Neues aus der Kleingartensiedlung

Was darf Gott? (Und was darf der Miniaturgott Mensch?) Darf er ausrotten, patentieren und verändern, wie er will, oder ist er aufgerufen zu bewahren, was ihm übertragen wurde? Und inwieweit darf ein Gott in die Rechte anderer Götter eingreifen?

Jetzt habe ich Ihnen schon so viel über Kleingärten erzählt, dass Sie wohl denken, Sie könnten mit dem bisher akkumulierten Wissen bald selbst einen Kleingarten betreiben. Das ist aber weit gefehlt! Um der Tätigkeit eines Kleingärtners, einer Kleingärtnerin nachzugehen, bedarf es nicht nur fundierten Fachwissens, sondern auch charakterlicher Stärke und eines gefestigten Weltbildes. Kleingartenanlagen darf man sich nämlich nicht als idyllisches Nebeneinander kleiner Hüttchen und gemütlicher Gärtchen vorstellen, sondern eher wie die deutschen Kleinstaaten nach dem Dreißigjährigen Krieg: ein wildes Durcheinander von Ansprüchen und Interessen; ständige Kleinkriege, Neidereien und unüberschaubare, weil ständig wechselnde Koalitionen. Ein einziges Tohuwabohu, um es einmal mit einem alttestamentarischen Begriff zu fassen.

Aber ich will Sie nicht gänzlich abschrecken. Schließlich brauchen wir KleingärtnerInnen ja auch Nachwuchskräfte, die die von uns gestaltete Kulturlandschaft dereinst weiterpflegen. Daher will ich Sie in dieser Ausgabe mit einem Grundkonflikt der Kleingärtnerei vertraut machen: der Frage nach dem Verhältnis zwischen Natur und Kultur. Oder, um es weniger schönfärberisch zu sagen: Wie viel Chemie ist in einem Kleingarten erlaubt? Sie machen sich wahrscheinlich keinen Begriff davon, wie tief die Gräben sind, die hier zwischen den einzelnen Fraktionen verlaufen. Die einfache Formel „Je weniger man von natürlichen Abläufen versteht, desto mehr Chemie ist erforderlich“ greift nämlich zu kurz. Das Ganze ist viel eher als religiöser Konflikt zu verstehen und hat viel mit Gottesbildern zu tun. KleingärtnerInnen verstehen sich nämlich nicht als KönigInnen in ihren kleinen Reichen (wie der Vergleich mit den deutschen Kleinstaaten weiter oben vielleicht nahe legen würde), nein, sie sind GöttInnen, die über ihre jeweilige Schöpfung wachen und gebieten. Und je nachdem, ob man eher einer christlichen Erzähltradition (in der Gott Himmel und Erde aus dem Nichts erschuf ) oder einer jüdischen (in der Gott das – vorhandene – Chaos ordnet) anhängt, gestaltet sich auch der Umgang mit der eigenen kleinen Schöpfung. Die einen kaufen das bewährte Spritzmittel „Roundup“ (seit Jahrzehnten der Kassenschlager der Firma Monsanto) im Großpack und schaffen zuerst einmal eine Tabula rasa. Erst danach wird angesiedelt, was in dieser Schöpfung sein darf. Die anderen gehen von dem Pflanzenmaterial aus, das sie antreffen, und versuchen, dieses nach ihren Vorstellungen zu ordnen: Neues einzuführen, Willkommenes zu fördern und Missliebiges zu verdrängen.

Diese beiden Gruppen bekämpfen sich mit religiösem Eifer, und im günstigsten Fall bewerfen sie sich mit Begriffen wie Biodiversität, Herbizide, Grundwasser, Unkraut, Vollkorntrottel usw. In schlechteren Fällen bewerfen sie sich mit Hacken und Schaufeln. Bei all diesen Streitereien geht es im Grunde um eine einzige Frage: Was darf Gott? (Und was darf der Miniaturgott Mensch?) Darf er ausrotten, patentieren und verändern, wie er will, oder ist er aufgerufen zu bewahren, was ihm übertragen wurde? Und inwieweit darf ein Gott in die Rechte anderer Götter eingreifen?

