Gegenöffentlichkeit gut verdaut

Einen Überblick über die freie Medienszene in Oberösterreich, deren Geschichte und deren Perspektiven zu zeigen, kann naturgemäß nur schlaglichtartig erfolgen, ohne Systematisierung und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, weil das diesen Rahmen sprengen würde. Holzschnittartig, weil eine echte Differenzierung vermutlich den Blick dermaßen zerstreuen würde, dass er im Nebel der Vielzahl der Erzeugnisse gar nichts mehr fassen könnte. Und ein solcher Überblick an diesem Ort kann nur die jüngere Geschichte betrachten, alles andere wäre Forschungsgegenstand der Zeitgeschichte, die jedoch einen großen weißen Fleck auf diesem Feld aufweist.

Einen Überblick über die freie Medienszene in Oberösterreich, deren Geschichte und deren Perspektiven zu zeigen, kann naturgemäß nur schlaglichtartig erfolgen, ohne Systematisierung und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, weil das diesen Rahmen sprengen würde. Holzschnittartig, weil eine echte Differenzierung vermutlich den Blick dermaßen zerstreuen würde, dass er im Nebel der Vielzahl der Erzeugnisse gar nichts mehr fassen könnte. Und ein solcher Überblick an diesem Ort kann nur die jüngere Geschichte betrachten, alles andere wäre Forschungsgegenstand der Zeitgeschichte, die jedoch einen großen weißen Fleck auf diesem Feld aufweist. Zuletzt sollen hier nur Medien und Initiativen, die in einem gesellschaftlich oppositionellen und emanzipatorischen Kontext verortet sind, angesprochen werden. Schließlich sei noch angemerkt, dass dieser Überblick in keiner Weise eine historische Rekonstruktion der Vergangenheit sein kann, das wäre die Aufgabe von Archiven. Da der Verfasser zu zahlreichen der besprochenen Medien selber beigetragen hat, handelt es sich vielmehr um eine aus der Erinnerung gespeiste Konstruktion, nicht zuletzt, weil die Quellenlage eine äußerst prekäre ist.

Gewiss, es wäre sicherlich reizvoll und nostalgisch, die Geschichten der ersten radikalen Schülerzeitungen der 1970er Jahre in Oberösterreich zu erzählen. Von der Schülerzeitung Plop aus Vöcklabruck beispielsweise, deren ersten beiden Ausgaben im dortigen Pfarrhof gedruckt worden sind. Jedoch war in der zweiten Nummer ein Aufruf zum Kirchenaustritt zu lesen, was den sofortigen Rausschmiss aus der Pfarre zur Folge hatte. Fürderhin wurde Plop auf dem Bezirkssekretariat der KPÖ gedruckt, was die Entwicklung zu einem Blatt der radikalen Opposition zu den damals herrschenden Schulpolitiken erst beförderte. Das hatte etwa zur Folge, dass beim heutigen Religionsreporter von Ö1, Adalbert Krims, von der Polizei eine Hausdurchsuchung gemacht worden ist, weil er im Impressum für den Inhalt von Plop verantwortlich zeichnete. Von disziplinären Maßnahmen bis zu Schulausschlüssen und polizeilichen Nachstellungen reichten die Repressionsmaßnahmen gegen die ZeitungsmacherInnen.

Bezeichnend für das politische Klima des konservativen Meinungsterrors war, dass schließlich Elternverein und Lehrerschaft des dortigen Gymnasiums eine Gegenzeitung namens Wühlmaus initiierten, die dem Plop das Wasser abgraben sollte. Jahre später sah sich die vorherrschende Schulbürokratie gezwungen, ihr eigenes Kind umzubringen, weil es nicht mehr nach der Pfeife der einstigen GründerInnen tanzte. Mit Verbot und Beschlagnahme machten sie der eigenen Kreation den Garaus. Diese Reminiszenz sei deswegen gestattet, weil diese Prozesse Beachtung weit über die eigentlichen Öffentlichkeiten dieser Blätter fanden. Beispielsweise erklärten sich BetriebsrätInnen aus ganz Österreich solidarisch, als ein Plop-Redakteur von der Schule verwiesen worden ist. Ein einmaliges Ereignis in der jüngeren Mediengeschichte in Oberösterreich. Dermaßen radikale Maßnahmen der Staatsmacht gegen freie Medien sind hierzulande selten geworden, gewiss auch deswegen, weil die Öffentlichkeiten, die sie erreichen, kleiner geworden sind, und aufgrund der überbordenden Informationsflut aus den unterschiedlichen Kanälen, die einzelnen Medien kaum noch über eine ganz beschränkte Öffentlichkeit hinaus, eben die eigenen Communities und Szenen, wahrgenommen werden. Die herrschende Hegemoniemaschine scheint die Äußerungen einer Gegenöffentlichkeit problemlos zu verdauen.

