Neues aus der Kleingartensiedlung: Wir haben jetzt auch Bobos!
<p>Für die Kleingärtnerin, den Kleingärtner ist nun eine Zeit der Fülle angebrochen. Jeder Baum, jeder Strauch scheint sich für die Pflege und Zuneigung, die man ihm angedeihen hat lassen, bedanken zu wollen. Jede Pflanze streckt einer/m ihre Früchte entgegen. Him-, Erd- und Heidelbeeren schreien richtig danach, gepflückt zu werden. Die frühen Apfelsorten lachen schon von den Zweigen, und die Kirschen befinden sich längst in ihren Einmachgläsern. Wahrlich eine Zeit
Für die Kleingärtnerin, den Kleingärtner ist nun eine Zeit der Fülle angebrochen. Jeder Baum, jeder Strauch scheint sich für die Pflege und Zuneigung, die man ihm angedeihen hat lassen, bedanken zu wollen. Jede Pflanze streckt einer/m ihre Früchte entgegen. Him-, Erd- und Heidelbeeren schreien richtig danach, gepflückt zu werden. Die frühen Apfelsorten lachen schon von den Zweigen, und die Kirschen befinden sich längst in ihren Einmachgläsern. Wahrlich eine Zeit der Fülle und des Genusses.
Nebenan haben nun eine paar junge Leute den Kleingarten vom alten Wondracek übernommen, die anscheinend auch einiges von Genuss verstehen. Die haben schon ihre erste Party gefeiert, bevor einer von denen einmal den Rasenmäher aus dem Schuppen geholt hat. Meine Frau meint, das seien sogenannte Bobos. Von denen habe ich bisher zwar schon gehört, leibhaftig habe ich aber bisher keinen von denen zu Gesicht bekommen. Die seien, so meint meine Frau, die neue Elite des Informationszeitalters. Auf mich wirken sie eher wie Erwachsene, die sich als Jugendliche verkleiden. Aber ich lass‘ ja jeden wie er ist, bin ein weltoffener Mensch. Und als solcher habe ich gestern auch eine erste Kontaktaufnahme über den Gartenzaun hinweg versucht. Kluge Menschen, das muss ich schon sagen. Können sich gewandt und gebildet ausdrücken – wenn auch nicht unbedingt verständlich.
Zwei haben besonders engagiert mit mir diskutiert. Die meinten, dass Antirassismus zurzeit „das Ding“ sei. Vor allem antirassistische Bewegungen vor dem Hintergrund postdemokratischer Verhältnisse. Wie gesagt habe ich ja nicht alles verstanden. Aber ich habe doch kapiert, dass diese Bobos gegen AusländerInnenfeindlichkeit und Fremdenhass auftreten. Ich für meinen Teil finde das ja nicht nur lobenswert, sondern auch sehr sympathisch. Ein wenig stutzig hat mich dann aber gemacht, dass sich diese jungen Menschen trotz aller Klugheit kein bisschen bemühen, hinter die Kulissen zu blicken. Mit meiner einfache Frage (die ich immer stelle und die vor mir ja auch schon Cicero stellte) „Cui bono – Wem nützt es?“ wussten sie so gar nichts anzufangen. Sie konnten mir nur sagen, dass Antirassismus derzeit voll wichtig sei.
Ich bin ein wenig enttäuscht aus diesem ansonsten sehr anregenden Gespräch heraus gegangen. Nicht so sehr, weil diese jungen Menschen so wenig Tiefgang zu haben scheinen. Nein. Immerhin haben sie ja noch genug Zeit, diesen zu entwickeln. Was mir wirklich zu denken gab, ist die Art und Weise, wie sich diese jungen, klugen und gebildeten Menschen am Antirassismus abarbeiten; dass sie nämlich ihre ganze Kraft und Leidenschaft in Begriffsdefinitionen und Auf-der-Höhe-des-Diskurses-Sein investieren. Als ob es um akademische Probleme ohne reale Relevanz ginge. Vielleicht, so dachte ich mir kurz, spielen sie ja auch nur Antirassismus? Eine Art Zeitvertreib oder Beschäftigungstherapie.
Immerhin ertrinken jährlich geschätzte 4.000 Menschen beim Versuch, in die EU zu gelangen, im Mittelmeer. Am Fluss Evros (wo der europäische Teil der Türkei an Griechenland und Bulgarien grenzt) liegen auf einer Länge von 42 km 1,5 Millionen Landminen, um Menschen davon abzuhalten, die Grenze zur EU zu passieren. Da erscheinen mir solche zur Spitzfindigkeit neigende Diskussionen – gelinde gesagt – doch ein wenig seltsam. Aber gut, ich schreibe Ihnen ja auch meistens nur übers Heckenschneiden, Kompostieren und Fruchtfolgen. Vielleicht bin ja auch ich mehr Teil des Problems als der Lösung? Darüber muss ich erst nachdenken. Mal schau’n, wo meine Frau wieder den Nussschnaps hingestellt hat.