Hausaufgabe: Googeln Sie Monsanto, Biodiversität, Roundup, und bilden Sie sich eine Meinung.

Sie sehen an diesem einen kleinen Beispiel, was Sie noch alles zu lernen und zu bedenken haben, bevor Sie auch nur daran denken können, sich in einem Kleingartenverein einzuschreiben.

Ähnliche Artikel

(Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)
Da steht noch immer die Finanzkrise als drohendes Monstrum. Und vor allem die absurde Reaktion der europäischen Politik darauf: Noch mehr von dem, was uns in die Krise geführt hat.
Vielfältigkeit ist nicht nur schön, sondern auch sehr praktisch. Man muss nur damit umgehen können. Lässt man beispielsweise Hühner rund um den Kirschbaum picken, hat man weniger wurmige Kirschen, weil die Hühner die Würmer schon fressen, bevor sie zu Fliegen werden und weitere Wurmeier in die Kirschen legen.
Die Arbeit im Garten ist jeden Frühling wie ein kleiner Schöpfungsakt. Man bemüht sich nach Kräften, die Folgen des eigenen Tuns abzuschätzen, hat es aber letztlich mit sehr vielen Unwägbarkeiten zu tun. Man pflanzt eine Staude, kann aber nie mit Sicherheit sagen, wie sie sich entwickeln wird.
Wolfgang Topf war damals unser Obmann. Viele haben ihn Mascherl-Wolfi genannt (natürlich hinter seinem Rücken), obwohl er damals, 2002, gar kein Mascherl mehr getragen hat, sondern nur mehr Krawatte
Manchmal kommt auch die Helga vorbei und trinkt ein paar G’spritzte. „Zum Runterkommen“, wie sie gerne sagt. Die Helga, müssen Sie wissen, ist nämlich eine Kulturmanagerin. Die hat ihren Schrebergarten hauptsächlich zum „Runterkommen“.
Jetzt rührt der Kleingärtner/die Kleingärtnerin wieder von früh bis spät seine/ihre Hände. Wir befinden uns mitten in der Hauptsaat- und Pflanzzeit. Auf den Fensterbänken der Gartenhütten werden Auberginen, Gurken, Kürbisse, Sonnenblumen, Tomaten und Melonen gezogen. Sobald die Pflänzlein kräftig genug sind, werden sie an jenen Plätzen im Kleingarten gepflanzt, die ihrem Wachstum am förderlichsten sind. Die Natur der Sache bringt es aber mit sich, dass man
Und plötzlich ist es uns wie Schuppen von den Augen gefallen: Eigentlich sind wir alle wirtschaftspolitische Analphabeten. Kennen uns in dieser wichtigen Materie aber sowas von Null aus.
Für die Kleingärtnerin, den Kleingärtner ist nun eine Zeit der Fülle angebrochen. Jeder Baum, jeder Strauch scheint sich für die Pflege und Zuneigung, die man ihm angedeihen hat lassen, bedanken zu wollen. Jede Pflanze streckt einer/m ihre Früchte entgegen. Him-, Erd- und Heidelbeeren schreien richtig danach, gepflückt zu werden. Die frühen Apfelsorten lachen schon von den Zweigen, und die Kirschen befinden sich längst in ihren Einmachgläsern. Wahrlich eine Zeit
Die Zeit vor dem Jahreswechsel ist für den Kleingärtner eine Zeit der Ruhe und der Pflege. Die Rasenflächen werden vom Laub gesäubert, letzte Schnitte an den Obstbäumen gesetzt und Komposthaufen abgedeckt. Diese Zeit der Ruhe genießt mein Nachbar Franz immer ganz besonders. Franz nun ist ein Mensch, den wohl viele als „Original“ bezeichnen würden. Groß, breitschultrig und mit einem Rauschebart wie Rübezahl. Er zeichnet sich durch sehr entschiedene Bewegungen