Alternativ oder eigen

Der Medienforscher Geert Lovnik unterschied in den 1990er Jahren die Medien einer (linken) Gegenöffentlichkeit in alternative Medien, also jene, welche die bürgerliche Öffentlichkeit spiegeln, indem sie inhaltlich alternierende Sichtweisen von Problemen einbringen, oder Fragen, die im vorherrschenden Medienkanon zu wenig Platz finden, zur Debatte stellen. Das Problem dabei ist, dass diese Medien sehr oft in Form von Vorschlägen an die Regierenden vorgetragen werden, was aber meist bedeutet, dass sie sich den Paradigmen des Regierens unterwerfen. Das bedeutet, dass ökonomische Sachzwänge eine wichtigere Rolle spielen als Interessen, Effizienz oft unfreiwillig zum Kriterium des Handelns wird und vermeintliche ExpertInnenschaft letztendlich von politischen Ressentiments der Standortpolitiken gesteuert wird. Dass dies oft auch der Prekarität des eigenen Produzierens geschuldet ist, sollte das nicht entschuldigen.

Ein Beispiel? Als Anfang Oktober in Linz eine Demonstration gegen den Anschlussturm-Kommers der Deutschnationalen Burschenschafter von der Arminia Czernowitz zu Linz stattfand, bat ein Redakteur des Radiomagazins Frozine vom freien Radio FRO eine der OrganisatorInnen zum Interview. Die Demonstration war mit mehr als 500 TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen Szenen ein schöner Erfolg, die Stimmung gut, laut und kämpferisch. Die erste Frage des FRO-Redakteurs lautete, ob man denn von einem Erfolg der Demonstration sprechen könne, angesichts der Probleme mit dem schwarzen Block. Eine Frage, die man eher einem Reporter des Polizeifunks zuschreiben würde, der die Aufgabe hat, DemonstrantInnen im Allgemeinen und AntifaschistInnen im Besonderen zu diskreditieren oder gar zu kriminalisieren. Warum stellt sie ein Mitarbeiter eines freien Mediums? Zwingt die Prekarisierung der Arbeit in freien Medien die MacherInnen, die vorherrschenden Medien zu kopieren, ja sie in ihrer Affirmation zu überflügeln? Oder sind es die vorherrschenden Medien, die nicht nur vorgeben, was thematisch angesagt ist, sondern auch zeigen, wie Journalismus zu sein habe.

Gewiss spielen beide Faktoren eine Rolle. MacherInnen von freien Medien bekommen in der Regel kein Geld dafür und ihnen wird meistens auch der Respekt und die Anerkennung der KollegInnen in den bürgerlichen Medien verwehrt. Dass die prekären Arbeitsverhältnisse auch dort schon längst Platz gegriffen haben, sei nur am Rande erwähnt. Wer heute in einem Mainstream-Medium eine Job bekommen möchte, muss hundertprozentige Leistungsbereitschaft nachweisen. Das kann man gut, wenn man seine Exerzitien bereits in einem freien Medium gemacht hat. Das fatale dabei ist, dass die Jobs bei Medien, wo man etwas verdienen kann, erst recht nicht jene bekommen, die Selbstausbeutung bei freien Medien betrieben haben, sonder jene, die nicht dort versaut worden sind. Dass oben erwähntes Beispiel bei Radio FRO passiert, verwundert jedoch, leistet sich FRO doch eine Lehrredaktion, welche diese Zusammenhänge eigentlich behandeln müsste.

Als zweite Gruppe von freien Medien charakterisiert Lovnik die eigenen Medien, die sich ganz bewusst außerhalb des Kanons der Mainstream Medien positionieren. Es geht ihnen nicht um eine Beeinflussung und eine Bereicherung der öffentlichen Meinung, sondern um die Entwicklung und Etablierung explizit oppositioneller Diskurse in abgegrenzten Szenen. In ihnen werden Debatten entwickelt, sie bedienen sich spezieller, den jeweiligen Szenen entsprechenden Sprachen und beziehen freiwillig eine Unten-Position.
Es ist zu befürchten, dass die beiden unterschiedlichen Ausprägungen in der Funktionsweise von alternativen Medien in den meisten Fällen zusammengefallen sind. Sie beziehen sich auf eine enge, begrenzte Öffentlichkeit, aber sie tun trotzdem nichts anderes, als Vorschläge für die herrschenden Politiken zu unterbreiten. Die Entwicklung einer Gesellschaftskritik oder gar von Ideologiekritik ist nur noch in ganz wenigen Fällen zu bemerken.

