Die Open-Source Platine als digitale Kunst: Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit – Fakt oder Mythos

In Ihrer Schublade, jetzt zu diesem Zeitpunkt, befindet sich ein Schatz: die Ansammlung von lahmen Handys, veralteten USB-Sticks, verstummten elektrischen Zahnbürsten, verwaisten Fernsteuerungen und anderen enttäuschend früh kaputt gegangene Geräten. Das Klumpert schlummert dort, obwohl seine Materialien extrem gefragt sind.

Mz. Balthazar, Open Source Platine, Digitale Kunst

Die blutigsten Bürgerkriege werden derzeit um die 3TG geführt. Diese „Conflict Materials“ stehen für Tantal, Tin (Zinn), Tungsten (Wolfram) und Gold.

Um konfliktreiche Lieferketten besser kontrollieren zu können, gibt es seit ein paar Jahren Versuche, die Herstellung nachverfolgbarer zu machen. Zum Beispiel werden Materialien mit QR-Codes versehen. Auf diese Art gekennzeichnet sollen sie per Blockchain getrackt werden und zur Grundlage neuer Gütesiegel werden. Woher sie kommen, wohin sie gehen, wer sie weiterverarbeitet hat, soll transparent werden, und zwar die ganze Lieferkette entlang.

Selbst wenn Sie den Schatz in ihren Schublade heben würden, („Urban Mining“), würde das jedoch nicht für die Industrie reichen. 

Es hilft also nichts, wir brauchen einen Systemwechsel. Wir brauchen nachhaltige, fair produzierte, dezentral herstellbare und wiederverwendbare Elemente, aus denen wir die notwendigen Dinge des Lebens immer wieder neu zusammenbauen können.

Dafür benötigen wir nur die Einstellung, uns um dieses Problem kümmern zu wollen. Und zweitens die Erfahrung, dass weniger Ausgangsmaterialien unsere Kreativität befeuern und sogar bessere Technologien für die Zukunft hervorbringen können. 

Kunstschaffende verknüpfen naturgemäß diese Einstellung und Erfahrung.

Das Projekt der Universität für Bildende Kunst in Wien mit dem Titel „Feminist Hacking: Building Circuits as an Artistic Practice“ richtet sich an digitale Künstler*innen. Im Jahr 2020 begannen Patricia J. Reis, Taguhi Torosyan und ich an diesem vom FWF unterstützten, künstlerischen Forschungsprojekt zu arbeiten. Damit soll Künstler*innen für die Umsetzung ihre individuellen digitalen Kunst- und Designprojekte ethisch und ökologisch vertretbare Hardware in modularer Form zur Verfügung gestellt werden. Diese Hardware-Module sind gerade in der Prototypen-Phase. Sie bestehen aus Materialien, die uns leicht und dezentral zugänglich sind. Dieses Kit, das Künstler*innen je nach Bedarf neu zusammensetzen können, enthält diverse nützliche Bauelemente und sogar eine Energiequelle, die den Schaltkreis nachhaltig und organisch durch anaerobe Mikroben mit Strom versorgt. 

Ethische Hardware könnte also von Künstler*innen entworfen werden und dadurch auch neue unorthodoxe Medienkunst ermöglichen. Vielleicht gar eine neue künstlerische Bewegung auslösen? Ich denke da zum Beispiel an die bahnbrechende Kunst von Hannah Perner Wilson (a kit-of-parts, Fabric Speakers), Irene Agrivine und Caroline Rika (Fabrica Architectura, 2021) Irene Posch und Ebru Kurbak (Programmierbarer Computer aus Goldfäden und Stickereien) oder Ioana Vreme Moser (Fluid Memory. Fluidic Computer. Aus Glas, Salzwasser und Elektronik, 2019).

Diese Art von digitaler Kunst ist dann auch leichter für die Zukunft archivierbar, weil sie nicht von Upgrades, veralteten Betriebssystemen oder gar nicht mehr lieferbaren Abspielgeräten abhängig ist. 
Sie ist autonom und hat daher den nachhaltig längeren Atem für die Zukunft.

 

 

Stefanie Wuschitz ist seit seiner Gründung 2009 im Kollektivvorstand von Mz* Baltazar’s Laboratory. 
Seit 2020 ist sie Leiterin des künstlerischen Forschungsprojekts Feminist Hacking: Building Circuits as an Artistic Practice an der Akademie der bildenden Künste in Wien. 2019-21 arbeitete sie an ihrem künstlerischen Forschungsprojekt “Coded Feminisms in Indonesia” an der TU Berlin (Berliner Hochschulprogramm „DiGiTal”). 


www.feministhacking.org
www.mzbaltazarslaboratory.org
www.femaleartistindex.org


Stefan Nicola (2019): Using Blockchain to Help Fight Conflict Minerals. Startups and big companies are relying on the technology to better track shipments of metals, from mines to factories worldwide. In: Blumberg Business Week, accessible at: https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-04-24/using-blockchain-to-help-fight-conflict-minerals

Thomas Biesheuvel (2018): De Beers Tracks First Gems From Mine to Shop Using Blockchain. In: Blumberg Business Week, accessible at:
https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-05-10/de-beers-tracks-first-gems-from-mine-to-shop-using-blockchain

Amy Frearson ( 2016): Agbogbloshie Makerspace Platform Creates mobile workshops for world's largest e-waste dump. In: Dezeen Magazine, accessible at: https://www.dezeen.com/2016/05/16/agbogbloshie-e-waste-dump-makerspace-platform-spacecraft-mobile-architecture-workshop-ghana-julien-lanoo-photography/
 

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