeitung politischer Forderungen arbeiten muss, will sie politisch effektiv sein. Etwas überspitzt ließe sich formulieren, dass politische Kulturarbeit – will sie denn politisch sein – aufhören muss, Kulturarbeit zu sein, damit das Politische (verstanden als den demokratischen Widerstreit um Konzepte einer "good society") vor der Kulturalisierung und damit der Abschiebung in die Belanglosigkeit gerettet wird.

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