Erschöpfung durch Selbstausbeutung

„Man muss die versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt!“, forderte Marx im Vorwort der Kritik an der hegelschen Rechtsphilospohie. Am ehesten hat das noch das Zeitungsprojekt Hillinger, welches im Umfeld der Kulturinitive KAPU entstanden ist, erprobt. Wobei der Hillinger im übertragenen Sinne vor allem das Tanzen und das Singen ernst genommen hat. Es war eines jener Medienprojekte, das eine radikale Gesellschaftskritik mit einem künstlerischen Anspruch in Verbindung gebracht hat. Ironie, Sarkasmus und Subversion haben die Blattlinie ausgemacht und das Blatt genoss bald Kultstatus in Linz, das Ende kam wie so oft überraschend. Eine Klage des damaligen Chefredakteurs der Oberösterreichischen Nachrichten hatte den ökonomischen Niedergang zur Folge und die Erschöpfung der Beteiligten aufgrund jahrelanger Selbstausbeutung ermöglichte keinen Neubeginn. Ein Nachfolgeprojekt namens Prairie verkümmerte als Web-Magazin in den Weiten des Internet.

Einzig die Versorgerin, herausgegeben von der Kulturvereinigung Stadtwerkstatt in Linz, kann für sich reklamieren, eine grundsätzliche Kritik der Zustände zu entwickeln. Die Versorgerin ist das einzige Blatt, das sich grundsätzlich skeptisch zum Kulturhauptstadtprojekt Linz 09 positioniert hat. Die Stadtwerkstatt wurde prompt dafür abgestraft, indem man sie mit einem Linz 09-Vorprojekt zuerst fast ein Jahr zappeln ließ, um es dann doch nicht zu fördern. Politikmachen bedeutet, aufzuhören, für andere zu denken, sagte Klaus Theweleit in einem Vortrag. Das könnte für die Blattlinie der Versorgerin stehen. Eine Haltung, die in wenigen Projekten der freien Medienszene vorzufinden ist. Doch auch in diesem Fall ist keine Öffentlichkeit, die über die Kulturszene hinausgeht, entwickelt worden. Aber es ist zumindest ein kleiner Raum eröffnet worden, in dem Abweichendes gedacht und diskutiert werden kann. Das ist schon viel.

Fernsehalternativen

Das Medium Fernsehen ist hierzulande noch völlig verschont von freiem und partizipativem Zugang. Es gibt zwar seit längerer Zeit eine Initiative namens Matrix, die sich nichts Geringeres zum Ziel gesetzt hat, als nicht-kommerzielle, regionale, partizipative Fernsehalternativen zu entwickeln, die nicht der Logik des Marktes und der Macht unterworfen sind. Die AktivistInnen dieses Vereins befinden sich zur Zeit auf Ochsentour bei den zuständigen PolitikerInnen, um eine brauchbare Finanzierung durchzusetzen. Es geht darum, einen Teil des Kulturförderbeitrags aus den Rundfunkgebühren für die freien Medien loszueißen, wie dies in Wien bereits der Fall ist. In Oberösterreich gibt es seit Jahren Lippenbekenntnisse seitens der Politik, freie Medien besser zu fördern. Aber die Strategie der Regierenden ist von der Hoffnung getragen, wenn man nur lange genug zuwarte, werden sich die Initiativen von selber erledigen. Gewiss eine trügerische Hoffnung, denn freie Medien sind immer dann am stärksten, wenn sie um die eigene Legitimation kämpfen. Das hat sich beim Kampf um die freien Radiofrequenzen in den 1990er Jahren gezeigt. Doch zu dieser Zeit waren die neoliberalen Paradigmen der Politik, die da heißen Verwertbarkeit, Effizienz und Standort, noch nicht dermaßen durchgesetzt, wie sie es heute sind.

Franz Fend lebt und arbeitet in Linz.

Der vorliegende Artikel ist Teil 1 einer neuen Kulturrisse-Serie zur freien Medienszene in den österreichischen Bundesländern.

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